Editors – The Weight of Your Love

von am 29. Juni 2013 in Album

Editors – The Weight of Your Love

‚A Ton of Love‘ ist ihr ‚Sex on Fire‚: Der Vorbote ist wahlweise die plumpste Stadionrock-Hymne, die die Editors je geschrieben haben – oder die zündendste U2-Single seit über einem Jahrzehnt. Kein Ausreißer wie sich nun zeigt, denn auf ‚The Weight of Your Love‚ biedern sich die Engländer als amerikanische Rockband an den Massenmarkt an.

Womit nach ‚In This Light and on This Evening‚, diesem Depeche Mode-Album für Terminatoren, und vor allem auch dem Rausschmiss von Gitarrist Chris Urbanowicz wohl die wenigsten gerechnet hätten. Insofern erwischt die durch Neo-Lead-Gitarrist Justin Lockey (von den ewig unterschätzten Yourcodenameis:milo) und Keyboarder Elliott Williams (von den Urbanowicz-Buddies Airship) runderneuerte Band aus Birmingham einen bereits zum zweiten Mal auf dem falschen Fuß. Wo der vorangegangene Synthiebrocken allerdings in seinem drastischen Umbruchdenken zuallererst heftig vor den Kopf stieß, flirtet ‚The Weight of Your Love‚ mit dem anderen Extrem und serviert die Editors in ihrer mit Abstand hörerfreundlichsten Version auf dem Silbertablett. Als hätten die Briten nach ‚An End Has a Start‚ nicht nur die Abzweigung über den Atlantik gewählt, sondern damit auch in seichtere Gewässer gefunden.

Zugängliche Eingängigkeit mit der sanften Brechstange gehört auf der vierten Editors-Platte zum guten Ton. An die Stelle apokalyptischer Synthies sind beinahe nahtlos ohne Augenzwinkern werkende, dauerromantische Streicher und gestreute Backgroundchöre getreten, Editors suhlen sich ergiebiger denn je im eigenen Pathos. Im eröffnenden ‚The Weight‚ findet vor dem sich langsam weitenden Szenario trotzdem doch noch eine stampfende Umarmung von düsterer Elektronik und Akustikgitarre statt, so dass Martin L. Gore nur das neidvolle Nicken bleibt. Danach arbeiten den Rhythmen auf ‚The Weight of Your Love‚ gerne weiterhin stoisch und basslastig, ‚Sugar‚ findet die Symbiose aus bratzendem Indie-Industrial und einer mystischen Orientalik. ‚A Ton of Love‚ hat dann eben „politische Motivation“ („I don’t trust the government/I don’t trust myself“ – aha!) und“Desire„, den zukünftigen Schlachtruf für all jene, die die natürlich allgegenwärtig gebliebene Grundmelancholie der Editors in Stadien und Indiediscos gleichermaßen teilen wollen. Das gibt sich alles deutlich weniger kraftvoll als alles, was die Editors bisher zelebriert haben, geht aber zumindest konsequent im Melodiereigen der Band auf. Danach reizen die Engländer ihren diesmal niemals vollends stilsicher vollführten Drahtseilakt an der Grenze des guten Geschmacks allerdings genüsslich aus, einmal gar weit über Gebühr.

Tom Smith sülzt plumbsten Herzschmerz („I’ve been your lover for the last time/ All the pretending/ God knows that we tried„) im fistelnden Falsett, das Piano schmachtet, die Streicher schwelgen in traniger Theatralik. Moderner R&B, irgendwie – und die Massenballade, die die Band eigentlich mit ‚No Sound But the Wind‚ schon abgeliefert hat. ‚What is this Thing Called Love‚ lässt die Editors geradezu absurd tief in den Schmalztiegel des Pathos greifen. Zuviel des Guten, dennoch beachtlich, wie selbstsicher das Quintett im Klosett des Fremdschämens werkt.
Das launige ‚Honesty‚ kommt aus diesem befremdlichen Sumpf zwar wieder annähernd hervor, buhlt in allem zweckdienlichen Minimal-Bombast und kurz aufkeimender Fanfare trotzdem mehr als alles andere um die Aufmerksamkeit von Coldplay und tausenden hochgehaltenen Feuerzeugen. Dass der Walzer ‚Nothing‚ dann trotz der vornehmlichen Reduktion auf Smith’s Stimme und elegische Streicher als potentielle Disney-Romanze im Mondlicht ebenso eine mindestens ebenso große Bühne verlangt, sollte hingegen klar sein. Warum das ungeachtet des beinahe schleimigen Auftretens dennoch alles gar nicht mal so übel funktioniert, in den besten Momenten sogar ansatzweise ergreifend wird, darf man hingegen eventuell der anhaltenden musikalischen Integrität der Band zuschreiben – und Smith’s Stimme.

Danach spielen die EditorsThe Weight of Your Love‚ als routinierte Gitarrenrockband unspektakulär und zielsicher nach Hause auf amerikanischen Boden. ‚Formaldehyde‚ könnte so auch von demütigen, frühen The Killers stammen, ‚Hyena‚ erinnert daran, warum die Briten zu ‚The Back Room‚-Zeiten so gerne mit Interpol verglichen wurden. Das in Richtung Bono und Co. frisierte ‚Two Hearted Spider‚ drosselt dann das Tempo als gediegene walzende Ballade (um den Vergleich zu den Kings of Leon überzustrapazieren: ihr ‚Use Somebody‚ und. ‚Birds of Prey‚ denkt schlußendlich ‚Wonderful Life‚ von Smith’s-Weihnachtsalbum ‚Funny Loocking Angels‚ als stampfende Pianorocknummer wenig erfüllend weiter, und entlässt aus dem am wenigsten gewichtigen Album der Band, dass zwischen käsiger Langeweile und beiläufiger Eingängigkeit das Hitverständnis der Band oberflächlich optimal bedient. Kaum ein Song auf ‚The Weight of Your Love‚ eignet sich nicht als Single, kaum einer nervt nicht schneller als nahezu alle bisher geschriebenen Nummern der Engländer. Dennoch: auch im Mainstream-Konsens machen die Editors nicht alles falsch und immer noch mehr richtig, als viele Kollegen.

Am besten ist letztendlich trotzdem der zurückgenommene, entschleunigte Shuffle von ‚The Phone Book‚ – hat sich der altbewährte Satz über Smith als den Mann mit der Stimme, die auch Telefonbüchern Seele einhauchen könnte jemals mehr aufgedrängt? Hier kreiert die Band jedenfalls das einzige Mal anhand kleiner Kniffe eine große Wirkung, anstelle von weltumarmender Gesten nur dem Schein zu frönen. Es ist der größte Lichtblick auf dem schwächsten Album der Engländer, um die man sich hiernach eigentlich Sorgen machen könnte. Dürfte man nicht sicher sein, dass die Editors beim nächsten Album ohnedies schon wieder ganz wo anders angekommen sein werden.

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  • Editors - In Dream - […] Auf den Fehltritt folgt der stilistische Rückschritt, der mehr noch als in die richtige Richtung vorerst endgültig in die…

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