Metal Dream: Deftones

von am 20. August 2025 in Diskografie Ranking, Featured

Metal Dream: Deftones

Bevor das verdammt solide Private Music nicht nur den unrühmlichen Abschied von Sergio Vega und die Rückkehr zu Produzent Nick Raskulinecz markieren, sondern auch die längste Pause zwischen zwei Alben der Deftones beenden wird, bleibt noch Zeit, um im Rahmen der hiesigen Diskografie-Rankings einen Blick zurück, auf eine der makellosesten Karrieren des Alternative Metal, zu werfen.

Fünf Jahre, nachdem sich die Deftones 1988 rund um die drei Schulfreunde Stephen Carpenter, Abe Cunningham und Chino Moreno in Sacramento gegründet haben, stabilisiert sich das (mittlerweile durch Chi Cheng und den zeitweise ausgestiegenen Carpenter komplettierte) Line Up der Band, die ihren Namen als Hybrid-Referenz an populäre Hip Hop-Trends (Def) und 50er-Jahre-Bands (Tones) wählt. Es kann also losgehen:

Deftones - Adrenaline09. Adrenaline

Veröffentlichungsjahr: 1995
Produzent: Terry Date
Spielzeit: 47 Minuten

1995 gehen die vier Skater-Afficionados für Debütalbum ins Studio. Durch die Like Linus-Demo und ein stetes Tour-Programm hat sich das Quartett nämlich bereits einen Plattenvertrag mit Madonnas Label Maverick erarbeitet und zudem genug Material in petto, um dieses mit Produzent Terry Date zügig in Angriff zu nehmen.
Geprägt von den befreundeten Far fallen die relativ simpel und direkt angelegten Songs mit einer schnörkellosen Schroffheit auf den Nährboden, den Korn im Jahr zuvor mit ihrem selbstbetitelten Instant-Klassiker bereitet haben (für den Hidden Track Fist teilen sich die beiden Bands sogar Ross Robinson als Betreuer). Hinter dem einen Schleimsauger für Babies abbildenden Artwork klingt Adrenaline dabei präzise und schneidend, aufgeräumt, mit einem kalten Groove auch distanziert: Die Deftones schärfen hier ihr archetypisches Profil, nicht ihre Tiefe oder Bandbreite.
Allerdings blitzt in den noch zu holzschnittartigen Kompositionen immer wieder auf, dass die Leistungslimits der Deftones weit über dem Durchschnitt liegen. Birthmark nimmt etwa mit viel Fantasie die Handclaps auf Ohms vorweg und Fireball deutet die atmosphärische, ruhigere Seite der Band bis zu einem weit ausholenden Finale melodiöser an.
Mit dem Non-Album-Track Teething treten die Deftones dann später auch im zweiten Teil von The Crow auf, doch dass sich Adrenaline nach und nach zu einem veritablen Erfolg entwickelt, liegt eher an einer regen Mundpropaganda und daran,  dass sich Bored, Nosebleed und vor allem 7 Words als Szene-Hits empfehlen.
Trotzdem: Wie populär der Sound der Platte einmal werden würde, hätte man sich noch vor wenigen Jahren kaum träumen lassen.

Deftones - Gore08. Gore

Veröffentlichungsjahr: 2016
Produzent: Matt Hyde
Spielzeit: 48 Minuten
Review: 7/10

