2011 – Die 50 Alben des Jahres

von am 5. Februar 2012 in Jahrescharts 2011

Im Rückspiegel hinterlässt 2011 ein ereignisreiches Musikjahr: zahlreiche große Bands haben sich getrennt, nicht wenige ehemals wichtige Gruppierungen entern wieder die Bühnen. Am längsten währen werden jedoch vermutlich die Eindrücke jener Alben, die in den vergangenen zwölf Monaten auf Tonträger gebannt wurden.
heavypop.at präsentiert seine 50 liebsten Albumveröffentlichungen 2011:

Knapp vorbei ist auch daneben | Zu den Plätzen 50 – 41 | Zu den Plätzen 40 – 31 | Zu den Plätzen 30 – 21 | Zu den Plätzen 20 – 11 | Zu den EPs des Jahres |

——————————————————————————————————

  10. Grails

  Deep Politics

 Die beste Post-Rock Platte des Jahres kommt von der Band, die Post-Rock immer schon als Weltmusik (miss-)verstanden hat. Anders lassen sich all die Westerngitarren, die orientalischen Ausbrüche, die modernen Beats und klassischen Genreelemente nicht erklären. ‘Deep Politics‘ ist keineswegs wie das auf dem Cover suggerierte Ankommen, sondern wie ein neuerliches Aufbrechen ins Unbekannte. Die Luft ist stickig, das Land weit, die Sicht vor flirrender Hitze mystisch getrübt. Grails scheinen zu wissen, wo die Reise hingeht, verlieren darüber jedoch kein Wort.

——————————————————————————————————

  09. Opeth

 Heritage

 ’Heritage‘ macht den Spagat. Es ist gleichermaßen ein fort- wie auch rückschrittliches Album für die Schwedenkönige um Mikael Åkerfeldt. Es ist die bewusste Aufgabe etablierter Opeth-Vorzüge und die tiefe Verneigung einer längst vergangenen Zeit. Mit ‘Heritage‘ sind Opeth nicht mehr die Progressive Death Metal Band, denen ohnedies jede Schublade zu klein war. Sie sind auch nicht die reine 70´s Tribut-Band, der es der auf ‘Heritage‘ so meisterlich zelebrierte Classic Rock und Folk angetan hat. Ab 2011 hat für Opeth eine neue Zeitrechnung begonnen – nun sitzen sie nicht mehr nur auf den reservierten Stühlen, sondern auch auf allen, die irgendwie in REichweite kommen. Dass ‘Heritage‘ songtechnisch mit der künstlerischen Bedeutung, die das Album für die Band an sich hat, mithalten kann, grenzt dabei an ein Wunder.
——————————————————————————————————

  08. Fleet Foxes

  Helplessness Blues

 Robin Pecknold hat keine Freundin mehr, dafür aber den Blues. Dazu rinnt der Band hilflos das angesparrte Geld zwischen den Fingern hindurch, weil Aufnahmen wieder und wieder in die Tonne gekloppt werden. Dafür hat man mit Morgan Henderson plötzlich einen ehemaligen Post-Hardcore´ler im Boot und irgendwann schaukeln die Fleet Foxes das Kind doch noch. Auf den ersten Blick überrascht der wieder so fluffige, unbeschwerte Folkrock dann auch eher dadurch, wie die Fleet Foxes unter solchen Vorraussetzungen derart fluffig und unbeschwert klingen können. Auf den zweiten zeigt sich jedoch, dass die Schrauben enger gezogen wurden, die Songs gleichzeitig mehr Luft zum Atmen bekommen haben. Als hätte man altbekanntes Mobilar neu arrangiert. Und unterm Strich wieder den himmelschreiend schönsten Folk der Welt serviert bekommen.
——————————————————————————————————

  07. PJ Harvey

  Let England Shake

 Was ‘Let England Shake‘ auf ewig bleiben wird, sind diese Songs – mitunter die besten, die Polly Jean Harvey in ihrer Kariere geschrieben hat. Vollends aus der Zeit gefallene Wunderwerke die so spartanisch zum Herzen sprechend vielleicht nur in einer aufgelassenen Kirche auf Band gebracht werden konnte. Kongenial eingebunden beim Entstehungsprozess natürlich wie eh und je Polly´s Spezis Mick Harvey, John Parish und Flood. Ob es abzusehen war, das kein Album 2011 derartig den Nerv der Zeit treffen würde wie ‘Let England Shake‘ es tat, und dem Werk dadurch eine geradezu beängstigen prophetische Auro beigegossen wurde, wird eben irgendwann unwichtig , dieser Aspekt der Platte vergessen sein. Aber dann sind da eben immer noch die unfassbaren Songs.
——————————————————————————————————

  06. La Dispute

  Wildlife

 Das Storyteller-Album des Jahres findet nicht in angestammten Gefilden wie etwa im Folk, im Country oder im Singer-Songwritergeklampfe statt. Jordan Dreyer hat mehr zu erzählen, als eine einzelne Platte dafür Rahmen bieten kann –  La Dispute spielen deswegen rund um die abertausenden Worte auf ‘Wildlife‘ ihre wagemutige Mischung aus (Post-)Hardcore und Indierock, verbiegen all die Rhytmen und Riffs um Dreyer, seine Charaktere und Figuren. Dass La Dispute weitaus verkopfter – nein, nicht bemühter – zu Werke gehen als noch auf ‘Somewhere At the Bottom of the River Between Vega and Altair‘ kann dem geneigten Hörer seine Grenzen aufzeigen. ‘Wildlife‘ ist schwerer zu fassen, als viele Progressive-Rock/Metal Monster. Fordert und fordert und fordert. Nichts ist dafür schöner, als der Moment, wenn die Platte dafür entlohnt.
——————————————————————————————————

