dEUS – How to Replace It

von am 14. Februar 2023 in Album

dEUS – How to Replace It

dEUS starten elf Jahre nach dem Schnellschuß  Following Sea ihr gefühlt zweites Comeback und demonstrieren mit den kurzweiligen 56 Minuten von How To Replace it, dass manche Dinge dann doch unersetzlich bleiben.

Während es grundlegend schon überraschend ist, wie sehr man die belgische Institution seit 2012 – oder spätestens 2014 – doch eigentlich vermisst hat, ohne dies zwangsläufig auch wirklich schmerzhaft zu merken, fallen nun auch andere Dinge auf bzw. zurück ins Gedächtnis. Obwohl die Pause zwischen The Ideal Crash (1999) und Pocket Revolution (2005) „nur“ sechs Jahre dauerte, zog sie sich nach den drei, innerhalb einer halben Dekade veröffentlichten, vorangegangenen Meisterwerken doch gefühlt ewig – zumal sie einem Schockmoment gleich die unfehlbare erste Phase von dEUS einfach demonstrativ beendete: Die Magie von zuvor war mit einem Schlag weg und Tom Barman mit seinen Erfüllungsgehilfen nur noch ein auf sehr hohem Niveau operierendes Gefüge.
Die zweite Pause der Bandgeschichte dauerte nach der Stafette aus Vantage Point (2008), Keep You Close (2011) und Following Sea (2012) zwar satte elf Jahre, verging aber subjektiv deutlich schneller – angesicht angepasster Erwartungshaltungen und zahlreicher Nebenprojekte – und vermittelt angesichts des aufgefahrenen stilistischen Potpourris How to Replace it mit seinem unmittelbar vertrauten Charakter überdies sogar der Eindruck, als wäre die Band nie weggewesen – so nahtlos knüpfen die 12 neuen Stücke an die damalige Phase an. Das schärft aber eben auch die Gewissheit: das Genie von vor der Jahrtausendwende ist fort und lässt sich auch durch eine demonstrative Bandbreite nicht aufwiegen.

Insofern ist How to Replace it wohl dennoch nahe der möglichen Ideallinie unterwegs. Als Rückkehr ohne Ausfälle gibt es schließlich zwar schon ein paar Schwächephasen, gerade hinten raus – Man of the House (eine dieser roboterrhythmischen Nummern, die Barman seit längerem liebt, aber sonst wohl kaum jemand im dEUS-Schaffen favorisiert; hier funktioniert das zu den 00er-Jahren von Soulwax schielende, absolut gelungene Stück nicht nur im Kontext sehr stimmig…im Gegensatz zu), (dem unterkühlt distanziert mit Zeilen wie „iPad-recordings of your feet/ Simple pleasures“ tanzenden Filler) Simple Pleasures, (dem seinen grandiosen Refrain mit nervigen Cowbells in der Strophe verschandelnden) Why Think It Over (Cadillac) und (dem französischen Abgang) Le Blues Polaire (der durch und durch okay als Closer einfach nur frustrierend unterwältigend ist).
Diese weniger überzeigenden Segmente können aber einerseits durch die vielen hohen Standards getragen werden: Das ebenso tanzbare wie unverbindliche Faux Bamboo wächst vor flimmernden Streichern und Synthies durch seinen hellen Refrain von der Routinearbeit zum Komfortzonen-Ohrwurm erster Güte, derweil Dream is a Giver angenehm mit Klavier, weicher Stimmung und warmer Ästhetik einen beinahe rappenden Barman zeigt, der einem so versöhnlich verträumten Song voller stiller Sehnsucht vorsteht, wo alles nur auch zu einfach eine harte, angriffslustige Schale bekommen hätte können. Pirates ist smoother Poprock mit zumindest vage angedeuteten Suds & Soda-Schattierungen, ohne seine Math-Gitarren auch nur ansatzweise zum noisigen Momentum zu zwingen. Dennoch entlohnt das nette, sinfonisch arrangierte Stück in seiner vorsichtigen Zurückhaltung mit einem scheppernden Klimax. Ähnlich agiert auch Never Get You High, das sein geschmeidig einnehmendes Wesen weder mit Rufen aus der zweiten Hintergrund noch dezent quietschenden Gitarren provoziert.

Und andererseits sind da mehr noch einige Schmankerl, die sich einen Instant-Platz auf der nächsten Werkschau der Band sichern und Studioalbum Nummer Sieben der Antwerpener immer wieder strahlen lassen.
Die Titelnummer ist mit bauchig polternder Tom-Percussion, tief rollende Pauken und Trompeten, einem anziehend erzählenden, flüsternden und beschwörenden Barman vor anschwellenden Synthies und Backing Vocals beispielsweise gleich nichts weniger als ein grandioser, weil regelrecht heroisch erhebender Opener, der später wuchtig rockend erblüht. Das catchy Must Have Been New konterkariert dies praktisch als Pop mit dick auftragenden Soul-Ladies im Hintergrund und das offenbar polarisierende 1989 wandert noch wunderbarer durch die Destroyer-Lounge von Leonard Cohens Yacht als B.E.D – einen stärkeren Hit haben dEUS im vermeintlichen Wohlgefühl der Nostalgie seit Ewigkeiten nicht geschrieben. Ob das sentimentale Love Breaks Down als wunderschön schwelgende, romantisch-traurige Ballade nicht sogar noch famoser ist, spielt da eigentlich keine Rolle, weil wenig auf How to Replace it im konfrontativ aufreibenden Wettkampf miteinander steht, sondern alle Wechsel in der Ausrichtung mit einer gewissen Gefälligkeit passieren: soviel Klasse muss man nicht erzwingen.
So gilt im Umkehrschluss als Conclusio jedoch womöglich am schwerwiegensten, dass sich vor allem die aktive Gegenwart von dEUS selbst durch nichts ersetzen lässt. Kein Wunder also, dass niemand im zurückliegenden Jahrzehnt anmaßend genug war, diese Rolle ernsthaft zu übernehmen zu versuchen.

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