Abseits des überragenden Phantom Bride, dem Alice in Chains-Genie Jerry Cantrell die Seltenheit eines Gitarrensolos als Kirsche spendiert, bleibt – mit Ausnahme des Nicht-Opener Prayers/Triangles, Doomed User oder des grandioses Abschluss-Trios um den Titelsong und Rubicon – zu wenig von einem Album hängen, das sich zu sehr nach abgeklärter Routine und Pflichtübung anfühlt.
Vielleicht, weil der tourende Chino mit Crosses beschäftigt ist, während der Rest der Band mit dem Schreiben der Stücke begonnen hat; vielleicht, weil die Hoffnung auf ein Genesen ihres Bassisten nicht mehr vorhanden ist: Chi Cheng ist am 13. April 2013 verstorben.
Sicher aber hat es damit zu tun, dass alte Gräben neu aufgebrochen sind – gerade aus den kreativen Differenzen zwischen Moreno und Carpenter (der sich kaum am Songwriting beteiligt) macht niemand ein Geheimnis. Ein indirektes Resultat davon dürfte auch der dünne, seltsam aus der Balance gekommene Sound der Platte sein: Die viel zu kraftlos in der Ferne beerdigten Drums, atmosphärisch gemeinte, aber matschige Gitarren und gar zu entrückte Vocals sorgen mit einer matschigen, wahlweise interessante oder frustrierenden Produktion jedenfalls für Unzufriedenheit bei allen Beteiligten.
Mit Koi No Yokan-Engineer-Matt Hyde als Co-Produzenten finden die Musiker jedenfalls keinen dirigierenden Fokus. Sinnbildlich dafür hält die Band die Veröffentlichung des Albums erst zurück, um den Mix zu korrigieren, dann kickt Chino den Album-Opener Crest in letzter Sekunde von der Tracklist. Was alles eher geschadet als genutzt zu haben scheint – wobei die Ahnung zurückbleibt, dass in Gore und seinen ursprünglich 16 Songs ein tolles Album hätte stecken können, wäre Nick Raskulinecz nur wie geplant als Leithammel verfügbar gewesen. So muss die Gewissheit reichen, dass auch ein enttäuschendes Deftones-Werk nicht einmal ansatzweise ein schlechtes Album bedeutet.

Deftones - Ohms07. Ohms

Veröffentlichungsjahr: 2020
Produzent: Terry Date
Spielzeit: 46 Minuten
Review: 8/10 bzw. 27/50

In Zeiten von Lockdowns gezeugt und mitten in die Pandemie hineingeboren, trifft der Titelsong mit beispiellos euphorischer Sehnsucht einen Nerv. Bei den 64. Grammy Awards wird er zwar den kürzeren gegen Making a Fire von den Foo Fighters ziehen, ein Instant-Platz auf zukünftigen Best of-Compilations ist ihm aber sicher.
Als Closer selbst funktioniert die himmelstürmende Nummer erst nach einigen Wachstumsschmerzen – dann aber durchaus überzeugend. Die Aufbruchstimmung passt schließlich als Conclusio für ein durch und durch konstantes Album, das entlang seiner zugänglichen Sicherheit einen merkwürdigen Effekt erzeugt: Während des Hörens unterhält Ohms absolut kurzweilig – auch, weil jedem der hochklassigen Standards mindestens eine individuell aufzeigende grandiose Hook, Melodie oder Idee (wie etwa Zach Hills Fingerschnipsen in The Spell of Mathematics oder der Twin Peaks-Ausflug in Pompej) gegönnt wird, alles wie eine locker von der Hand gehende Fingerübung in Sachen Trademark-Leichtigkeit anmutet und wirklich jede Nummer Wiedersehensfreude erzeugen kann – während diese Begeisterung außerhalb des Konsums aber nur bedingt konserviert werden kann. Mag es etwa sein, dass das Quintett seine Klasse hier zu zugänglich und bissfertig anbietet, den Hörer vor keine Herausforderungen stellt und die Sache damit zu einfach macht?
Ohne die restlos großen Hits und Klassiker gelingt den Deftones wohl einfach exakt die richtige Platte zur entsprechenden Zeit, der man nachträglich gerne, aber nicht mehr zu überschwänglich begegnet.
In den Jahren, bevor sie auf TikTok durch die Decke gehen werden und zusehen können, wie selbst die besten Epigonen (a la Fleshwater) in ihrem Schatten bleiben, ist es jedenfalls gar nicht so aufregend, dass Terry Date erstmals seit dem immer noch weggesperrten Eros wieder in den Bandkosmos tritt, oder dass Moreno einen Schritt zurückmachend Cunningham und Carpenter (der ebenso Stolz auf den Einsatz einer 9 String Guitar wie auf seine Kenntnisse einer flachen Welt und deren medizinischer Wahrheiten ist) die Leitung überlässt. Doch man kann Ohms seine erfrischend unspektakuläre, liebevoll arrangierte Zuverlässigkeit kaum hoch genug anrechnen.

