Wrekmeister Harmonies – Flowers in the Spring

von am 11. Mai 2025 in Album

Wrekmeister Harmonies – Flowers in the Spring

Nach fünf Jahren Abwesenheit legt JR Robinson für Flowers in the Spring den Umkehrschub in der Entwicklung von Wrekmeister Harmonies ein. Spätestens mit The Alone Rush (2018) und We Love to Look at the Carnage (2020) hatte sich das Projekt ja – zumindest relativ gesehen – in immer griffiger, zugänglicher und leichter verdauliche Bahnen bewegt.

Dem arbeitet Flowers in the Spring nun mit vier Stücken entgegen, die sich spielzeittechnisch allesamt im zweistelligen Bereich bewegen, auf Gesang verzichten und stattdessen avantgardistisch veranlagt die formfreien und strukturoffenen Grenzbereiche des Drone und Ambient „as a meditative practice with a focus on microtonal shifts and intersectional overtones“ erforschen.
It’s the subtle movements within and without, the fine threads of sound, loud or quiet, interior or exterior that become valuable“, philosophiert Robinson, während der Beipackzettel den Prozess hinter der Platte betrachtet und damit den Sound und das Wesen von Flowers in the Spring erklärt: „Limiting himself to just four mixer channels on each piece, Robinson would precisely layer guitar and electronics, intently listening and manipulating either the intensity or the duration of each loop to yield unexpected interactions, moments of beauty as well as dissonance. Each piece grew from a specific scene and atmosphere that Robinson worked to replicate in sound.

Das eröffnende Titelstück mäandert über einem modularen Space Drone, vermengt Earth-Erinnerungen, Distortion und Elektronik zu einer kontemplativen, stimmigen Odyssee, die nach elf Minuten viel zu abrupt abgedreht wird, und mit ihrem regelrecht lieblosen Finale einen willkürlichen Beigeschmack erhält. Ein Schicksal, das auf der zweiten Plattenseite auch A Shepherd Stares Into the Sun mit seinem überhasteten Cut zum Abschied teilt – nur ist der Abgang hier sogar etwas weniger frustrierend, wo sich die Frequenzen mit einer zuversichtlichen, optimistischen und sogar ein bisschen heroischen Note jenseits der Twin Peaks-Synth-Flächen so wärmend überlagern.
Schon klar, dass die zirkulierende, forschende und nicht zielgerichtete Motivation der Platte keine Höhepunkte oder Klimaxe erzwingen will oder angesichts ihrer atmosphärischen Dichte müsste. Die beiden Ausstiege wirken jedoch so, als hätte Robinson das Interesse an seinen (gut und gerne auch endlos weiterlaufen könnenden) Expeditionen verloren, reißen und den Hörer aus der fesselnden Illusion – und dies verkauft die Stücke deutlich unter ihrem eigenen Wert.

Besser funktioniert Flowers in the Spring deswegen in den abgerundeten Passagen. Fuck the Pigs – ein Titel im knalligen Kontrast zur sonstigen Subversivität hier – arbeitet düster am Kern von Maximum Black Earth, über dem minimalistisch in stiller Melancholie geklampft wird, und wandert in die Kälte jenseits von „NO MORE APOCALYPSE FATHER“ (2024).
Flowers Variationwas born of nature’s microscopic subterranean movements in its primordial gloom and buzzing synth pads“ und verschiebt seine Zeitlupe als schleierhaft entrückt fließendes Mysterium. Wie eine transzendente Trance, die zwischen ihren Lagen viele mutierende Details entdecken lässt.
Das ist offenkundig nicht per se spannend oder restlos originell – und subjektiv gesehen auch nicht die Richtung, die man sich persönlich für die Evolution von Wrekmeister Harmonies nach dem vergangenen Jahrzehnt gewünscht hätte. Doch können J.R. Robinson und Esther Shaw (?) damit im richtigen Moment enorm wirkungsvoll in ihren Bann ziehen: als intrinsischer, von außen nach innen wirkender Soundtrack zur einsamen Wanderung durch eine verlassene Stadt unter einem endlosen Sternenmeer um drei Uhr früh beispielsweise entwickelt Flowers in the Spring seinen ganz eigenen Reiz.

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