Stormlight – Natoma

von am 10. Juni 2020 in Album

Stormlight – Natoma

Nachrichten, die in Euphorie versetzen: Sean Leary von Loma Prieta, Mare Island, Elle oder Ysidro und Lord Snow bzw. Lautrec-Ausnahmedrummer Erik Anderson legen mit Natoma endlich das Debütalbum ihrer vor zwei Jahren gegründeten Kombo Stormlight vor.

Für noch mehr Glücksgefühle, als alleine schon der grundlegende Zusammenschluss dieses für feuchte Fanträume sorgenden Allstar-Duos provoziert, sorgt dann die Ästhetik des Screamo/Emoviolence, den Anderson und Leary (zeichnet für Gitarre, Bass und Vocals verantwortlich) mit Produzent Jack Shirley von der Leine lassen: Natoma ist zwar roh und impulsiv, extrem dringlich und leidenschaftlich – mehr noch aber so extrem melodisch, aufbauend und optimistisch.
Die Gitarren fegen mit einer klaren Leichtigkeit, streben stets nach oben. während die Drums so erwartet furios hyperventilieren, nicht stillsitzen wollen. Das erinnert von der überschwänglichen Attitüde, obwohl stilistisch natürlich eine gänzlich andere Baustelle, an das selbstbetitelte Fang Island-Ringelspiel von 2010, wenn Stormlight in knapp 26 Minuten Spielzeit in einen motivierten Endorphinrausch sondergleichen sprinten.

Farsick gibt mit irren Drums und hoffnungsvoll verspielten Saiten die Richtung so motiviert vor, der Gesang variiert, muß nicht brüllen oder schreien, sondern skandiert und hebt sogar zum Indie ab, als könnte hier jeden Moment ein im brüderlichen Schulterschluß der Chor ins Mikro gestikulieren. The Past is the Key to The Future hastet an der Abgründigkeit entlang, erinnert manchmal eher an aufgeräumtere Lightning Bolt im kompakt und knackig, als an das klassiche Playbook der Szene. Acute-Care dämpft den Übermut mit beherzter Attitüde, ohne das Ventil zu schließen und auch Nighttime Absorption pfelgt eine lange Einkehr. Trotz atonal ausbremsender Finten schlendert SystemΓÇÖs Fate bis zu hymnischen Nuancen und Spite kennt den Melodic Hardcore besser als die Meisten Songs hier, nur das kontemplativ perlende Sleep Debt nimmt sich klackernd noch weiter zurück, sinniert mit jubilierend abhebenden Finale  – da darf ein Computing Machinery and Intelligence dazwischen ruhig etwas wenig essentielle Schattierungen mit sich bringen, wenn die Performance so viel atemlosen Zug zeigt.
Das harscher mit dem Noise flirtende Wires operiert giftig mit spacigen Effekten und jazzig-krawalligen Drone-Einbrüchen, Clock Drift nimmt weit ausholenden Anlauf in die Spannung und überrumpelt sich kurzerhand zu ambienten Alternative-Neigungen und unberechenbar-wandelbarer Gitarrenarbeit tendierend selbst, bevor der Closer Recover (mit beinahe vier Minuten Spielzeit in Relation zum restlichen Material episch angelegt) den Spannungsbogen mit frickelnder Versöhnlichkeit ruhig, intim und tröstend mit einem sanften Lächeln schließt.

Natoma erzeugt damit vielleicht nicht die verzweifelte Bedeutungsschwere vieler Kollegen, wird wohl auch abseits der Stammband-Basis-Hörerschaft von Leary und Anderson wohl keineswegs jedem Genre-Fan aggressiv und spitzfindig genug sein. Doch gerade dieser Kontrast zur Konvention entwickelt über manche kompositorisch weniger markante Phase hinausgehend einen solchen Reiz, zudem die nötigen individuellen Eigenständigkeit. Die größte Tugend dieser Platte ist trotzdem ihre infektiös-mitreißende Wirkung, die auch ohne herrschenden Pit mit einer so lebhaften Energie aufspringen lässt.
Vielleicht finden Stormlight mit viel Momentum im Rücken in weniger überschwänglichen Zeiten aber auch einfach den richtige Zeitpunkt für eine solch zuversichtlich auftretende Ausrichtung – womöglich ist dieser dynamische Radau aber einfach der ausgelassene Spaß, den die Nische benötigt: So oder so ist es jedenfalls einfach verdammt erfrischend, wenn die Katharsis in dieser Sparte nicht nur durch freigesetzte Wut, sondern durch das Erzeugen von Euphorie gewonnen wird.

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