Deftones - Koi No Yokan06. Koi No Yokan

Veröffentlichungsjahr: 2012
Produzent: Nick Raskulinecz
Spielzeit: 52 Minuten
Review: 8/10 bzw. HM

Koi No Yokan (was soviel wie „die Vorahnung von Liebe“ bedeutet) nimmt sein Nachfolger-Album in gewisser Hinsicht vorweg (die Deftones sind eben die Deftones), macht seine Sache allerdings in allen Belangen besser: Es hat den deutlich besseren Sound, ein höheres Grundniveau im Songwriting und kommt zudem nach einer soliden Upbeat-Eingangsphase ohne Leerlauf aus. Vor allem aber servieren die Deftones mehr herausragende Highlight-Momente als knapp fünf Jahre später: Hinter Leathers absolviert die Platte von Entombed weg einen praktisch makellosen Lauf, der vom doomgazenden Rosemary sogar genial gekrönt wird – mutmaßlich die beste Nummer, die die Band seit White Pony geschrieben hat.
Dass die Gruppe mittlerweile ein wenig zu abgeklärt und routiniert agiert, wird durch den mitgenommenen Schwung von Diamond Eyes kompensiert, derweil es auch merklich gut tut, dass Sergio Vega mit seiner Quicksand-Erfahrung stärker als bisher in den Kompositionsprozess eingebunden wird: Das Ergebnis fühlt sich nach einem kollektiv erschaffenen Kaleidoskop an, das seine kreativen Ambitionen exponiert und experimentell anlegt, sich stilistisch ausdehnt und dabei die Atmosphärearbeit tiefenwirksam anlegt.
Die traurige Fußnote eines Albums, das vielerorts mindestens als Zenit der (bassbesetzungstechnisch) zweiten Kartierephase der Deftones gesehen wird, und sich an anderen Tagen wohl auch eine Platz in den Top 3 dieses Rankings verdient gehabt hätte, bleibt der Umstand, dass  Cheng Cheng nach langer Zeit im Koma kein halbes Jahr nach dem Release von Koi No Yokan stirbt.

Deftones - Saturday Night Wrist05. Saturday Night Wrist

Veröffentlichungsjahr: 2006
Produzenten: Bob Ezrin & Shaun Lopez
Spielzeit: 52 Minuten