  05. The Devil´s Blood

 The Thousandfold Epicentre

Okkulter Retro-Rock, der Qualitativ einem der Hypes des Jahres entsprechen kann. Mastermind Selim Lemouchi bastelt um die Stimme seiner Schwester und die des Antichristen Hardrock-Monster mit obligatorischem, aber nicht tot zu hörenden, in den 70ern verwurzeltem Doom-Einschlag. Der famose Fiebertanz am Ende dieses Monolithen überschattet den Rest der durchaus hochwertigen klassisch doomenden Musikerriege aus diesem Jahr, dass es nicht mehr feierlich ist.

——————————————————————————————————

  04. Bon Iver

  Bon Iver

Justin Vernon ist mittlerweile überall zuhause: Im Studio von Kanye West, bei den Grammyverleihungen und im Fitnessstudio. Dabei will der kauzige Kosmopolit doch eigentlich nur in Wisconsin sitzen und hin und wieder ein Bier trinken gehen. ‘Bon Iver‘ ist unter diesen Vorraussetzungen eine Platte geworden, die gerne introvertiert klingen würde, im Endeffekt aber bis zum Softrock reist. Die sich so viele mutwillige Stilverbrechen leistet und damit nicht nur durchkommt, sondern triumphiert. Mehr noch als die Reaktion auf das Meisterwerk ‘For Emma, Forever Ago‘  ist es die nötige Aktion auf die allseits gestiegene Aufmerksamkeit.  Natürlich: ‘Bon Iver‘ spricht zu den Massen – wendet sich insgeheim aber immer nur an einen selber, kommuniziert von Herz zu Herz.

——————————————————————————————————

  03. Grouper

 A I A

Während einem bei anderen Singer/Songwriterinnen vor lauter Zurückgelehntheit und Folkismus schon mal die Füße einschlafen können, begeistert Liz Harris mühelos mit ein und dem selben Geräusch über zwei Alben hinweg. Aus fragilem Gitarrendröhnen und Keyboardgeläute und hintergründig gehauchten Vocals entstehen die interessantesten Songkonstrukte des Jahres. Wo weniger begabte Ambient-Künstler Kopfkino mit in die Länge gezogener Instrumentalität und gähnendem Nichts zu erzwingen versuchen, ensteht dies bei Grouper durch Stimme und Klang so fragil wie Spinnennetze quasi im Vorbeiflüstern. Musik die klingt, als wäre sie bereits tausend Jahre alt.
——————————————————————————————————

 02. James Blake

 James Blake

 Das Dubstep Wunderkind von 2010 hat sich für sein Debutalbum neu erfunden und nebenbei für den (berechtigtesten) Massenhype des Jahres gesorgt. Dabei ist die Musik des jungen, nimmermüden Engländers alles andere als dermaßen zugänglich, wie allerorts suggeriert wird: Deprimierende Klaviergemälde werden sukzessive zerhackt, Blake`s eigentlich tolle Gesangsstimme überlebt selten unbeschadet die Attacken all der Sequenzer, der gedrehten Knöpfchen und der pluckernden Adapter. Und manchmal sprengen die Bässe jede Coverversion und Lautsprecherbox. Wunderschön- niederschlagende Laptopkonstrukte der Generation Web 2.0.,  Soulmusik aus der Steckdose für ein neues Jahrhundert.

——————————————————————————————————

 01. Touché Amoré

 Parting the Sea Between Brightness and Me

 ’Parting the Sea Between Brightness and Me‘ ist keine futuristische Platte wie ‘James Blake‘, bringt sein Erscheinungsjahr nicht derart auf den Punkt wie ‘Let England Shake‘, hat nicht so viele vertrackte Geschichten auf Lager wie ‘Wildlife‘ und ist kein so schwieriger Nachfolger zu erfolgreichen Megasellern wie es ‘Helplessness Blues‘ oder ‘Bon Iver‘ sind.
Parting the Sea Between Brightness and Me‘ ist eine geradezu einfache Platte geworden; 13 Songs in 20 Minuten und 48 Sekunden, aufgenommen an fünf Tagen. Das zweite Touché Amoré Album ist ein direkter Frontalangriff, ein kompromissloser Tribut an Rites of Spring und der generellen Emotion im Hardcore an sich. Mit Texten, so simpel und poetisch, dass man sie sich am liebsten ins eigene Fleisch schneiden möchte. Weckruf und sportliche Frischzellenkur für ein ganzes Genre gleichermaßen. Aggresiv und herzlich. Ungeachtet der angestauten Wut im Bauch will kein Song hier verletzen, sondern nur aufrichtig in die Arme schließen. Man kann Touché Amoré bescheinigen, dass sie ein zeitloses Hardcoremeisterwerk aufgenommen haben. Warum die fünf jungen Burschen aus Los Angeles schlußendlich aber auf dem obersten Treppchenplatz gelandet sind – kein Album war 2011 ehrlicher als das so unbeschreiblich fantastische  ‘Parting the Sea Between Brightness ans Me‘.
——————————————————————————————————

Knapp vorbei ist auch daneben | Zu den Plätzen 50 – 41 | Zu den Plätzen 40 – 31 | Zu den Plätzen 30 – 21 | Zu den Plätzen 20 – 11 | Zu den EPs des Jahres

Print article

3 Trackbacks

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen