Friko – Where we’ve been, Where we go from here

von am 16. März 2024 in Album, Heavy Rotation

Friko – Where we’ve been, Where we go from here

Friko klingen vielleicht ja manchmal ungefähr so, als hätte ein junger Conor Oberst die Arcade Fire-Liebe von Black Country, New Road kurz nach dem Jahrtausendwechsel vorweggenommen und sie mit einer Lemon Twigs-artigen stilistischen Vielseitigkeit umgesetzt. Mehr noch krönt Where we’ve been, Where we go from here aber schon vorab einen bisher famosen Indie-Jahrgang.

Szene-kundige Experten werden kundtun, dass dies angesichts der seit 2019 von der (damals auch noch als Three Marquees firmierenden) Band aus Illinoise veröffentlichten EPs und Singles keineswegs eine Überraschung sein sollte – und rückblickend lässt sich durchaus bestätigen, dass beispielsweise die Quasi-Compilation Burnout Beautiful oder das Kurzformat Whenever Forever ziemlich einnehmende Talentproben darstellen.
Auf welchen Level Where we’ve been, Where we go from here die Entwicklung von Friko, die mittlerweile als Duo nur noch aus Vocalist/Guitarist Niko Kapetan sowie Drummer Bailey Minzenberger bestehen, ganz ungeachtet der Einordnung zwischen Geheimtipp und Hype verortet, nun allerdings gefühlt aus dem Nichts kommend feiert, musste man dann bei aller Liebe oder Erwartungshaltung jedoch so oder so eher nicht auf dem Plan haben.

Am deutlichsten wird dies in der Gegenüberstellung altbekannter Songs und ihrer aktuellen, neu eingespielten Versionen – wie etwa bei der Single Get Numb to It!, deren bodenständige Ausgelassenheit pure Euphorie rau einfängt, (im Gegensatz zu Black Country, New Road) griffiger und keineswegs prätentiös mit ungeschliffenerem Sound wie direkt neben dem Hörer aufspielend wirkt, um dann in einer Lofi-Demo-Geselligkeit zu münden – die auf der einen Seite nicht nur einfach so viel besser zünden als bisher bereits, auf der anderen Seite aber vor allem auch noch im Kontext des Albumformats enorm gewinnen: Where we’ve been, Where we go from here agiert in seinem Hin und Her aus Sturm-und-Drang und Einkehr, seinen unterschiedlichen Tempi und der stilistischen Variabilität, seiner ständig motivierten Ambition und pointiert ausbalancierten Treffsicherheit irre dynamisch auftretend, dabei aber eben ein homogenes, kompaktes Ganzes auf den Punkt bringend, dessen eklektische, ständig Assoziationen anbietenden neun Nummern als unmittelbar zündende Instant-Ohrwürmer durch die organische Produktion vielschichtig genug sind, um langfristige Reize zu forcieren.

Oder wie es im Beipackzettel heißt: „Friko transform each song into a moment of collective catharsis.
Where We’ve Been baut sich behutsam aus der intimen Acoustic-Nummer auf, kultiviert einen weinerlich flehenden, androgynen Gesang zur beschwörenden Geste und geht hinter einem sanft brutzelnden Rock-Szenario im milden Chor auf,  löst dann die Zügel und lässt galoppierend die Extase erblühen, um als idealer Opener zurück in die Intimität zu kriechen, und Crimson to Chrome dort präzise rumpelnd seinen Endorphin-Tatendrang mit exemplarisch tollen Melodien und catchy Hooks zum Gemeinschaftsgefühl zu leiten: was für ein ansteckenden Momentum die Hits der Platte kreieren!
Crashing Through bratzt kantig in Noise-Bereitschaft, gleichzeitig sanft und beherrscht, dich serviert das Gespann die Aufbruchstimmung nicht am Silbertablett sondern belässt das Gefühl bei, stets noch etwas Neues hinter der frontal mitreißenden Attitüde entdecken zu können, bevor die melancholische Nostalgie For Ella am Klavier sich vor Elliott Smiths Everything Means Nothing to Me verneigt, bittersüße träumend Erinnerungen an die Vergangenheit teilt, wo wohltemperierte orchestrale Arrangements in subtiler Eleganz durch den Ballsaal schreiten. Dass das finale Quäntchen Genie nie ganz in überwältigende Greifweite kommt: geschenkt! Dass man vor 20 Jahren vor Freude über diese Platte förmlich ausgetickt wäre, spricht wohl auf reservierte Weise eher gegen das eigene Alter: Enthusiasmus entfachen können Friko fraglos.

In Chemical verschwindet das Ave Maria im Rückspiegel eines choral angetretenen Gaspedals und destilliert die Spontanität der Platte, fängt den zwanglosen Session-Charakter toll ein, „wooh!“, während Statues als am Shoegaze groovender Midtempo-Rocker die Gitarren dröhnen wattiert, sich in Harmonien legt und hinten raus das Szenario sogar kurz in eine relativ heavy auftretende Wucht kippen lässt, nur um den Abspann umso fragiler anzugreifen: ein Highlight!
Until I’m with You Again setzt sich am Klavier zum mit Schellen marschierender Schulterschluss und spendet Trost („I know it’s hard, my friend/ But I’ll be with you again/ Remember this, my friend“), wo die textliche Ebene der Platte subjektiv betrachtet jetzt nicht unbedingt das größte Plus an Friko darstellt. Auch wenn Cardinal mit folkiger Americana-Gitarre ruhig im Raum-Klang döst, rührselig und sentimental kurz zur Violine pfeift und einen versöhnlichen Abspann („I’ve had better days, but none quite like this“) für ein prolongiertes Amalgam aus „post-punk, chamber-pop and experimental rock“ bietet, untergräbt es die universelle Tragweite ein bisschen, wenn Niko sich selbst zum Protagonisten des Songs macht.
Doch das geht absolut klar – wenn es die 36 Minuten von Where we’ve been, Where we go from here schaffen, einem die Hoffnung für nachfolgende Indie-Generationen notfalls auch im Alleingang ein gutes Stück weit zurückzugeben, dann haben sich die leidenschaftlichen, identitätsstarken Urheber ein bisschen Egozentrik mehr als verdient. (Nur zum Aufrunden zwischen den Punkten reicht es dann trotz Newcomer-Bonus nicht ganz. Vielleicht nur vernünftig: Wertungstechnisch muß angesichts des hier aufgezeigten Potentials von Friko als vorstellbare Indie-Fakelträger ja für die restliche Karriere noch Luft nach oben gelassen werden).

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