The Horrors – Night Life

Die ewig unterschätzten Eklektiker von The Horrors machen auch auf ihrem ersten Album seit acht Jahren keinen Hehl aus den Bands, die ihnen gerade als Blaupause dienen dürfen. Für Night Life wäre das unter anderem auch… Marilyn Manson?
An den in Ungnade gefallenen Brian Warner muss man zumindest denken, wenn die personell seit 2023 an Keyboard und Schlagzeug neu besetzten Horrors das Tempo anziehen.
In Silent Sister pluckern und zischen die Schaltkreise exemplarisch für die elektronische Patina der Platte, doch die Gitarren sägen später für den Gothrock-Baukasten-Refrain flächig in die Goth-Finsternis des Industrial Rock. Auch das schwerer groovende, giftigere Trial by Fire lehnt sich an Manson an, krankt aber neben der fast banal auf Zugänglichkeiten schielenden Substanz vor allem an der Produktion. Die hat nämlich keinen gefährlichen Sound, klingt viel zu sauber, zeigt keinen Biss und verpasst das anvisierte zwingende Momentum durch eine behäbige Trägheit.
Ein ähnliches Problem haben später auch More Than Life (das so unaufgeregt mit coolem Zug eine tolle Symbiose aus den klaren Konturen der Rhythmussektion und dem verträumten, sphärischen Drumherum darstellt und damit grundlegend eine gelungene Erinnerung daran sein könnte, dass The Horrors dereinst sehr potente Echo & The Bunnymen-Epigonen waren – doch fehlt der Nummer sinnbildlich für das große Ganze ein Höhepunkt, einer zwingend herausragend zündenden Idee) sowie der dem locker gelöste Optimismus des nach vorne blickenden Abschieds L.A. Runaway, der poppig zu Primary Colours joggend nirgendwohin findet.
Was diesen Stücken gemein ist, ist das (im Vergleich zum restlichen Material) auf Griffigkeit angelegte Songwriting, das so auch prägnanter funktioniert, als das primär über seine Ästhetik ausgerichtete Night Life an sich. Allerdings sind die Kompositionen (nicht nur an der bisherigen Horrors-Diskografie gemessen) ernüchternd banal und bemüht auftretend, schlichtweg relativ langweilige Enttäuschungen, die sich schnell erschöpfen.
Umgekehrt proportional verhält es sich mit dem auf keine klare Linie geeinigten Kaleidoskop drumherum.
Der brillante Opener Ariel kreiert mit Synths und Haxan Cloak-Elektronik eine tiefschürfende Atmosphäre, treibt dunkel an der schimmernden Wasseroberfläche des brütenden Darkwave und programmiert die sehnsüchtige Melancholie pulsierend. Dort erinnert sich die eindringliche Ästhetik von The Silence That Remains (eigentlich: Where I End and You Begin mit Vampirzähnen) an den Drive des 90er-Britpop, offen und mit Aufbruchstimmung im dichten Sound, bevor die Trip Hop-affine Ausrichtung von The Feeling Is Gone dem allgegenwärtigen Einfluss der Barnett-Brüder schmeichelt: Die Achse aus These New Puritans und Depeche Mode mäandert, zieht aber in ihren Bann.
Das zu lange Lotus Eater pumpt subkutan (gar nicht so willkürlich in den Kontext gesetzt) als sein eigener Club-Remix halluzinogen (und faszinierend konsequent) in die Solo-Bedürfnisse von Frontmann Faris Badwan, derweil das astrale Durchatmen When the Rhythm Breaks redundant das hinten raus an dem aus den Fugen geratene Sequencing krankt.
Album Nummer 6 wirkt entlang dieser starken Amplituden nach Oben und Unten in seiner Summe wie ein unausgegorener Spagat der Briten zwischen dem Wohl der Gruppe und individuellen Ambitionen: Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass Badwan erst in abgespeckter Minimal-Besetzung auf Tour gehend wollte, nun aber doch eine durch Aushilfen aufgestockte Riege aus Musikern um sich scharen wird. Weswegen Night Life auf ein EP-Format gekürzt wohl stärker überzeugt hätte, als dieses die Erwartungen mit zu vielen Schönheitsfehlern enttäuschende Comeback.
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