Demoniac – So It Goes

von am 1. Februar 2021 in Album

Demoniac – So It Goes

Während sich Bands wie Plague Years oder Cryptic Shift im Windschatten von Power Trip positionieren, zeigen Demoniac (Achtung: Nicht die 90er-Metaller aus Neuseeland, sondern die Chilenen!) mit ihrem Zweitwerk: So it Goes, der Blick nach vorne im Thrash.

Selbst wenn sich das Quintett aus Limache wie in The Trap (das nach seinem am Horror-Klavier klimpernden Suspence-Einstieg auf der atemlosen Überholspur in einen kaum zu bremsenden Pit brettert, mit rasendem Classic-Anspruch heult und als Wirbelwind in seinen ersten zwei Minuten Spielzeit wie eine Machtdemonstration wirkt) oder vor allem Equilibrio Fatal (einem Husarenritt, der seine offenbar niemals versiegenden Ideen und Motive zu einem ruhelosen, organischen Mahlstrom in exemplarisch energischer Performance verschweißt und den Baukasten im Sturm nimmt) damit begnügt, vordergründig typische Genre-Ware zu zelebrieren, tut die Band dies mit einer schwindelerregend fundierten Expertise: Die Riffs sitzen stets infektiös, die Soli flanieren mit faktisch unangestrengt zwingendem Eifer vogelfrei abhebend, der Groove (um ein zweckeffektives Schlagzeug und bisweilen absolut virtuose Bass-Linien) arbeitet ohne fetten Schnickschnack galoppierend, die Vocals kläffen heiser aus der modrigen Höhle.
Keine Frage: Demoniac haben die Frühphasen von Sepultura und Kreator, Metallica, Coroner und Annihilator studiert und mit viel Talent in ein starkes Kompositions-Händchen adaptiert.

Aber dann sind da im Verlauf (als eigentlicher Hingucker jenseits der Quintessenz) solch wagemutige Stunts und puristengiftige Experimente im Gefüge, die So It Goes locker über den Status einer sehr guten, hochkompetenten Platte heben. Momente, die vielleicht noch Kinderkrankheiten transportieren, aber das Album so herausragend und originär aufzeigend mehr noch gar zu einer der spannendsten Veröffentlichungen der jüngeren Szene-Vergangenheit machen und die retroprogressiven Muskeln eindrucksvoll anspannend.
Das beginnt gleich beim eröffnenden RSV – Fool Coincidence – Testigo, das die theoretische Komfortzone zu einer dreiteiliger Suite aus Pflichtprogramm, jubilierend abdrehender Kür und Tempo-Intensivkur macht, die Unberechenbarkeit der Band mittels eines formidablen, so organisch flexiblen Songwritings adelt und sich jedes Korsett vom Körper reißt: Vogelfrei bedeutet keine Planlosigkeit, weitschweifende Architekturen keine verkopfte Umständlichkeit. Das ist ein impulsiver Masterplan über fünf Ecken und Wendungen gezirkelt, wie aus einem Guß.

Spätestens mit Extraviado besteht kein Zweifel mehr daran, es hier mit einem unkonventionellen freien Thrash-Radikalen zu tun zu haben: Atmosphärischer, zurückgenommen und nachdenklich konzentrieren Demoniac den Fokus auf eine Klarinette als zentrales Element des Sounds, schippern in ungestüm gezähmter Elegie mit sporadisch aufbrechenden Metal-Hintergrund als unorthodoxer Mindfuck südamerikanischer Prägung. Zwar finden die beiden Parts vielleicht etwas unausgegoren in die Balance, doch greifen die Dynamiken auch mit dem Wissen immer besser ineinander, es hier noch nicht mit Formvollendung zu tun haben zu müssen, sondern eine Sound-Option mit originärer Handschrift erfolgreich in den Trash zu integrieren. Dies lässt das Kopfkino gerade in den weniger zur Heaviness zurückkehren wollenden Passagen tiefenwirksam schweifen.
Was wohl noch besser funktioniert hätte, wenn das deplatzierte (früher positioniert besser zünden könnende) Equilibrio Fatal jenseits der Routine nicht erst eingeschoben noch einmal die Kernzone beackern würde, sondern gleich der abschließende Titelsong übernehmen hätte dürfen.

Dort spannen Demoniac über 20 Minuten das volle Programm: Im Rahmen einer akustischen, vorsichtig vom Holzblasinstrument verzierte Einkehr drückt der Monolith zu einem heroisch gestikulierenden Rausch – mal ruft der Bass in der Auslage kurz zur Einkehr und rührt den Wahnsinn im melancholischen Midtempo neu an, sammelt dabei aber die Kraft für die nächste Hatz und variiert die Geschwindigkeiten, kippt dann in einen vertrackten, von der Klarinette verführten Fieber-Traum, der mit immer neuen Wendungen auftrumpft. Eine progressive Achterbagnfahrt zwischen Vektor und Vhöl, deren eigentliches Spektakel die Tatsache, dass dieser Brocken ohne jeden leeren Meter auskommt und von vorne bis hinten räudigen Spaß macht.
Mag der Feinschliff also noch in den Details fehlen, positionieren sich Demoniac mit So It Goes als eine der größten Hoffnungsträger eines an sich lange stagnierenden, oft nur in Belangen wie Virtuosität oder Agressivität variierenden Genres: Diese 43 Minuten sind eine unerwartete, unbedingt beeindruckende und auch immer wieder euphorisierende Frischzellenkur.

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