Nachdem das Label nach den enttäuschenden Verkaufszahlen von Deftones verlangt, dass die Band unverzüglich mit den Arbeiten an dessen Nachfolger beginnt, zieht das Quintett ins Morning View Haus von Incubus und der Songwriting-Prozess geht an sich schnell vonstatten. Doch über die Wahl des auf Terry Date folgenden Produzenten beginnt sich die Gruppe zu zerreiben. Kaliber wie Ken Andrews (Failure), Ric Ocasek (The Cars) oder sogar Dan the Automator kommen Betracht, doch letztlich einigt man sich auf Bob Ezrin – mit dem Chino allerdings überhaupt keinen gemeinsamen Nenner finden soll. So spielt die Band die instrumentale Seite der Platte mit dem legendären Produzenten ein, während Moreno sich immer weiter Team Sleep zuwendet und seine (von der eigenen Drogensucht und gescheiterten Ehe inspirierten) Vocals später separat mit Shaun Vocals aufnimmt.
Der Frontmann wird Saturday Night Wrist (benannt nach den Nervenleiden, die ein Fixer bekommt, wenn auf dem Arm einschläft, auf dem er sich den Schuss gesetzt hat) später als sein unliebstes Deftones-Album bezeichen („a seriously unhealthy experience“) und Cunningham den Entstehungsprozess mit Zähne-Ziehen vergleichen. Das Album wird sich auch noch schlechter verkaufen als der Vorgänger und sogar offen lassen, ob es überhaupt mit der Band weitergehen werden würde.
Dabei ist Saturday Night Wrist per se ein Werk, das nichts falsch macht – außer dass es (mehr noch als sein Vorgänger) bei allen nach außen gewagten Risiken nach innen ein wenig zu sehr auf Nummer Sicher geht. Doch kann das angesichts eines Aushängeschilds, wie es der By-the-Numbers-Instant-Klassiker Hole in the Earth als sehnsüchtiger Melancholiker einer ist, überhaupt ein Manko sein?
Aggressiv hakende Passagen wie Rapture oder das über den halluzinogenen Warp-Tunnel in den martialischen Metal tauchende Rats!Rats!Rats! sind jedenfalls genauso starke Wohlfühlzonen wie (die ihre zurückgenommenen Strophen mit großen, voller erhebener Grandezza und majestätischen Pathos liebäugelnden Ohrwurm-Refrains krönenden) Beware, Cherry Waves oder Xerces. Obwohl die eher unspektakulär solide finale Standard-Phase des letzten Album-Viertels unterwältigt, besticht auch dort die vom Artwork ideal eingefangene Atmosphäre. Und der flotte Universe-Galopp mit Serj Tankian in Mein oder die Trip Hop-Seance Pink Cellphone mit Annie Hardy von Giant Drag, die den Blick (ebenso wie der instrumental den Gang Gang Dance-Score freischaltende Cheat Code U,U,D,D,L,R,L,R,A,B,Select,Start) symptomatisch auf Möglichkeiten abseits der Deftones‘schen Kernkompetenzen lenken, speisen den Kosmos ohnedies mit neuen Reizen. Dennoch wird nicht jeder die sehr subjektive Liebe für en neben Gore wohl polarisierendsten Langspieler nachvollziehen können.

Deftones - Around the Fur04. Around the Fur

Veröffentlichungsjahr: 1997
Produzent: Terry Date
Spielzeit: 42 Minuten

Die Entwicklung, die die Deftones zwischen ihrem Debüt und dem Album, mit denen ihnen der endgültige Durchbruch gelingen sollte, hinbekommen, ist einfach nur beeindruckend – aber vor allem das Resultat harter Arbeit und konkreter Ziele.
Zwar vertreiben sich die Mittzwanziger weite Teile der Tage damals mit Skaten. Aber nur, weil sie ihren Proberaum in einem Gebäudekomplex erst nach Büroschluss um 18.00 Uhr auch zum Musizieren nutzen können. Dann aber weiß die Band genau, was sie will: keinen so rauen Garagen-Sound wie auf Adrenaline mehr, sondern eine größere, aber nicht poliert klingende Produktion – für Songs, die „more sophisticated“ auftreten sollen.
So entstehen hinter dem Rick Kosick-Cover (das übrigens, wie man mittlerweile weiß, Lisa Hughes zeigt) ausnahmslos tolle Songs wie Lhabia, Mascara, dem Titelstück, Lotion oder Dai the Flu, die sich angesichts der überragenden Präsenz der beiden Klammer-Instant-Klassiker My Own Summer (Shove It) und Be Quiet and Drive (Far Away) dennoch stets wie Geheimfavoriten im Deftones-Kanon anfühlen.
Dass Headup Max Cavelera als prominenten Gast dabei hat (und durch eine Textzeile den später gegründeten Soulfy ihren Namen gibt, während die ganze Platte Dana Wells gewidmet ist), ist auf lange Sicht dann auch weitaus weniger gravierend als die Tatsache, dass ein gewisser Frank Delgado auf fünf Songs der Platte mitarbeitet.

