Loretta Lynn – Still Woman Enough

von am 5. April 2021 in Album

Loretta Lynn – Still Woman Enough

Auch wenn der Einstieg dies auf den Erstkontakt beinahe kaschiert, hält Still Woman Enough, das vierte in einer Reihe von fünf geplanten Alben, weitestgehend das beeindruckende Niveau, mit dem Loretta Lynn ihr Spätwerk zum schaulaufenden Triumphzug auslegt.

Seit einem Schlaganfall 2017 schraubte Lynn ihr Arbeitspensum zuletzt ja merklich zurück. Weswegen es grundlegend ja auch nachvollziehbar ist, dass ihre Rückkehr mit Studioalbum Nummer 56 – wie die drei konzeptuellen Vorgänger Full Circle (2016), White Christmas Blue (2016) und Wouldn’t It Be Great (2018) im Cash Cabin Studio von Hendersonville, Tennessee aufgenommen, und neben wenigen neuen Songs primär alte eigene und fremde Klassiker abermals interpretierend – auch ein bisschen Statement sein soll.

Das nach den Opener und Titelsong von Still Woman Enough allerdings zu keiner besseren Nummer: Der solide Country-Rocker wirkt ein bisschen bemüht, durch die Gastauftritte von Reba McEntire und Carrie Underwood auch überfrachteten, das Songwriting ein wenig plakativ. Dazu weiß das angestammte Produzentengespann/ Legendenkinder-Doppel Patsy Lynn Russell und John Carter Cash mit dieser Ausrichtung nicht ideal umzugehen und drückt einen unangenehm modernen Genre-Sound los, der eher aufzeigt, was man am aktuellen Geschehen der Szene gesichtslos finden kann.
Dass man daran schon während dieser dreieinhalb Minuten kaum einen Gedanken verschwenden will, liegt freilich an einem immer noch und immer wieder so fassungslos machenden Organ: Wie bitte kann man mit 88 Jahren derart fantastisch klingen, wie Loretta Lynn? Wie frisch, jugendlich, unbeschwert und selbstverständlich? Einfach göttlich!

Dass Still Woman Enough danach zudem alles besser und sowieso doch auch alles richtig macht, tut sein übriges. Die Kooperationen (Margo Price schaut in One’s On The Way beinahe kindlich vorbei, Tanya Tucker schraffiert den dem Empowerment-Narrativ einen schlüssigen Bogen bescherenden, sonst aber eher nebensächlich bleibenden Closer You Ain’t Woman Enough) ergänzen sich in den geladenen Stimmfarben absolut harmonisch, die Performance einer makellosen Musikerriege hat zudem generell etwas zeitloses, klassisches. Gerade die ruhigeren Momente wie Where No One Stands Alone geraten so ziemlich anbetungswürdig, ein Keep On The Sunny Side ist unaufdringlich liebenswert und charismatisch-bescheiden beschwingt, selbst die dritte (eindringlich und bildgewaltig rezitierte) Interpretation von Coal Miner’s Daughter (Recitation) wirkt in keinster Weise redundant.
Dass die versammelten 35 Minuten sich hinter der enttäuschenden, leider einzigen Neukomposition in Summe trotz der dynamischen Kurzweiligkeit des Songflusses dennoch weniger essentiell anfühlen, als die Musik der noch besseren Vorgängeralben der Reihe, ist dann eigentlich beinahe nebensächlich.

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