Dave Lombardo – Rites of Percussion
Sollte es noch irgendwelche Irritationen dahingehend gegeben haben, dass Dave Lombardo nicht nur die irre versierte Thrash-Ikone mit Legendenstatus ist, sondern ein grundlegender Schlagzeug-Gott mit darüber hinausgehenden Perspektiven – sein erstes Soloalbum Rites of Percussion dürfte mit ihnen verdientermaßen endgültig aufräumen.
Dank dafür gebührt einem alten Kumpel, wie Lombardo erklärt: „Mike Patton originally gave me the idea as far back as 1998. He introduced me to Tito Puente’s Top Percussion album. (…j I have had ideas that I’ve recorded on cassette over the years, but Patton kept insisting that I had to do a ‘drum album.’ So, the idea behind the album is years in the making. I just had to find the right time—for me—to do it.“
Und Zeit zum Erschaffen und Aufnehmen neuer Musik war Lockdown-Bedingt plötzlich da: „When the pandemic hit, I thought, ‘Well, I can’t tour now. I immediately started working on the record. (…) On the one hand, the touring part of my livelihood had been taken away, but on the other, I finally had the time to educate myself on different software and recording techniques. It was a very educational and gratifying experience.“
Bis auf einige im Studio 606 eingespielte Overdubs weitestgehend im neuen eigenen Heim-Studio aufgenommen, ist so ein Soundtrack für das Kopfkino entstanden: „The songs on this album invoke imagery” erklärt Lombardo ganz richtig. “I write from wherever my mind travels. I write how I think. I want the songs to conjure emotion. There are no lyrics, but there are many levels of intensity. In a way, I think I’ve found a hidden talent. That is, taking mental images and putting those images to music.“ Und weiter: „It’s a combination of improvisational and composed music. My ideas start freeform and as I develop them, they seemingly take on a life of their own. During the writing process for Rites of Percussion, everything developed slowly with layered instrumentation until I had a song that, in essence, spoke to me.“
Tatsächlich sind die eingefangenen 35 Minuten oder 13 Tracks eine äußerst cinematographische Angelegenheit geworden, die mit Metal – also der mit Lombardo in erster Linie assoziierten Spielweise – nur bedingt zu tun haben, sondern wahrhaftig wie ein auf Rhythmen aufgebauter Score funktionieren, der mit abstrakten Texturen auf Tribal-Motiven und einer fast jazzigen Avantgarde-Attitüde fußt.
Gleich Initiatory Madness klingt etwa wie das Predator Theme, das in eine ritualistische Intuition übersetzt wurde – nervös und dringlich, phasenweise gar rasend polternd, aber doch so geduldig lauernd und die Spannungen subversiv anziehen. Dafür nutzt Lombardo auch den vorhandenen Klangraum, in dem seine physische Präsenz allgegenwärtig ist, voluminös und mächtig, ohne zu erdrücken, einen atmenden Drive voller verspielter Details bekommt, in dem der Ambient die Stimmung keineswegs nur oberflächlich dekoriert, sondern Tiefe schaffend subversiv untergraben dem Hintergrund Substanz gibt, und instinktiv an der Hand nimmt – ja, einfach auch alleine deswegen verdammten Spaß macht, weil Lombardo halt doch ziemlich gut trommeln kann.
So wenig Rites of Percussion dabei grundlegend auf konventionelles Songwriting setzt, so sehr balanciert Lombardo die Episoden dann (über einer höchstens minimalen Gleichförmigkeit) relativ variabel bleibend aus, erzeugt Dynamik und Kontraste, manchmal nur durch kleine, angedeutete Gesten. In Inner Sanctum lassen sich etwa kurzzeitig heulende Drone-Gitarren erkennen, Journey of the Host legt verdammt viel Groove im jazzigen Delirium an den Tag. Maunder in Liminality atmet für den übergeordneten Spannungsbogen als kultischer Sci-Fi-Suspence durch und das Schlagzeug tritt sogar zurück in die Position der unterstützenden Funktion – wirklich überraschende Momente bleiben allerdings auch hier kohärent im gängigen MO eingesetzt letztlich aus. Fesselnd, oder eher konstant neugierig bleibend und anziehend, ist das natürlich trotzdem weiterhin.
Despojo klimpert verhalten, während ein Unwetter aus dem Weltraum dräut und Interfearium agiert wie eine vage Erinnerung an Godspeed in 28 Days Later, deren heimliches Horror-Kammerspiel düstere Visionen von Suspiria hat, derweil das ideal betitelte Warpath sein retrofuturistisches Akira-Feeling animalisch auslebt, Guerrero Post Industrial-Tendenzen als Alptraum im verrauchten Keller rotieren lässt und Animismo zur orchestralen Mystik tendiert.
Ohne wirklich herausragende Einzel-Szenen herauszukristallisieren, gehen all diese Segmente so ziemlich schlüssig in der übergeordneten Vision einer kurzweiligen Platte auf, die ihren Teil dazu beiträgt, der Bandbreite des Lombardos eine neue Facette hinzuzufügen und die hauseigene Theorie vom neu entdeckten Talent vielversprechend unterstreichen.
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