Deftones - Diamond Eyes03. Diamond Eyes

Veröffentlichungsjahr: 2010
Produzent: Nick Raskulinecz
Spielzeit: 41 Minuten

Um zu retten, was zu retten ist, kehrt das immer öfter im Streit liegende Quintett nach den negativen Erfahrungen von Saturday Night Wrist zu Terry Date zurück und will möglichst schnell arbeitend an seine ersten Alben anknüpfen. Doch das Schicksal macht ihm einen Strich durch die Rechnung: Chi Cheng verunglückt auf dem Heimweg von der Beerdigung seines Bruders und fällt in ein Koma. Der bereits fertig gestellte, Anfang 2009 erscheinen sollende sechste Langspieler namens Eros landet – passenderweise bis auf eine ausgerechnet Smile getaufte Nummer- im Limbo unveröffentlichter, mystischer Alben.
Doch der 4. November 2008 hat die Perspektiven in der Welt der Deftones absolut relativiert und eine Band aus Jugendfreunden, deren Mitglieder sich unter wachsenden Spannungen immer weiter voneinander zu entfernen schien, (zumindest vorerst) wieder zusammenrücken lassen.
Nach einer mehrmonatigen Konsolidierungsphase entscheidet man sich bei Null zu beginnen und startet gemeinsam mit dem Rock-geerdeten Nick Raskulinecz und Kumpel Sergio Vega als Bass-Ersatz von vorne, um ein Album zu kreieren, das inhaltlich positiver, optimistischer und weniger finster als Eros angelegt sein würde, derweil die Band auf Pro Tools verzichtet und die Songs „a million times ‚til they were perfect“ probt, um im Studio einen energiegeladenen, rohen „personable“ Sound einzufangen. Auf dem so entstandenen Diamond Eyes hört man im erdigen, professionell dreckig-präzisen Klang eine messerschaft auf den Punkt findende Gruppe, die hungrig ist, und sich selbst wie anderen etwas zu beweisen hat.
Ohne Ausfall geben sich im runden Sequencing praktisch ausnahmslos knackige Instant-Lieblinge auf immens hohem, wenn auch nicht ganz auf legendärem Level die Klinke in die Hand, nachdem in der rasant-kompakten Eingangsphase der Titelsong stellar funkelnd neben dem austickenden Royal und dem rohen Oldschool-Flair von CMND/CTRL strahlt, wohingegen hinter dem rauen Groove von You’ve Seen the Butcher oder Risk mit prägnantem Tieftöner als Magengruben-Statements rumoren dürfen. Das perfekt betitelte Beauty School suhlt sich in der selben betörenden Sehnsucht wie der RX Queen-Kompagnon Prince oder das durch TikTok immens an Popularität gewonnen habende Sextape samt 976-EVIL.
Noch besser hätte die wie eine Frischzellenkur wirkende Zäsur eigentlich nur ausfallen können, wenn das grandios bissige Rocket Skates keine redundante Ehrenrunde in seiner generellen Repetition gedreht hätte.

Deftones02. Deftones

Veröffentlichungsjahr: 2003
Produzent: Terry Date
Spielzeit: 47 Minuten

Die Deftones können am Album nach dem Album natürlich nur scheitern. Sie tun dies aber auf die bestmögliche Weise.
We’ve proven that we can musically go in any direction we want, and we want to get kind of heavy on this one“ sagt Chi Cheng und die Band zieht für ihr viertes Studioalbum wahrhaftig die Vorhänge mit Backsteinen verankert zu – die Gitarren werden tiefer gestimmt, Frank Delgado texturiert in Düsternis mit Keyboard- und Synth-Flächen. Das Artwork fällt geradezu klischeehaft böse aus, wiewohl der ursprüngliche Name der Platte (dessen Titelsong letztlich als B-Seite endet) dann doch zu offensichtlich für den mittlerweile Gesangsunterricht nehmenden Chino ist.
Einerseits hat Deftones dem folgend einige der härtesten Stücke der Diskografie auf Lager: das psychotisch hakende Hexagram, die malmende Heaviness von Battle-Axe oder Bloody Cape und natürlich mehr als alles andere die absolute Bestie When Girls Telephone Boys.
Andererseits erweitert das Quintett seinen Kosmos aber einmal mehr und hat neben dem epischen Parade-Schaulaufen der unsterblichen Minerva auch Exkursionen in den Shoegaze (das hoffnungslose Deathblow etwa) oder Trip Hop (Lucky You mit DJ Crook und Tinfed-Sänger Rey Osburn). Dazu kommt die schummrig mit Piano und neonfarbigen Schattierungen schleichende winterliche Schlittenfahrten Anniversary of an Uninteresting Event als Exot voller versöhnlicher Subtilität – die wichtiger werdenden Nebenprojekte der Mitglieder schärfen den Fokus vorerst.
Ob diese (von Chino selbst übrigens rückblickend nicht gemochte) Ästhetik der destruktiven Atmosphäre jedoch primär eine Frage des Wollens ist, sei dahingestellt. Doch auch wenn die Chemie innerhalb der Band langsam aus der Balance gerät, sind die Fronten noch nach außen gerichtet: Terry Date ist frustriert ist, weil die Musiker noch langsamer im Studio arbeiten (die rekordverdächtigen vier Monate von White Pony werden auf zwölf Monaten bei Kosten von 2,5 Millionen Dollar ausgedehnt, was sogar zu Klagen des Labels führt). Auch deswegen sollte Deftones das bis zum 17 Jahre später geborenen Ohms die letzte veröffentlichte Zusammenarbeit der kongenialen Konstellation sein. An der allgemeinen Wahrnehmung als relative Enttäuschung hat sich in den zweiundzwanzig Jahren seit der Veröffentlichung gefühlt nichts geändert – abseits des schwächelnden Closers haben die Deftones mit ihrem Viertwerk in Wirklichkeit aber einmal mehr ein Über-Album aufgenommen.

