Meshuggah – Koloss

von am 22. März 2012 in Album

Meshuggah – Koloss

Die Metal-Macht aus Schweden muss wirklich niemandem mehr etwas beweisen. Ein bisschen mehr Experimentalwut wäre zwar wieder prickelnd – Meshuggah destillieren dennoch  ein rundum gelungenes Stück Wahnsinn.

Das Rad erfinden Meshuggah wohl nicht mehr neu. Warum auch? Nach der fulminanten Stagnation ‚Catch ThirtyThree‚ schlug zuletzt ‚ObZen‚ den kürzesten Bogen zwischen alter Geschwindigkeitssucht und neuem Irrsinn, war spannend, weil es die Meshuggah Geschichte bereicherte indem es sie zusammenfasste und zudem einige der mitreißendsten Songs bis dato an Bord hatte. Das lockte die trommelnde Urgewalt  Thomas Haake als Schlagzeuger zurück ins Studio, dazu das ziemlich sicher hässlichste Cover der an hässlichen Covern nicht armen Bandhistorie gleich mit. Das Schamgefühl mit ‚ObZen‚ an der Kassa erwischt zu werden hielt sich allerdings weitläufig in Grenzen, das sechste Album der Band wurde mit über 50.000 verkauften Einheiten auch ihr erfolgreichstes. Dazu bezogen sich plötzlich allerhand Jungspunde urplötzlich auf Meshuggah, musizierten unter dem Banner des Djent und zelebrierten eine regelrechte Modeerscheinung aus dem ausgefeilten Instrumentalsport. Die so abgedrehten Schweden als Role Models quasi.
Meshuggah machten in Anbetracht des um sie tobenden Sturms das wohl einzig vernünftige: verbarrikadierten sich im Studio und prügelten – Zauberwürfel hin, tatsächlich beachtliches Pseudo-3D Cover her – das (wieder einmal und wie immer) „härteste Album“ überhaupt und aller Zeiten ein.

Koloss‚ scheitert an diesem Versuch natürlich beinahe zwangsläufig aber in aller Brillanz. Ein für gesunde Verhältnisse aggressiv vertracktes Stück Wahnsinnsmetal, dass einem mit hirnwütigen Instrumentengewichse und hyperventilierendem Tacktstock die Innereien weichkocht, hat in der eigenen Diskographie nicht automatisch den bösesten Blick drauf. Meshuggah waren tatsächlich schon schneller, irrsinniger und auch atmosphärischer als auf ‚Koloss‚ . Der Querschnitt durch alle Facetten gelingt dennoch triumphal.
Man sollte schon unterscheiden: ‚Koloss‚ ist tatsächlich ein unheimlich harter Brocken, der sich kaum zähmen lasst – doch der haltlose Geschwindigkeitsrausch, in den sich Meshuggah vor allen auf ‚Chaosphere‚ gesteigert haben, ist weitestgehend zu den Akten gewandert. Aggressiv zu wüten heißt für Meshuggah nicht mehr, vor allem irre schnell zu spielen, weswegen neben dem absurd hurtig  sprintenden ‚The Hurt That Finds You First‚ nur noch  ‚The Demon’s Name Is Surveillance‚ das Pedal durchtritt. Dann aber richtig: Mit hypnotisierenden Gitarrenfiguren, rasenden Akkordwechseln samt heftigsten Blastbeats und Metalcore im freien Fall. Die Ausnahmen, welche die Regel bestätigen.

Denn Grundgerüst des ‚Koloss‚ ist wieder das atemlos bretternde, hochkomplexe Kracken-Irrsinsspiel von Haake, unnachgiebig walzend mit krummen Takten und monotoner Unvorhersehbarkeit. Kontrastiert von dissonanten Riffsalven, die scheinbar wahllos abgefeuert werden. ‚Koloss‚ wirkt wie die tollwütige Aneinanderreihung kranker Breaksdowns im Zeitraffer. Erst nach und nach tun sich die eiskalten Melodien im Hintergrund auf, das monotone Gebell Jens Kidmanns bohrt sich unerbitterlich und  kompromissloser als auf den Vorgängern durch die Trommelfelle. Das rattern am Thrash vorbei, mitten durch eigentlich, und steigern sich vor allem in der zweiten Albumhälfte zum beeindruckenden Schlachthof des Metals. Der Klang ist dabei gleichzeitig befremdlich steril, eiskalt und ohne Luft zu atmen beinahe klaustrophobisch mit weitem Ausblick in die Finsternis: Die erneute Zusammenarbeit mit Daniel Bergstrand trägt imposante Früchte, ‚Koloss‚ ist ein unfassbares Ungetüm des Groove, die (Poly)Rhythmik der Platte sucht selbst im Meshuggah Kosmos seinesgleichen.

Meshuggah zelebrieren auch auf ‚Koloss‚ die Brutalität der Entmenschlichung, klingen wie die maschinelle Sichtweise auf alles Übel der Welt. Es mag anfangs verstörend wirken, dieser kompositorische Schritt zurück, ohne wegweisende Perspektivenveränderung, weil das ultimative Erkenntnisgewitter ausbleibt. Meshuggah beschreiten nicht mehr unbedingt den sich ständig wandelnden Weg, greifen abermals einzelne Nuancen ihrer bisherigen Geschichte hervor, womit der ‚Koloss‚ der Schweden ähnliche Angriffsflächen wie schon zumindest die beiden Vorgänger bietet. Album Nummer Sieben ist jedoch ein unmenschlicher Grower voller zerhackter Stakkatosongs, die erarbeitet werden wollen. Und die Ernüchterung nach dem Erstkontakt, die ist spätestens dann verflogen, wenn die Platte im roten Dezibelbereich über die Kopfhörer wütet.
Ob Meshuggah ihren progressiven Extreme Metal im fünfundzwanzigsten Jahr unter Djent einsortieren würden, bleibt zu bezweifeln. Denn das ist unterm Strich doch ausschließlich Meshuggah Metal. Wie ihn besser eben auch niemand zustande bringt.

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