Manic Street Preachers – Rewind the Film

von am 17. September 2013 in Album

Manic Street Preachers – Rewind the Film

Aus der selbst auferlegten Pause nach dem guten 2010er Album ‚Postcards of Young Man‚ kehren die Manic Street Preachers gleich mit zwei Platten zurück. Auf dem ersten davon zeigen die Waliser, dass vorausgeschickte Charakterisierungen wie „akustisch“ und „zurückgenommen“ in ihrem Kontext trotzdem jederzeit problemlos „groß„, „ausladend“ und „bedeutungsvoll“ meinen können: näher ran ans kuschelige Lagerfeuer kommt das Trio mit ihrem Orchester-Pop kaum.

Auf dem elften Album in über einem Vierteljahrhundert Geschichte wollen es die seit ‚Journal for Plague Lovers‚ in ihrem zweiten Frühling schwebenden Manics mal wieder wissen und entdecken eine schlichtere Form des Bombast für sich. „Reduzierter“ ist ‚Rewind the Film‚ entgegen den Ankündigungen dann vor allem diesbezüglich, dass elektrische Gitarren nur im behäbig unter Spannung stehenden ‚3 Ways To See Despair‚ eine (untergeordnete) Rolle spielen und die Band all die Bläser, Streicher und sonstiges instrumentales Brimborium auf deutlich bescheidenere Weise in Szene setzt als auf dem proklamierten Gegenentwurf ‚This Is My Truth Tell Me Yours‚. Kaum einmal stürzen die Manics dabei derart unverhohlen mit der Tür ins Haus wie dem mit elegant triumphierenden 80er-Casino-Bläsern und treibendem Schlagzeug locker-leicht nach vorne polternden ‚Show Me the Wonder‚, in dem das Trio vor fröhlichem Tatendrang schlicht zu explodieren scheint, und selten fällt der Drang sich (wieder einmal) ein kleines Stück weit neu zu erfinden derart spartanisch, heimelig und zurückgezogen aus, wie in dem mit weicher Akustikgitarre am versöhnlichen Folk schunkelnden ‚This Sullen Welsh Heart‚ mit Lucy Welch als zusätzlichen akustischen Polster – meist traumwandeln die drei Herren zwischen diesen Polen.

So sinnieren die Manics in ‚(I Miss the) Tokyo Skyline‚ mit sorgsamen elektronischem Hintergrundgeplucker und fernöstlichen Streicheransätzen zwischen Moderne und Traditionalität, machen ‚Anthem For a Lost Cause‚ zu einem voll ausstaffierten Walzer mit ins Stadion geschleppten Calexico-Bläsersektion oder ‚As Holy As the Soil (That Buries Your Skin)‚ zu einem ausladend stampfenden Gospel der trotz grundsätzlicher voll ausgenutzter Studiospuren stets luftig und unangestrengt seine eigene Opulenz nonchalant aus dem Ärmel schüttelt. Richtig groß wird das vor allem im Titeltrack beim Zusammentreffen mit einem aus dunklen Gemächern croonenden Richard Hawley, dessen Intimität James Dean Bradfield zweimal aufbrausend konterkariert indem er mit allerlei instrumentalem Trara durch die Szenerie stürmt, verbarrikadierte Fenster aufreißt und Sonnenstrahlen geradezu aufbrausend durch den Song scheucht. Eine Glanztat, die allerdings auch bedeutet: mit dem herausragenden eröffnenden Trio kann das Dutzend an Songs auf ‚Rewind the Film‚ in weiterer Folge nicht immer mithalten.

Ein grundsätzlich vielversprechendes aber unausgegorenes ‚Builder of Routines‚ oder das durchwegs nett im 60s-Style schmachtende Cate Le Bon-Intermezzo ‚4 Lonely Roads‚ plätschern etwas zu beiläufig vor sich hin, vor allem im Mittelteil der Platte enden einige Stücke überraschend plötzlich. Dafür romantisieren die Manics Abrechnungen mit sozialen Unzulänglichkeiten berührend in ‚Running Out of Fantasy‚, neigen im instrumentalen ‚Manobier‚ zu großen Gesten oder rocken in ‚30-Year War‚ kompakt und knackig in Richtung des für 2014 angekündigten ‚Futurology‚. Dass das nie die gewichtige Schwere ihrer Meisterwerke auffahren will darf man natürlich schade finden – unbetrübter klangen die Manic Street Preacher allerdings vielleicht noch nie, die Songwriting-Qualität stimmt dazu neben der gewohnt stringent kommunizierten politischen Message dennoch auf volle Distanz.
Rewind the Film‚ hat die Wut und Angepisstheit der rockenden Manic Street Preachers ambitioniert und gekonnt gegen eine beinahe altersweise zurückgelehnte und gleichzeitig weit ausholende Privat-Bombast-Intimität getauscht, was den ohne Abnutzungserscheinungen auftrumpfenden Nicky Wire, Sean Moore und James Dean Bradfield auf unaufregende Weise steht. Langweilig wird es mit dieser Band jedenfalls weiterhin nicht.

07

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2 KommentareKommentieren

  • Chrisi - 19. September 2013 Antworten

    also 8 Punkte wären schon drin gewesen 🙂

  • Oliver - 24. September 2013 Antworten

    Naja – für mich persönlich wäre dann aber wertungsmäßig darüber zuwenig Spielraum für Alben wie ‚Generation Terrorists‘, ‚The Holy Bible‘, ‚Everything Must Go‘, ‚This Is My Truth Tell Me Yours‘ oder ‚Journal for Plague Lovers‘ – Alben, die mir eben allesamt (deutlich) besser gefallen als ‚Rewind the Film‘. Insofern erscheint mir die 7/10 also als angemessen. 🙂

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