Grandaddy – Last Place

von am 6. April 2017 in Album

Grandaddy – Last Place

Dass seit dem Vorgänger auch schon sage und schreibe elf Jahre vergangen sind, hört man Last Place kaum an: Jason Lytle und seine Mannen machen schließlich beinahe anstandslos dort weiter, wo sie mit Just Like the Fambly Cat 2006 aufgehört haben.

Also bei bisweilen schrulligem, manchmal kitschigen, aber immer absolut wunderbaren 90er-Jahre-Indierock aus der zweiten Reihe, der so eigenwillig wie entwaffnend entlang seiner eingängigen Melodien schippert. Mit weicher Stimme und wuchtig-wattiertem Rhythmus, und dabei praktisch jeden an Bord holt, der sich von Built to Spill über Teenage Fanclub und Modest Mouse bis Spoon für zeitlose Genre-Schmankerl erwärmen kann. Dabei natürlich auch Gefallen daran findet, wenn analoge Synthieffekte die mittlerweile noch gemütlicher mit sich selbst im Einklang tändelte Gangart des typischen Grandaddy-Songwritings ausschmücken. Kurzum: Last Place zelebriert Dinge, die Grandaddy bereits in ihrer ersten Existenzphase verinnerlicht hatten.
Seit dem hat sich gefühltermaßen nichts geändert: Das Quintett um Boss Lytle schreibt weiterhin keine waschechten Hits, aber so verdammt sympathische Ohrwürmer, die unaufdringlich in die Gehörgänge tänzeln, haften bleiben, wenn auch nicht hartnäckig an der Oberfläche. Etwa im mit dem relaxt in Aufbruchstimmung verfallenden I Don’t Wanna Live Here Anymore oder gleich im so schmissigen Opener Way We Won’t, der sich aus seiner versponnenen Einleitung in den aufgeweckten Bereich strampelt, im Refrain die zutiefst simple Gitarrenleiter rauf und runter klettert und irgendwann eben seine Tasteninstrumente hinter der fluffigen Gitarre markanter funkeln lässt.

Klassisches Grandaddy-Material, wie das seit 2006 höchsten Lytle solo zustande brachte. Neben dem poppigen Brush With the Wild und dem vergleichsweise giftig seinen Wave-Beat verfolgenden Evermore leitet Last Place mit diesem Mid-bis-Uptempo-Beginn jedoch schon ein wenig in die falsche Richtung. Denn auch wenn Lytle als alter Melancholiker mit Hang zur Depression ohnedies immer so klingt, als würde er sich etwas müde in seinen eigenen Songs von all dem Kummer da draußen verkuscheln wollen, legt sich dieses Comeback vor allem in der zweiten Plattenhälfte noch deutlicher in seine schwermütiger getragenen Charakter, schraubt Tempo und das bisschen an vorhandenem Druck zurück. Kein Wunder wahrscheinlich: Wo Last Place den Bandkitt ein für allemal festigt, ist es doch im Grunde ein Breakup-Album geworden – entstanden unter den Eindrücken von Lytles Scheidung.

Deswegen dominieren vor allem hinten raus mit Streichern ausgefüllte Balladen (das wehmütig plätschernde The Boat is in the Barn oder das anmutig träumende This is the Part) und regelrecht hymnisch ausgebreitete Piano-Elegien (das meisterhafte A Lost Machine baut sich über 6 Minuten majestätisch zu einem Karrierehighlight auf) das Klangbild, spinnen den Faden zu intimem Akustik-Fingerübungen wie Songbird Son, traurige Emoticons im Titel flächiger Space-Interludes (Oh She Deleter 🙁 ) oder skizzenhaft verspultem Salat wie das zu Roboterkumpel Jed zurückkehrende Jed the 4th.
Wo sprintende Suiten wie das eng angezogen bratzende Chek Injin mit ihren Wendungen nur auf den Erstkontakt wirklich spannend zünden, weil sie alsbald ein bisschen zu ziellos im Sand verlaufen, sind es ohnedies vor allem die charismatischen Unaufgeregtheiten, die Lytles Kunstfertigkeit am deutlichsten destilieren, die bleiben werden: Derartig entspannt und nebensächlich muss man einen vor Zynismus strotzenden Warnhinweise wie That’s What You Get for Gettin‘ Outta Bed samt schunkelnden Fernsehgartenkeyboard schließlich erst einmal hinbekommen.

Dass gefühltermaßen jeder Song hier durch einen externen Produzenten noch schärfere Konturen bekommen hätte können – egal. Schließlich ist es ja auch diese slackerhafte Ungezwungenheit, die die Band aus Kalifornien immer schon auch auszeichnete. Zumal Grandaddy mit dieser Form der Rückkehr den unkalkulierten Eindruck scheinbar mühelos unterstreichen, den bereits ihre Bühnen-Rückkehr als Liveband  hinterließ: Wie zufällig scheinen Lytle und Co. in einen erfrischend unspektakulären More of the Same-Anachronismus gefallen zu sein, der keinerlei Anstrengung für seine Klasse zu benötigen scheint und Nostalgie nun mal Nostalgie sein lässt. Im bestmöglichen Sinn, wie im nicht restlos euphorisierenden. Weil sich Last Place phasenweise doch ein klein wenig zu nahe am bekannten Sound des Solomaterial ihres 48 Jährigen Bandvorstandes treibt und 2017 ohne wirkliche Überraschungen nicht gänzlich die emotionale Wirkung der besten Band-Momente erzeugen kann, sondern sich stattdessen manchmal gar zu sehr in seinen eigenen Stärken suhlt.
Auch wenn ihr Wert über die Jahre gestiegen ist, werden Grandaddy damit wohl wieder nicht vor dem Durchbruch stehen (dafür fokussiert Lytle seine Songs mittlerweile einfach noch weniger auf ihrer potentiellen Hittauglichkeit, hofiert lieber eine unverbindliche, angenehm durchlaufende Eingängigkeit und versorgt Last Place zufrieden neben Geniestreichen wie The Sophtware Slump) – doch gelingt anhand 12 so zuverlässig wie mindestens grundsolide entwaffnender Songs das eigentlich Essentielle scheinbar mühelos: Man schließt das liebenswerte Last Place unmittelbar ins Herz und merkt, wie sehr man diese Band doch vermisst hat.

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