Mizmor – Mnemonic: Ambient Mosaic

von am 1. Juli 2025 in Album

Mizmor – Mnemonic: Ambient Mosaic

Liam Neighbors alias A.L.N. alias Mizmor atmet nach der Hell-Kooperation Alluvion abseits seiner angestammten Doom-Pfade durch: Mnemonic: Ambient Mosaic ist ein – sich im Titel und dem passgenauen Artwork ideal erklärendes – zehnteiliges Kaleidoskop aus homogenen, sekulär-klerikalen Stimmungsbildern. 

Physisch auf 500 Vinyl- und 100 Kassetten-Exemplare limitiert, macht Mnemonic: Ambient Mosaic gar keinen Hehl daraus, eher eine Nischen-Veröffentlichung im Kanon von Mizmor zu sein, wie auch die von A.L.N. Erzählte Entstehungsgeschichte des Materials – ursprünglich 12 im Jahr 2024 via Patreon veröffentlichte und nun in redigierter Form veröffentlichte Tracks – unterstreicht: „To create Mnemonic, I unearthed a selection of old recordings from both The Zarconiac and my eponymous hymns [2011] and repurposed them into ambient tracks, just like I did with the Mizmor song ‘Pareidolia’ (Wit’s End, 2022). I realized that there were many lamentful melodies in my old songs that I still love, despite the lo-fi quality. The idea was to create a nostalgic soundscape of inverted hymns, allowing the listener to explore the sounds of my past, obscured though they may be.

Dass sich das entstandene Material in etwa so anhört, als hätte Reverend Kristin Hayter die atmosphärischen Archivsichtungen ihrer Platen anstelle aus einer vergilbten Mottenkiste in einer verfallenen Kirche aus einem Lovecraft‘schen Albtraum heidnischer Fanatiker gesogen, kommt dabei nicht von ungefähr: “In my time as a Christian [2010-2012], I created an EP of original hymns. The life of this project was short and catalogued simply under my given name. I can count the number of people who have heard these songs on one hand. These were worship songs, but not in the traditional sense. These songs were full of melancholy, pleas of help to God. It was from precisely this prayerful place that the first Mizmor album was written not long after, when I lost my faith.

Mnemonic – I dekliniert ein mystisches, gezupftes Gitarre-Thema im altruistischen Sound über einer kratzig von der Distortion infizierten Drone-Ahnung – kühl aus der Nostalgie entrückt, aber auf seine Weise weich, warm und heimelig, derweil Mnemonic – II sphärischer und heller angelegt ist, und seine verschmutzte Ästhetik mit gleissender, pastoraler Erhabenheit anreichert. Tragisch steigen dabei auch die das Album prägenden, grieseligen choralen Schatten aus dem Äther jenseits der Zeit empor. Mnemonic – III fängt die phasenverschobenen Interferenzen einer klerikaler Andacht und quält sich sogar über eine rhythmische Ahnung von Rhythmus, melancholisch schlurfend. Mnemonic – IV beobachtet ein sakral erlösenden Licht durch den Trichter der Verdammnis und macht trostfreie, gottlose Sigur Rós spätestens hier zur unbedingten Referenz von Mnemonic: Ambient Mosaic.
Im Kern dieser Platte liegt eine sinnsuchende Schönheit, eine faszinierende Anziehung, die enigmatisch und gleichzeitig universell erscheint.

Der Drone von Mnemonic –  V ist dementsprechend verheißungsvoll und mitleidig, auch wenn die Gitarre wie ein desillusionierter Nachhall aus einem kargen Western klingt und erst in  Mnemonic – VI eine konkrete Präsenz einnehmend: Wie in einem nebulösen Traum, dessen Konturen von nachdenklicher Traurigkeit in einem vergänglich Kosmos greifbarer werden; oder wie der Soundtrack für Sunshine, wenn die Handlung dem Weg zu einem schwarzen Loch anstelle der Sonne gefolgt wäre.
Mnemonic – VII  streift in Disintegration Loops-Wellen durch die elysischen Felder von Grouper nach der Apokalypse und die Vocals in Part VIII formen als abstrakte Flächen einen okkulten, dämonischen Rausch, der ausnahmsweise zu abrupt beendet wird und der Szene etwas Fragmentarisches anhaften lässt. Das abgründige Mnemonic – IX gibt sich als lyncheskes Noir-Konstrukt einem grummelnden Bass und  Mnemonic – X betet als finale Erlösung dystopisch am Schlund Hölle, verbindet Blade Runner und Suspiria in einer Ahnung von sehnsüchtig flehender Melodik. Was so eben alles bisher höchstens am Rande der peripheren Sicht im Reich von Mizmor stattgefunden hat, nun, in den Fokus gerückt, aber keinesfalls nur eine Fußnote in diesem Universum darstellt: Mnemonic: Ambient Mosaic ist eine essentielle Bereicherung für den Klangmaler A.L.N.

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