The Weeknd – Dawn FM

Der zweite Teil einer mit After Hours begonnenen Trilogie will mehr sein als die Summe seiner Teile: The Weeknd bleibt für Dawn FM soundtechnisch der 80er-Nostalgie treu, setzt den Fokus ansonsten aber neu.
Wo auf After Hours die Schwankungsbreite aus Killer-Hits und Füllern eklatant war, und eben deswegen abseits der generellen Ästhetik und den Smash-Singles wenig nachhaltiges vom 2020er-Studioalbum blieb, legt Abel Makkonen Tesfaye diesmal gewissermaßen umgekehrtproportional auf das große Ganze – den konzeptuellen Album-Kontext.
Zwar gibt es mit der Italo Disco-Annäherung Take My Breath, in der sich Rocky, Saturday Night Fever, Drive und Stranger Things auf der Tanzfläche treffen, immer noch zumindest einen Instant-Ohrwurm als Aushängeschild von Dawn FM. Selbst dieser ist aber ausgewogener in die balancierten Amplituden der Platte eingearbeitet und sticht nur bedingt aus dem (und anderen von Daniel Lopatin, Max Martin, Calvin Harris oder der Swedish House Mafia betreut werdenden) funkelnden Hochglanz, der Platte heraus – was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Sender auch auf einigen redundanten Frequenzen eingestellt ist (gerade für ätherisch schimmernde Intermezzi wie das Titelstück-Intro, A Tale by Quincy, Every Angel Is Terrifying oder Phantom Regret by Jim) gilt, auch wenn wir hier den Erzählstimmen von Jim Carrey, Quincy Jones oder Josh Safdie begegnen), während nur wenig konkreter zwingend hängen bleibt.
Das reduziert um seinen Rhythmus und die Minimal-Percussion gebaute Gasoline etwa mit der gedrosselten und gepitchten Stimme von Tesfaye, die im Refrain an der Hand nimmt und nur die letzten Meter zum überwältigenden Momentum nicht schafft. Best Friends als Achse aus prägnanter Poesie („ Oh, friends no more/ Sex as friends no more/ You don’t wanna have sex as friends no more“) und zurückgenommen akzentuierten Beats oder Less Than Zero, das schön sphärisch und leichter beschwingt optimistisch in einer Aufbruchstimmung badet, nachdem das verträumte Is There Someone Else? als gefühlvolle Kontemplation seinen Appendix Starry Eyes im Äther auflöst und ein Choral die elegische Grandezza weichzeichnet.
Über weite Strecken behütet sich Dawn FM allerdings damit, seine Kompetenz mit einer fast unscheinbaren Nonchalance zu verbreiten. How Do I Make You Love Me? oder Sacrifice sind gefällige Radioformat-Harmlosigkeiten im 08/15-Format und das wunderbar smoothe Out of Time plätschert exemplarisch unverbindlich durch die Wohlfühlen-Egalität dahin. Der mäandernde Ambient-Pop von Here We Go… Again bleibt (trotz eines verschwendete Gastauftritts von Tyler, the Creator) eindruckslos und beliebig, ohne wirklich ein Ausfall zu sein, derweil Don’t Break My Heart die Hi-Hat im entschleunigt plätschernden R&B-Ambiente zappeln lässt und im Mittelteil gar an Baxter Dury denken lässt. I Heard You’re Married hätte an sich sogar eine tolle Hook, nur wird die Nummer von Lil Waynes Autotune-Gestammel ruiniert.
Abgesehen davon macht Dawn FM, dieser eingängige Radiosender mit seinen hedonistisch zwischen Synth Pop und Nu Disco veranlagten Schwerpunkten, aber eben auch nichts wirklich falsch, da selbst verhältnismäßig leere Meter keinen Ballast darstellen. Ohne Euphorie oder Begeisterung zu entfachen mag der Reiz der Platte zwar dennoch schnell verfliegen, doch geht die Rechnung auf – als Ganzes wird man die versammelten 52 Minuten wohl tatsächlich öfter hören als After Hours…auch wenn man zu dessen Highlights öfter zurückkehren wird, als zu Dawn FM.
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