Charley Crockett – Music City USA

von am 25. September 2021 in Album

Charley Crockett – Music City USA

I can’t ask to move the mountain/ So just give me the strength to climb.” beschwört  Charley Crockett auf Music City USA das Objekt seiner Begierde. Dabei muss er sowieso nicht befürchten, dass sein Tatendrang ohne Hilfe von außen ungestillt bliebe.

Das Bild, dass die immense Schaffenskraft des Romantikers Charley Crockett nicht nur vom untrüglichen Glauben an sich selbst und einen traditionsbewussten, inspirierten Eklektizismus, sondern mehr noch durch so profane Tugenden wie Können, Pragmatismus oder Schläue gespeist wird, passt jedenfalls zum anpackenden Wesen des Musikers, dessen im Akkord erscheinenden Platten eine überraschungsarme Konsistenz in der Schnittmenge aus Qualität und Quantität an den Tag legen.
Wie dem auch sei ist Crockett trotz unermüdlicher Touren nur wenige Monate nach dem relativ klar im Country zu verortendem James Hand-Tribut 10 for Slim jedenfalls bereits mit seinem (je nach Zählweise) zehnten Studioalbum Music City USA (samt dazugehöriger Doku) fertig, das scheinbar ohne jeden Kraftakt wieder (weitestgehend) Originalmaterial liefert und sich dafür ein Stück weit zur Frühphase des 37 jährigen bewegt, den Honky Tonk also mit subversiv politischen Zwischentönen und szenebewanderten Seitenhieben (was so übrigens bereits beim Albumtitel und Artwork beginnt, sich jedoch auch auf die Texte projizieren lässt) anreichert: Elemente aus vor allem dem Soul und Oldschool Blues, aber auch dem Vintage Rock’n’Roll und R&B und Doo Wop werden die Stirnfalten von Country-Puristen beschäftigen.

Gemeinsam mit Produzenten Mark Neill in weniger als einer Woche geschrieben und in dessen Studio in Valdosta mit Crocketts traumhafter Backingband, den Blue Drifters, eingespielt, klingt Music City USA jedenfalls nie wirklich nach der vermeintlich titelstiftenden Stadt – und sowieso einer ganz anderen Ära als der aktuellen.
Gerade im Vergleich zum 2020er-Vorgänger Welcome to Hard Times setzte Crockett diesmal jedoch einerseits auf die Ästhetik einer variablen Sammlung aus Einzelsongs, andererseits gleichzeitig auch auf eine anachronistische Unaufgeregtheit und soviel Understatement, dass die 50 Minuten der Platte auf den Erstkontakt geradezu gediegen wirken können, auch ein bisschen unspektakulär und am Stück konsumiert zu ausführlich geraten – bis man realisiert, dass der Texaner rund um Stonewall Jacksons I Washed My Hands In Muddy Water, das hier als munter klatschendes, aber zurückgelehntes Muddy Watter auftritt, sowie dem prägnant lauernden, ein bisschen gespenstisch seine Aktualität tänzeln lassenden Henson Cargill-Werk Skip A Rope abermals keine auch nur ansatzweise schwache Nummer abliefert hat, trotz der immanenten Unaufdringlichkeit paradoxerweise vielleicht sogar freigiebiger denn je mit den Ohrwürmern und catchy Hooks umhgeht.

Wie der Titelsong schunkelt auch hitverdächtige Honest Fight eingängig nach vorne, addiert heimlich jedoch noch soulige Arrangements im Hintergrund, während die wirklich exquisite, absolut authetische Single I Need Your Love wie ein Juwel aus den späten 50ern weich und gefühlvoll schwofend so ein immenser Blickfang ist, dass alles danach kommende schon einmal fälschlicherweise unter Wert empfunden werden kann: Eher als die Omnipräsenz von Crockett überstrahlen seine stärksten Nummern manchmal einfach den immens hohen Standard, der zu keiner Sekunde Pastiche, sondern wandelbare Formvollendung zeigt.
Are We Lonesome Yet tritt also fidel über seinen beschwingten Rhythmus auf, während This Foolish Game bluesig entschleunigt wird. Round This World bringt seinem Banjo den Outlaw-Drive bei, Just So You Know agiert wehmütiger und Lies and Regret klimpert kerniger. I Won’t Cry folgt seinem Vorsatz mit nostalgischen Bläsern und Smoky bringt mit seinem wunderbar weich und gefühlvoll intonierten Refrain die Bar zum schmelzen. 518 schlurft ausdauernd und lässig im Hall, kontrastiert vom bassbummelnden, perkussiven Spoken Word-Stück Only Game in Town, bevor Hanger On als flanierender Crooner ein guter Abschied gewesen wäre, so aber auch aufzeigt, dass der Spannungsbogen der Platte hinten raus etwas zerfahren ist. Kein Problem: Crockett nimmt für das Erklimmen dieses Berges halt auch mal Umwege in Kauf.

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen