Pharmakon [03.03.2023: Forum Stadtpark, Graz]
Zu nachtschlafender Zeit bietet Pharmakon im Forum Stadtpark je nach Sichtweise den offiziellen Abschluss des zweiten Elevate 23-Tages oder den aufwühlenden Start in den dritten. So oder so: ein absolutes Highlight des diesjährigen Festivals!
Dass Rent die veranschlagte Set-Zeit überzieht, geht schon wirklich in Ordnung: während sich auch im nach Mitternacht noch sehr gut gefüllten Forum ein Teil des Publikums zwar lieber die Ohren zuhält, als sich Earplugs am Tresen zu holen, spitzt sich der sehr laute, physisch spürbare und toll eindringliche Sound von Katrin Euller nach einem zuvor oft auch phasenweise fragmentarisch verstreuten Suchen zuletzt schließlich geradezu cinematographisch zu, bündelt die Fäden der mit apokalyptischer Schönheit gemalten Elektro-Dystopien und liefert einen runden, erfüllenden Spannungsbogen.
Also etwas, das dem Pharmakon-Auftritt in seiner Gänze letztendlich abgehen wird. Und dennoch stellt sich kurz nach 2 Uhr morgens die Frage: Nähert sich Margaret Chardiet da womöglich gerade einem neuen Zenit ihrer bisherigen Laufbahn?
Nachdem sich der Beginn von der Show also erstmal auf halb zwei Uhr Morgens verschoben hat (weil auch ein paar kleine technische Dinge erst nicht funktionieren wollen, erst der KORG meutert und dann das Mikro-Kabel streikt, nach ein paar Stoßgebeten und Flüchen aber doch alles klappt) gibt das Set nämlich den Ausblick auf neues, teilweise hier in Graz sogar erstmals gespieltes Material frei – welches so durchaus in ankündigt, dass der Nachfolger des auch schon vier Jahre zurückliegenden Devour die (bitte freilich alles relativ zu verstehen!) greifbarste, straighteste und unmittelbareste Form von Pharmakon artikulieren könnte: zwingender war die 32 jährige New Yorkerin jedenfalls gefühlt noch nicht unterwegs.
So streift Chardiet, wie man es live von ihr kennt, weiterhin manisch getrieben auf der Bühne auf und ab, streunt die Reibung provozierend unentwegt durch das Publikum, schreit und keift die dämonische Katharsis voller Agonie über Harsh Noise und Power Electronics-Attacken hinaus, die aber das rhythmische, körperliche Element noch hypnotischer fesselnd betonen als bisher.
Da entwickelt schon der erste der drei gespielten Songs im Rahmen eines teuflischen Gelächters einen animalischen, martialischen Malstrom; rasseln im zweiten die Ketten auf dem Wellblech bis das Auf- und Abschreiten immer eiliger und dringlicher wird, den Nihilismus letztendlich gar ausgelassen hüpfend entladen; und bringt der dritte am Techno geschult eine im Zwergengang die auf der Bühne liegenden Jacken entfernenden Pharmakon gar in Position zur ätzenden Hymne – die plötzlich um 2 Uhr Früh einfach beendet ist.
Pünktlich beschließt Pharmakon ihren Auftritt nach nur 30 (absolut grandiosen, faszinierenden, fesselnden und eindringlichen) Minuten, die dann eben doch auch ein bisschen unbefriedigt entlassen, weil die Intensität der Performance sich mit jeder Minuten weiter gesteigert hat und nach einer halben Stunde ohne finalen Klimax wie ein Coitus Interruptus zu abrupt die Spannung abdrehen. Oder aber: die Vorfreude auf das nächste Studioalbum könnte hiernach gar nicht größer sein – obwohl Pharmakon live zu erleben weiterhin noch besser ist, als sie auf Platte zu, nun ja, genießen.
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