Kvelertak, Kylesa [05.07.2014: PPC, Graz]
Es wäre ebenso kurzsichtig wie pietätlos dem überraschenden und abruptem Aus des Bang Bang Clubs eine positive Fußnote zu attestieren, aber: sich nicht für nur eines der beiden ursprünglich überschneidenden Konzerte der justament zum selben Zeitpunkt in der Murmetropole gastierenden Szenegrößen entscheiden zu müssen und stattdessen die geballte Ladung Metalpower serviert zu bekommen ist doch ein so erfreuliches wie exklusives Zuckerl der Graz-Aufenthalte von Kylesa und Kvelertak.
Anstatt auf den kurzfristigen Ausfall der geplanten Show mit einem Ruhetag zu reagieren sind Kylesa also plötzlich Special Guests bei ihren Kumpels von Kvelertak. Wo man sich im Vorfeld über die zumindest ungünstige Planung beide Bands (mit sich mutmaßlich überschneidenden Fanbases) für den selben Abend in der Ferienzeit im kleinen Graz zu buchen wundern musste darf man rückblickend mutmaßen: zumindest der Bang Bang Club wäre wohl ziemlich leer geblieben. Nur eine Handvoll Kylesa-Fans hat sich ins annehmbar gefüllte, aber längst nicht so vollgestopft wie zu erwartende PPC verirrt.
Sie erleben eine Band, die sich wortkarg, professionell und auch ein wenig reserviert (ernsthaft: wer kann es ihnen angesichts der Umstände verdenken?) durch eine dreiviertelstündige Setliste spielt, die die jüngste Studioplatte ‚Utraviolet‚ gar nicht so weit in den Vordergrund stellt wie man sich das erwartet hätte – ‚Unspoken‚, ‚Quicksand‚, ‚Long Gone‚ und ‚We’re Taking This‚ aber deutlich schlagkräftiger in Szene setzt als noch auf Konserve – und dazu praktisch ein Best of rund um ‚Spiral Shadow‚ bietet, in dem die psychedelische Seite der Band forciert wird und die Power der zwei Drumsets im Rücken bis auf einige wenige Spotlight-Momente vor allem zweckdienlich eingesetzt wird. Die Band aus Savannah erlebt dafür wiederum ein Publikum das mit gebremstem Enthusiasmus applaudiert, bei dem aber keinerlei Anzeichen von Euphorie zu verzeichnen ist. Bezeichnend ist da vielleicht ein Metalhead in der ersten Reihe, der textsicher die Lyrics mitsingt, aber kaum zur Bühne aufsehen kann, weil sein Blick wie gebannt am Smartphonedisplay klebt.
Überhaupt, das Publikum: selten hat man eine derart zugeknöpfte Besuchermenge erlebt. Selbst bei Kvelertak, die schlichtweg nichts anders machen als um ihre Leben zu spielen und die vielleicht kräftigste Performance im PPC seit Fucked Up (mindestens) abliefern entspricht die Stimmung nur um die Zugabe der Band herum zumindest ansatzweise dem Feuerwerk das die Norweger auf der Bühne abbrennen. Ansonsten verliert sich die beeindruckende Energie von Kvelertak über die ersten Reihen in einer statischen Masse. Wo der Pit eigentlich überkochen müsste herrscht zurückhaltender Stillstand – da und dort hat man sogar das Gefühl der/die eine oder andere wäre nur hier um ein angesagtes Kuriosum zu beäugen.
Das längst zum Bigplayer aufgestiegene Sextett lässt sich davon nicht beeindrucken spielt derart intensiv und energiegeladen bis es letzten Endes weite eben Teile des Publikums doch noch in den Griff bekommt und das Mikro zwischen den finalen ‚Mjød‚ und ‚Utrydd dei svake‚ im Publikum landet, die Sprachbarriere bei den Refrains von Hits wie ‚Blodtørst‚ oder ‚Bruane Brenn‚ eine ignorierte wird und der Schweiß zumindest im unmittelbaren Bereich vor der (mit lächerlich unnötigem Minimal-Wavebreaker versehenen) Bühne in ähnlichen Bächen fließt wie darauf.
Sänger Erlend Hjelvik ist dabei der Black Metal-Hexenmeister und grimmige Antreiber, wirft sich nachdem die obligatorische Eulen-Kopfbedeckung ersteinmal von seinem Haupt entfernt wurde in wild-headbangende und beschwörende Posen, speit unablässig Spuckebrocken und augenscheinlich konsumierte Getränke in die ersten Reihen, während seine Band die Schlagkraft der Kvelertak-Songs durch die Unterstreichung der rasenden Blastbeat-Phasen zusätzlich auflädt. Eingangs ist der Sound dabei noch etwas unausgegoren, letztendlich aber durchaus effektiv. Vertreter von ‚Kvelertak‚ und ‚Meir‚ wechseln sich dabei ohne Qualitätsunterschiede ab, auch wenn die Songs des Debütsalbums gefühltermaßen eine Nuance freudiger aufgenommen werden. Zwischenansagen gibt es wie bei Kylesa praktisch keine, Kvelertak spielen sich lieber in einen atemlosen Rausch.
In diesem funktioniert Gitarrist Maciek Ofstad am Ende einen Verstärkerturm zum Podest um, die restliche Saitenfraktion scharrt sich feierlich als okkulte Nerd-Gang herum bis es kein Halten mehr gibt: eine Gitarre hängt über der Bühne und Hjelvik in der ersten Reihe, Ofstad taucht plötzlich als zweiter Drummer auf und seine Kumpanen machen ‚Utrydd dei svake‚ zur feedbacksuchenden Kakophonie – das Eis zum Publikum bricht spät(estens hier) aber furios. Woher Kvelertak ihren Ruf als Livemacht haben ist hiernach absolut keine Frage mehr: schon lange hat man niemanden mehr mit einer derartigen Power und Durchschlagskraft auf einer Bühne wüten gesehen.
Setlist Kylesa:
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