Mogwai, Kathryn Joseph [15.09.2025: Arena, Wien]

von am 18. September 2025 in Featured, Reviews

Mogwai, Kathryn Joseph [15.09.2025: Arena, Wien]

Von unsterblichen Klassikern einer makellosen Diskografie umringt, lassen Mogwai in der Arena einige wenige Vertreter ihres auf Nummer Sicher gehenden aktuellen Album-Autopiloten The Bad Fire eindringlich wachsen. Das ergibt ein – im allerbesten Sinne – solides Gesamterlebnis.

Der einzige wirkliche Kritikpunkt an diesem Abend ist ein arg subjektiver: Die Setlist, die die Schotten für ihr Österreich-Gastspiel aus dem Pool an Songs, die für die World Tour 2025 in Frage kommen, herausgefischt haben, lässt einige Wünsche offen.
Gerade, weil die beiden besten Alben der Band keinen einzigen Vertreter stellen dürfen und das erst acht Monate alte The Bad Fire mit gerade einmal vier besuchten Nummern sparsam bedacht wird nicht nur das generell unberücksichtigte 18 Volcanoes ausspart, sondern ausgerechnet auch den erwarteten, jedoch schmerzlich vermissten Instant-Klassiker Pale Vegan Hip Pain, derweil das Gros der knapp 95 Minuten Netto-Spielzeit mit wenig überraschenden Standards ohne Deep Cut-Anspruch gefüllt wird, was die Show gemessen an bisherigen Konzertreisen von Mogwai eher in die Kategorie Standardprogramm rücken lässt.
Aber zugegeben: Das ist nicht das Problem einer Band, der man problemlos stundenlang zuhören könnte – und die wohl selbst dann noch nicht alle persönlichen Lieblingssongs aufgefahren hätte.

Das Vorprogramm besteht jedenfalls überwiegend aus aktuellem Material. Genauer stammen acht der ab 19.45 Uhr gespielten zehn Nummern vom im Mai erschienenen We Were Made Prey von Band-Kumpeline Kathryn Joseph. Die lässt ihre Blicke immer wieder mit einer Art lasziven Strenge über den noch nicht wirklich dicht gefüllten (aber schon viele sich laut unterhaltende Personen angezogen habenden) Zuschauerraum schweifen und spielt mit ihrem Langzeit-Partner Lomond Campbell auf zwei Synths verteilt diese „disgusting songs about fucking“: Ethereal Synth-Elegien mit einem Faible für den Artpop, die meist gefällig ruhig und angenehm begleitend durchaus bereit sind, mit Rückkopplungen an Schmerzgrenzen zu gehen.
Was aber wirklich weh tut, ist, dass Joseph ihre Stücke live – egal, ob sie sich am hymnischeren Club-Banger versuchen oder die flächig getragene Ballade pflegen – stets viel zu abrupt abwürgt. Zudem ändern die 45 Minuten ihres statischen Sets wenig an der Wahrnehmung, dass die wahrlich mehr Aufmerksamkeit verdienenden Kate Bush’esken Kompositionen allesamt (sehr) gut ins Ohr gehen, dort aber in letzter Konsequenz nichts mit wirklich zwingender, genieblitz-artiger Highlight-Qualität hängen lassen.

Setlist:
Deer
Wolf
Dark
Bel(II)
Before
Children
Roadkill
For You Who Are the Wronged
What Is Keeping You Alive Makes Me Want to Kill Them For

Außerdem ist es schade, dass Lorica Pink als eigentliche ideale Einleitung in den Auftritt von Mogwai links liegen gelassen wurde.
Immerhin stammen Josephs Songs ästhetisch aus demselben Kosmos, in dem auch die synthetischen Ausleger des Mogwai-Sounds stattfinden – also dort, wo God Gets You Back erwacht.
Wie auch bei den anderen Stücke von The Bad Fire (dem rundum okayen, aber nicht essentiellen Hi Chaos; dem mit vier Saiteninstrumenten zu einem regelrechten Oldschool-Crescendo herrlich erhobenen If You Find This World Bad, You Should See Some of the Others; einem nunmehr brachialer und weniger träge angelegten, aber immer noch redundant nach Zahlen malenden Fanzine Made of Flesh; sowie dem nahtlos fließend aus dem Feedback übernommenen, exzessiver gestalteten Muskelspiel Lion Rupus) lässt Stuart Braithwaite seine Gitarre hier nun exaltierter heulen, während die Live-Umsetzungen generell mehr Druck, Kraft und Ausdrucksstärke implementiert bekommen, als die weniger Raum einnehmenden und natürlich nicht die selbe physische Präsenz zeigen könnenden Studioversionen.

