Animal Collective – Transverse Temporal Gyrus
‚Transverse Temporal Gyrus‚ lgt verschiebt den Fokus von der elektronischen Popavantgarde-Band hin zum Kunstprojekt Animal Collective. Eine tonale Dokumentation für Komplettisten und Hardcore Fans.
„The music on this record was originally created for an installation by Animal Collective and visual artist Danny Perez at the Guggenheim Museum in New York City on March 4, 2010. A computer program designed by Stephan Moore played and panned the music in a 36 channel surround sound system spanning the length of the spiral ramp in the museum’s lobby“ prangert weitsichtig in Form eines Stickers auf der Platte. Was wohl auch als Warnhinweis für all jene verstanden werden kann, die an dem Hipster Kollektiv aus Baltimore in erster Linie die eingängigen Popstrukguren neben der aufgefahrenen Psychedelik lieben, die Beach Boys geschulten Harmoniearrangements hinter den verspulten Technikspielereien. Denn all dies findet auf ‚Transverse Temporal Gyrus‚ nur am Rande statt.
Stattdessen toben sich Animal Collective wieder einmal verstärkt in avantgardistischen Gefilden aus, dehnen die beiden Kompositionen auf eine Gesamtlänge von knapp 27 Minuten aus. Geloopte, durch die Effektgeräte gejagte Gitarrenmuster wandern auf mäandernde Synthiefelder, die gedrückten Knöpfe fiepen und pulsieren, Gesang blitzt nur vereinzelt auf. Animal Collective inszenieren sich als Meister der flirrenden, elektronischen Experimentalpsychedelik, umkreisen verfolgbare Strukturen ohne Landeabsicht und zirkeln ‚Transverse Temporal Gyrus‚ über zahlreiche Stationen an jeglicher Eingängigkeit vorbei, entziehen die Aufnahmen geschickt jeder Griffigkeit zu Gunsten des halluzinierenden Trips. Dass ursprünglich jedes der vier Bandmitglieder separat an den jeweiligen Kontributionen gewerkelt hat, ehe die Soundcollagen in zwei Sessions zu einem großen Ganzen zusammengefügt wurden und diese nun auf ‚Transverse Temporal Gyrus‚ noch einmal zusammengestückelt und mit Live-Material weiterverarbeitet wurden, hört man angesichts des komplexen Klangkosmos der Band ohne Vorwissen nicht heraus.
Wie gut die beiden „Kompositionen“ mit der dazugehörigen Installation/Performance der erwähnten Ausstellung harmoniert haben müssen, lässt sich für nicht Anwesende im Nachhinein natürlich nur noch mutmaßen.
Auf Platte funktioniert ‚Transverse Temporal Gyrus‚ für sich allein genommen jedoch nur in eingeschränktem Maße und ist wie jeder Output der Band stark stimmungsabhängig: In seinen gelungensten, zwingendsten Momenten entwickelt der Quasi-Soundtrack die hypnotische Anziehungskraft, welche Animal Collective Werke eben auszustrahlen fähig sind. Genauso oft lässt sich ‚Transverse Temporal Gyrus‚ aber auch allzu gerne und gefällig in die driftende Antriebslosigkeit der dröhnenden Raumbeschallung abfallen. Was man der Platte im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte allerdings nicht zum Nachteil auslegen dürfte und sollte. Zumal sich Animal Collective bewusst zu sein scheinen, dass die aus ihrem Kontext gerissene Musik von ‚Transverse Temporal Gyrus‚ vorwiegend als Naschwerk für das sammelverrückte Fanvolk und nimmermüde Komplettisten funktioniert. Knapp zwei Jahre nach seiner Uraufführung wurde ‚Transverse Temporal Gyrus‚ ausschließlich zur Feier des diesjährigen Record Store Day auf Tonträger gepresst. Aber mit einer Auflage von gerade einmal 5000 Stück sollten die Händler auch ohne den grundsätzlich auf dem Fuß folgenden Hype um eine neue Platte des Kollektives schnell mit leeren Händen dastehen.
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