Lord Snow – Have You Heard of the High Elves

Have You Heard of the High Elves, das – sechs Jahre nach Shadowmarks (2020) aus dem Nichts kommende – Comeback-Album der Emoviolence-Helden Lord Snow, ist eigentlich eine Art Reboot-Compilation.
Was wäre, wenn Vocalist An Lacy die damals erst im Vorjahr gegründete Screamo-Formation Lord Snow nicht bereits 2012 wieder verlassen hätte? Wenn (der seinen Fokus unlängst auf eine andere Spielwiese gelenkt zu haben scheinende) Bassist Steph Maldonado deswegen nicht auch das Geschrei übernommen und mit Gitarrist Niko Zaglaras sowie Drummer Erik Anderson als Trio weitergemacht hätte?
Nun, die Rückkehr von Lacy Anfang in das Gefüge 2025 lässt zumindest einen Ahnung zu, wie dieses Szenario aussehen hätte können, indem Have You Heard of the High Elves (den aktuellen Live-Status Quo der Band umsetzend) sich einzelne Songs aus dem Portfolio von Lord Snow schnappt und als „something of a retrospective meditation on their past work“ neu interpretiert – in der ursprünglichen Quartett-Formation, mit Lacy neben Maldonado am Gesang – und einem für Mix und Mastering verantwortlich zeichnenden Jack Shirley hinter den Kulissen, der den (wieder in Eigenregie aufgenommenen) Sound der Band aus dem Lo-Fi holt, und ihr damit eine bisher ungekannte Prägnanz ermöglicht.
Primär aufgrund der neuen Ästhetik lässt sich jedenfallsmutmaßen, dass die Amerikaner in dieser Form anstelle des Szene-Geheimtipps noch deutlicher an der zeitgenössischen Speerspitze des Genres unterwegs.
Lord Snow haben ihre Geschichte dafür nicht umgeschrieben, ihr aber um essentielle Facetten erweitert neue Perspektiven beigebracht. Wo die Songs an sich immer noch so sensationell wie immer schon sind (wenngleich etwas weniger infernal, etwas kontrollierter), klang die Band einfach noch nie dermaßen gut – druckvoll, intensiv! – wie hier.
Vor allem die melodischen Aspekte und die Bandbreite bekommen mehr Dynamik, das Material wird schließlich auch an die neuen Möglichkeiten angepasst adaptiert: Lod Snow lassen einen Gutteil ihrer rohen Ungeschliffenheit zurück, behalten sich aber die ungestüme, radikale Schärfe im leidenschaftlichen Kern bei und verpassen ihrem Emoviolence so ein der Basis treu bleibendes Update: runder, reifer, zivilisierter, sauberer, kompletter.
Das Ergebnis fühlt sich am Stück nie nach einer Compilation an, sondern wie ein waschechtes Album. Die Songs einer restaurierten Werkschau greifen wie eine immer schon dicht stehende Einheit ineinander, versuchen mehr zu erzeugen, als die Summe der einzelnen, homogenisierten Teile.
Sinnbildlich dafür dienen die drei neuen Stücke im Verlauf vor allem dem großen Ganzen und dem Fluss der Platte. Der Opener Never Again hetzt so dramatisch bis kurz vor Schluß als einstimmendes Instrumental, Free Your Mind Kevin Will Follow (Ending) wirbelt 24 Sekunden als vertracktes Interlude (geistesverwandt mit Yellow Amarillo//Booker Dewitt, das die superbe Schlagzeuarbeit ideal in die Auslage stellen kann) und David Monroe’s Golden Plaque zeigt als ein Highlight mit jazzig zerfahrendem Math-Anleihen auf und spendiert dann einen Techno-Abgang – auch It Is Known gönnt sich nun übrigens als Bindemittel im Pacing ein Zelda-Outro.
Das beste ist zwar, dass man sich nicht entscheiden muss, ob nun die ursprünglichen Versionen der Nummern oder die durch und durch essentiellen Überarbeitungen von Have You Heard of the High Elves in der persönlichen Gunst vorne stehen – beide Seiten der Medaille haben ihre Stärken. Fakt ist aber auch: Durch die vor Energie nur so strotzende, konventionellere Inszenierung des Jahres 2025 kann man sich mit hungriger Begeisterung ganz neu in den Katalog der den Funken so direkt überspringen lassenden Band verlieben.
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