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Oder anders gesagt: Die The Bad Fire-Substanz wächst auf der Bühne in die Mangel genommen über die Album-Darstellungen hinaus.
Auch das lange hinausgezögerte, heavy entlohnende und leise ausklingende Christmas Steps (ab dem die plötzlich auf Hochtouren arbeitende Air Condition unter der Bühne leider arg aufdringlich zu werden beginnt), How to be a Werewolf , Ritchie Sacramento, sowie die flächendeckender auftretende Schönheit Hunted by a Freak folgen diesem Aufkratzen zu einer rockigeren, erhabenen Statur.
Nur dem an sich wundervoll ätherisch in sich gehenden, etwas deplatzierten Cody kommt diese Tendenz in die Quere, weil Martin Bulloch die balladeske Schüchternheit der Nummer zu aufdringlich und eilig antreibt. Doch auch deswegen gilt: Ohne ihre Nummern wirklich neu zu erfinden klingen Mogwai weiterhin unverbraucht, grandios wie immer.

Denn wo Kollegen wie Bruit ≤ aktuell vielleicht herausfordernder auftreten oder hypnotische Godspeed-Shows immer noch unerwartete Elemente gebären können, heben Mogwai eine Zuverlässigkeit auf das Podest, die keine Begeisterung braucht, um nahe der Ideallinie zu liefern. Man hat eben einfach nicht den Eindruck, dass die Schotten trotz der absolut routiniert auftretenden Performance von ihren Songs in irgendeiner Weise gelangweilt wären. Und dieser Funke springt nahtlos auf ein dankbares Publikum über.

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Im – wie vom Veranstaltungsort gewohnt – makellosen Sound (der übrigens weit entfernt von der bestialischen Laustärke ist, für die die Schotten dereinst gefürchtet wurden) und unterstützt durch eine gelungene Lichtshow (auf einer trotz Leuchtröhren seltsam nackt wirkenden Bühne), gibt es aber kaum etwas herumzunörgeln. Spätestens ab Hunted by a Freak kann man ohnedies von einem relativ perfekten Konzertabend schwärmen, der seinen triumphalen Höhepunkt im ewigen Monolithen Mogwai Fear Satan (respektive seinem das Niveau energisch haltenden Adjutanten We’re No Here) findet: Wenn Mogwai in den episch in die Weite gehenden archetypischen Postrock-Modus schalten, entfaltet die Band einfach eine unwiderstehliche Größe, die nicht nur extrem unterhaltsam ist (alleine das Entgegenfiebern auf den gewaltigen Ausbruch von Mogwai Fear Satan nach der Einkehr in die eine greifbare Spannung streichelnden Ruhephase ist unbezahlbar, immer wieder!), sondern auch unendlich befriedigend. Man muß solide in diesem Kontext  als unbedingt lobendes Attribut verstehen.

Neben einem obligatorischen, knapp gehaltenen politischen Statements bedankt sich Braithwaite (im Palestine-Shirt) nach gefühlt jeder Nummer hastig, aber aufrichtig und auch das professionelle, zurückgehaltene Spiel von (dem stoisch agierenden Basser) Dominic Aitchison und einem (ständig zwischen Saiten- und Tasten-Instrumenten wechselnden) Barry Burns hat eine nüchterne Sachlichkeit, die hier und da grinsend aufblitzende Freude aller Beteiligten umso barrierefreier erscheinen lässt.
Trotzdem passiert der schönste Moment der Show auf zwischenmenschlicher Ebene ausgerechnet vor der Zugabe ganz klar abseits der Effektivität. Obwohl My Father, My King ohnedies am Plan steht (man jedoch erkennt den Einsatz eines Fans anerkennt, der mit einem Mini-Plakat um das Epos bittet) hat die Band zum Amüsement aller Beteiligten dezente Anlaufschwierigkeiten, bevor Tour Gitarrist Alex Mackay das Rätsel um eingeschaltete Effektpedale löst und er der Mammut-Nummer hinten raus mit herrlich heavy schlenzenden Schraffuren seinen Stempel aufdrückt.
Das danach eigentlich niemand die Halle verlassen will, ist dann auch ein weiterer alles andere als überrschender, aber durch und durch verdienter Abschluß der Show.

Setlist:
God Gets You Back
Hi Chaos
Cody
If You Find This World Bad, You Should See Some of the Others
Christmas Steps
How to Be a Werewolf
Ritchie Sacramento
Fanzine Made of Flesh
Hunted by a Freak
Mogwai Fear Satan
We’re No Here
Lion Rumpus

Encore:
My Father, My King

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