Max Richter – Three Worlds: Music from Woolf Works

von am 3. Februar 2017 in Sonstiges, Soundtrack

Max Richter – Three Worlds: Music from Woolf Works

Wäre sonst wäre wohl eine naheliegendere Wahl als der bekennende Virginia Woolf-Anhänger Max Richter gewesen, als es darum ging, dass dessen alter Spezi Wayne McGregor eine Ballett-Produktion rund um deren drei Romane Mrs. Dalloway, Orlando und The Waves inszenierte?

Als wir anfingen, über das Ballett zu sprechen, suchte ich nach allem Möglichen: nach Fotos, Memoiren, Biografien. Ich hatte nie erwartet, auf eine Aufnahme von Virginia zu stoßen – übrigens die einzige, die erhalten ist“ ergründet der Deutsch-Britische Meister der Neoklassik die Wurzeln seiner Arbeit und erläutert das eröffnende Tondokument von Three Worlds: Music from Woolf Works, ein Fundstück in einer 1937 ausgestrahlten BBC-Sendung zum Thema Words Fail Me.
Words, English words, are full of echoes, of memories, of associations, naturally. They have been out and about, on people’s lips, in their houses, in the streets, in the fields, for so many centuries. And that is one of the chief difficulties in writing them today – that they are stored with other meanings, with other memories, and they have contracted so many famous marriages in the past.“ sinniert Woolf also in Words und schafft mit Schlagwörter wie Echoes und Memories durchaus auch eine Verbundenheit zu der Art und Weise, mit der die imaginativ vor dem inneren Auge verschwimmenden Traum-Kompositionen von Max Richter so gerne funktionieren.

Gerade im ersten Part (Mrs. Dalloway erstreckt sich thematisch über die ersten vier Tracks) knüpft Richter mit dem Kammermusik-Fokus auf Streichern und Klavier dabei durchaus an jenen Modus Operandi an, der bereits Werke wie [amazon_link id=“B001EGS4ZW“ target=“_blank“ ]Memoryhouse[/amazon_link] oder die The Leftovers-Soundtrackarbeiten durchzog. Wenn etwa In the Garden sich mit seinen unsterblich schönen Streichern immer dramatischer in eine endlose Wehmut legt, sich das majestätisch-melancholische War Anthem voll leiser Hoffnung ausbreitet oder Meeting Again als tröstend aus den Tasten fließender Klangteppich wärmt, dann sind das geradezu klassische Momente purer Richter-Emotionalität, in die man sich unmittelbar verlieren kann.
Wirklich interessant wird Three Worlds: Music from Woolf Works allerdings ab jenem Augenblick, an dem der mühelos bis in die Populärkultur vorgestoßene Richter sich der Aufarbeitung der drei Schlüsselwerke der Literaturgröße Woolf (1882-1941) noch ambitionierter nähert und seine angestammte Komfortzone in neue Dimensionen treibt.

Das abschließende The Waves beginnt als 22 minütiger, hypnotisierender Choral voll niederschmetternder Traurigkeit mit dem von Gillian Anderson rezitierten Abschiedsbrief von Woolf an ihren Mann und entlässt entlang eines grazilen Wellengangs und Grace Davidsons erhabener Stimme still und leise mit zugeschnürter Kehle sowie Assoziationen an Jessica Curry.
Orlando wiederum – mit elf Tracks zudem der längste Part der musikalisch übersetzen drei Romane – assimiliert elektronische Elemente in die Kompositionen Richters, sucht mithilfe von analogen und Computer-Synthis, Sequencern oder Digital Signal Processing die stete Transformation, variiert seine Streicher rund um La Folia in die Moderne, während Glitches, Störgeräusche und Verschiebungen das Ausgangsmaterial infiltrieren.
In Modular Astronomy oder dem oppulent-entschlackten The Tyranny of Symmetry vibriert die sinistre Spannung deswegen mit futuristischer Schlagseite Richtung, Morphology ist eine Ambient-Klangwelt ala The Haxan Cloak. Dass anderswo Expeditionsleiter wie Oneohtrix Point Never als Referenzen genannt werden, macht nahtlos Sinn, wenn durch den Hintergrund von The Explorers entrückte Effekte wabbern oder Persistance of Images wie ein pulsierender Minimal-Fiebertraum von Jon Hopkins strahlt.

The process of finding the musical languages for the three sections of Woolf Works was two years of theorizing, planning, research and experiment.“ führt Richter seine Hintergrundgedanken in diesem empfehlenswerten Text weiter aus.
Zwar erreichen die Melodien von Three Worlds: Music from Woolf Works dabei niemals restlos die überwältigend-bewegende Macht von Richters stärksten Arbeiten, doch funktioniert sein Ballett-Untermalung als bewusstseinerweiternder Wegpunkt im Schaffen des Komponisten kaum weniger gewichtig, eröffnet ihm auf akribische Art neue Wege und Möglichkeiten und ist damit sogar effektiver als ähnlich mutige Grenzgänge ala From Sleep als ein durchwegs essentielles Highlight in Richters Discografie.

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