Fleshwater – 2000: In Search Of The Endless Sky

Aus der Ente ist ein Schwan geworden – ein Bild, das in mancher Hinsicht auch auf die kompletter ausformulierte Musik von 2000: In Search of the Endless Sky im direkten Vergleich zu We’re Not Here to Be Loved zutrifft. Und in vielerlei Hinsicht leider nicht.
Mit einem gelungenen Sequencing und einer neu entdeckten Sorgfalt und Klasse als Ambient-Musiker, was die Arrangements von Übergängen zwischen den Nummern angeht (und die als Bindemittel das Album als solches und Ganzes runder machen und zudem die Spielzeit dezent ausdehnen) krankt das Zweitwerk der mit 90er-Nostalgie in den Alternative Metal gazenden Band daran, dass, gemessen am Songwriting, der Eindruck unabwendbar bleibt, all das einfach schon zu deckungsgleich, nur deutlich besser, bereits 2022 von Fleshwater zu hören bekommen hat.
Zugegeben: Auch We’re Not Here to Be Loved war, gemessen an der vorausgeschickten Demo, ein wenig enttäuschend. Doch wo sich der Vorgänger schnell aus diesem Erwartungsdruck freispielen konnte (und Standalone+1 auch vorab für relativierende Perspektiven sorgte), will 2000: In Search of the Endless Sky auch nach zahlreichen Durchgängen einfach keinen Wachstumsprozess einleiten.
Vieles wirkt schlichtweg langweilig, oft erscheinen die Kompositionen seltsam unausgegoren strukturiert. Derweil jede Nummer während des Konsums ins Ohr geht, bleibt mittelfristig dennoch kaum etwas wirklich zwingend hängen, der Reiz ist überschaubar und die Dosis zerfahren ausgewogen. Es fehlen einfach jene packenden Momente, die das untertauchende Debüt doch noch an die Ansprüche heranreichen ließ.
Paradox: Während die Formel der Band vor allem am Stück auslaugt und auf Durchzug schalten lässt, funktioniert das Material von 2000: In Search of the Endless Sky selektiv betrachtet jedoch dennoch gut.
Schließlich wirbelt gleich Drowning Song als absolut typischer Standard so beschwörend und leidend den Staub hinter Protagonistin Mirsy auf, derweil das straighte Green Street auf eine mathy Weise poppig ist und Anthony DiDio von hinten fauchend keift. Genau so gehen eigentlich Fan-Pleaser – wäre die grundlegende Substanz hinter der Ästhetik eben nur stärker!
Dennoch verstehen es Fleshwater zumindest, die Dinge dynamisch zu halten und stilistisch etwas breiter aufgestellt zu agieren. Mal drosseln sie das Tempo (Jetpack), mal geben sie sich besonders besonders entwaffnend catchy (Last Escape), dann wieder webt sich ein elektronisches Downbeat-Schwelgen mit einem die Zurückgenommenheit sehr schön auflösendem Chor als natürlichste Sache der Welt in das Geschehen (Be Your Best). Jerome Town bremst sich über einer somnambulen Klangwelt aus, in der Stakkato-Riffs klarer Deftones-Prägung Post-Hardcore-Zähne zeigen dürfen und Sundown orientiert sich dafür (mit einer herrlich willkürlich auftauchenden Cowbell) am Poprock. Das flotte Raging Storm zieht die Zügel knackig enger und eilt sogar mit Tribal-Drums, bevor aus der verführerisch bimmelnden Introspektive Silverine der mit weiten Melodiebögen in den Windschatten von Title Fight einbiegende Quasi-Titelsong Endless Sky als verdienter Closer wächst.
Und dennoch: So sehr das alles für sich genommen prinzipiell (oder bis zu einem gewissen Grad auch: theoretisch) immer noch überzeugen mag, so gilt im Umkehrschluss doch auch, dass das auf 2000: In Search of the Endless Sky umgesetzte Prinzip von „Mehr“ für Fleshwater praktisch doch vor allem auch ein gar nicht so kleines bisschen „Genug“ bedeutet. Neue Optionen mögen sich auftun, doch geschieht dies auch auf Kosten der eigentlichen Stärken der Band. Oder: Das hässliche Entlein war einfach interessanter und spannender, als der schöne, kenternde Schwan.
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