Boygenius – The Rest

von am 15. Oktober 2023 in EP

Boygenius – The Rest

Die drei Boygenius-Girls schicken ihrem feinen Debütalbum The Record mit The Rest eine herrlich unspektakuläre EP für die leisen Stunden nach dem großen Erfolg des Indie-Folk-Langspielers hinterher.

Nicht komplett konträr zum Titel des Kurzformates, diesen auf der offenkundigen Bedeutungsebene jedoch ein klein wenig erweiternd, fühlt sich The Rest weniger wie ein Konglomerat von übrig gebliebener Ausschussware an, als vielmehr wie in Demo-Charakter behaltene Nummern, die in ihrer betont ruhigen, schüchternen und unbedingt subtilen Ausstrahlung nicht wirklich zur Ästhetik von The Record gepasst hätten.

Dafür spricht auch der (trotz zahlreicher Produzentenhände sehr) homogene, durch und durch angenehm unaufdringliche Fluß der 15 Minuten, die vom sanft erwachsenen Julien Baker-Stück Black Hole eröffnet werden, von Mixmaster Mike Mogis vorsichtig von elektronischen Elementen unterspült und in die Hände von Lucy Dacus übergeben. Diese streichelt auch das zurückhaltend schrammelnde Afraid of Heights, dessen Texturen wie behutsamer Country schreiten, irgendwann in der gespenstisch funkelnden Atmosphäre vorsichtig stampfend Anlauf ins Nirgendwo nehmen und die Anti-Mutprobe von plakativen Zeilen wie „I don’t wanna live forever/ But I don’t wanna die tonight“ mit offener Selbstreflektion im Beziehungskonflikt erlösen: „I never rode a motorcycle/ I’ve never smoked a cigarette/ I wanna live a vibrant life/ But I wanna die a boring death/ I know I was a disappointment/ Know you wanted me to take a risk/ Not everybody gets the chance to live/ A life that isn’t dangerous.

Noch bezaubernder gerät die bittersüß vor verträumten Gesangsharmknien gezupfte Miniatur Voyager, einem kleinen Phoebe Bridgers-Juwel, das auch die meisterlich Balance der Gesangsstimmen, deren Zurücknahme und Zusammenspiel und das Individuelle in der Gemeinschaft forcierend, adelt: jedes Facette hier weiß, wann es gut ist, sich zurückzunehmen, wann Synergie gefragt ist, und welche Intensität wie konkret unter die Haut gehen soll.
Das an sich flotte, klar konturiert gespielte Geklampfe von Powers ist danach in einer gedämpften Aufbruchstimmung eher als Epilog zu verstehen, von den ambienten, sphärischen Synth-Arrangements friedlich konterkariert und bis zu elegisch berieselnden Bläser führend.
Dass die vier Songs sich danach als vergänglich erweisen, die Hooks und Melodien relativ flüchtig bleibend schnell an die Grenze zum Vergessen plätschern, trägt paradoxerweise aber im Verbund mit der ebenso sorgsamen wie minimalistischen Inszenierung sogar zum unaufdringlichen Understatement dieser charmanten Fingerübung.

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