Deftones - White Pony01. White Pony

Veröffentlichungsjahr: 2000
Produzent: Terry Date
Spielzeit: 49 Minuten

Around the Fur hat den Deftones das Selbstbewusstsein gegeben, nach ihren eigenen Regeln spielen zu können. Während die Plattenfirma schon längst eine Abgabe des dritten Studioalbums fordert, arbeitet die Band selbst dennoch unermüdlich weiter, nimmt sich mehr Zeit und ein noch breiteres Spektrum als auf dem Vorgänger ins Visier: Die immer schon ungeliebten Nu Metal-Kategorisierungen verstummen nun endgültig, stattdessen werden die Kalifornier nun als die Radiohead ihrer Szene eingestuft.
Die Deftones arbeiten dafür auf einer die Tugenden von Around the Fur erweiternden Basis, assimilieren Elemente aus u.a. dem Postrock, Shoegaze, Trip Hop und Alternative Metal, lehnen sich experimentierfreudig aus dem Fenster und öffnen sich auch extremen Impulsen immer weiter. Frank Delgado (der in Zeiten scratchender Nu Metal-Acts sagen wird: „Ich mag es, dass niemand weiß, was genau ich auf den Alben mache!“) ist mittlerweile fixes Mitglied der Gruppe geworden, DJ Crook programmiert als CrookOne den ursprünglichen Team Sleep-Song Teenager in die DNA des Kokain-Slangausdrucks White Pony. Dazu kommen als Gäste Tool-Kumpel Maynard James Keenan, die im Nebenstudio aufgegabelte Rodleen Getsic und ein nicht in den Credits auftauchender, nie über eine Vergütung für seine Mitarbeit an Rx Queen mit den Deftones gesprochen habender Scott Weiland. Chino Moreno steuert außerdem zusätzlichen Input an der Rhtyhmusgitarre bei und textet nicht mehr aus seiner eigenen Sicht, sondern taucht mit einem verruchten Fantasy-Instinkt in Charaktere und Szenarien ein, was der entrückten (fast sexuell aufgeladenen) Stimmung der Musik zusätzliche Ebenen öffnet.
So entsteht ein maßgebendes Meisterwerk des gerade begonnen habenden neuen Jahrtausends, das neben den ikonischen Aushängeschildern Digital Bath und Change (in the House of Flies) sowie dem Grammy-Gewinner Elite ausnahmslos überragende Ausnahmesongs an Bord hat, und zu einem Ganzen verbindet, das durch seine einzigartige Atmosphäre und unerreichte Vorbildfunktion mehr ist, als die Summe seiner Teile. Während die Plätze hinter dem Spitzenreiter in der diesem Ranking also eigentlich variieren können, thront das perfekte White Pony als eines der besten Alben aller Zeiten definitiv und unumstößlich über allen anderen.

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