Sunday Service Choir – Jesus is Born

von am 6. Januar 2020 in Album

Sunday Service Choir – Jesus is Born

Dass Jesus is Born nicht als Kanye West-Album erscheint macht nicht nur deswegen Sinn, weil die Platte untypischerweise absolut pünktlich zum angekündigten Zeitpunkt erschien: Der Worship-Gospel des Sunday Service Choir steht hier klar und erdrückend im banalen Vordergrund.

Das geht so weit, dass die ohnedies kaum wahrzunehmende Rolle des Nebuchadnezzar-Megalomanen West hier irgendwo zwischen Werbefigur und „Let’s Take this higher!„-Hypeman ohnedies offen bleibt: Gerade, weil über Kanye zu berichten ja immer auch zwangsläufig bedeutet, über sich selbst zu schreiben, ist eine Platte mit ihm ohne jegliche offenkundige Relevanz seiner Beteiligung freilich eine kleine Sensation.
Jesus is Born ist dann halt auch wirklich nicht mehr als eine mindestens grundsolide, manchmal wirklich gelungene, wertkonservative und vor allem „richtige“ Gospelplatte, wo Jesus is King ja eher das schlecht kaschierte Bauchpinseln eines orientierungslosen Selbstdarstellers jenseits seiner kreativen Glanztaten war – wenn auch nicht ohne Reichweite. Denn wo die absurde Egozentrik von West auf Jesus is King zumindest inhaltliche und stilistische Kontraste setzen konnte, das klerikale mit dem persönlichen aufreibt, muß Jesus is Born nun gänzlich ohne diese auskommen und existiert so letztendlich rein auf der Ebene der Funktionsmusik: Preiset den Herren der Christen.

Das kann man dann als besonders religiöser Gläubiger vielleicht beseelend finden, wird sich aber selbst in einem solchen Falle schwertun, 84 Minuten an der mit offenen Karten spielenden, existenzbedingt eindimensionalen Stange gehalten zu werden. Denn Jesus is Born hat auch ganz objektive Schwächen abseits des übersättigenden Inhaltes, erfüllt ungeachtet der sakralen Ausrichtung  einfach einige grundlegende Ansprüche nicht, um als Musikalben zu funktionieren.
Die Platte hat etwa nicht nur keinen sinnigen Fluss, indem sie im Grunde eher wahllos Songs ohne Spannungsbogen aneinanderreiht, weswegen man als Hörer irgendwann das Interesse verliert – obwohl sich West und die hierbei federführenden Experten wie Ray Romolus, Ant Clemons, Philip Cornish, Jason White und vor allem Nikki Grier durchaus geschickt darin erweisen, die relativ  minimalistische – oder zumindest niemals nach Oppulenz gierende – Inszenierung durch eine Varianz in der Dynamik zu halten. Sondern sie ist dabei auch schlicht viel, viel, viel zu lang geraten: Selbst mit der größten Erlöser-Euphorie lässt dies eher früher als später auf Durchzug schalten. Schlimmer sogar: Mehr noch mäandern die meisten Songs rein kompositorisch enorm redundant und nerven (auffälligerweise gerade wenn sie über eine Spielzeit von 3 Minuten überschreiten, ohne dabei einen tatsächlichen Jam zu starten) mit ihren permanenten Wiederholungen. Jede Nummer hier hätte um gut zwei Drittel ihrer Länge gekürzt werden können Dass Jesus is Born dabei zudem handwerklich ambivalent gut gemacht ist, passt ins Bild: Die Produktion an sich ist etwa angenehm asketisch geraten, fängt den vermeintlichen „Live“-Vibe mit einer archaischen Hochglanz-Verweigerung ein, wo der Mix allerdings viel zu dünn geraten ist.

Wenn man sich vor Ohren hält, zu welch überwältigenden Szenen Chöre anderswo fähig sind, führt all das dazu, dass The Samples vor diesem Hintergrund seltsam euphorielos keine Gänsehaut aufkommen lassen, durch die überschaubare Bandbreite der Performance auch zur Gleichförmigkeit neigen. In dieser Zweckmäßigkeit hat Jesus is Born gerade auf kompaktere Szenen dosiert allerdings durchaus aufzeigende Momente der Erleuchtung im Gemisch aus Traditionals, Cover-Nummern und neuen Songs, wenn auch immer mit enervierend-eierndem Beigeschmack. Count Your Blessings klimpert soulig am Piano und zieht sich unendlich in die Länge, wo auch Revelations 19:1 mit feiner Brass-Sektion und satter Bassdrum organisch die Repetition feiert. Rain hat ein leicht jazziges Flair mit Brainfeeder’eskem Bass und Lounge-Ambiente. Lift Up Your Voices betört mit einer verträumten Vernissage-Atmosphäre und viel weicher Harmonie, More Than Anything soliert ausnahmsweise stärker im Rampenlicht. That’s How the Good Lord Works kommt durch seine flapsigen Handclaps angenehm unbeschwert und locker, aber elegant aufgehend arrangiert daher. Souls Anchored hat einen knackigen Call and Response-Vibe und Paradise gelingt sogar ziemlich wundervoll.
Doch die Momente, die angesichts des Kontextes überhaupt erst an Bord holen (thematikfern, aber trotz allem immer noch am Output des Entertainers West interessiert – wenn auch aktuell eher als unbefriedigender Katastrophentourist), nämlich die The Life of Pablo-Anknüpfungspunkte an die bisherige Diskografie des Bannerträgers Kanye, erweisen sich als durchaus enttäuschende Assimilierungen. Father Stretch löst zwar die Bremse und verfällt in einen zuckernden Groove, die Interpretation von Follow Me pumpt jedoch smart und stompend-rumpelnd in ein wenig erhebendes Faith hinein, wo Ultralight Beam als die offensichtlichste Steilvorlage für Kanyes Gospel-Hype komplett ideenlos und kreativbefreit wiedergekäut wird.Er sei „nicht hier, um die Leute zu unterhalten“, diktierte Kanye ja zuletzt gerne über seine aktuelle Marotte. Sein Job sei es vielmehr „Jesus Christus zu dienen, die Frohe Botschaft zu verkünden und die Menschen wissen zu lassen, was Jesus für ihn getan hat„. Genau danach klingt West in der uninteressantesten, ambitionslosesten und trotzdem gar nicht notwendigerweise absurdesten Phase seiner bisherigen Karriere dann auch, wenn er dem Sunday Servive Choir bedeutungsschwanger vornewegmarschiert, letztendlich aber in dessen professioneller Egalität ein gutes Stück weit untergeht.

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