The Low Anthem – The Salt Doll Went to Measure the Depth of the Sea

von am 3. März 2018 in Album

The Low Anthem – The Salt Doll Went to Measure the Depth of the Sea

The Low Anthem machen nach den elektronischen Irritierungen des so mutigen wie gegenstandslosen Eyeland auf The Salt Doll Went to Measure the Depth of the Sea den stilistischen Schritt zurück und finden an der Schnittstelle zum leisetretenden Folk der alten Tage den Missing Link zu entrückten Pop-Skizzen. Das ist gleichzeitig unwirklich betörend, wie letztendlich auf Sicht doch auch um das Quäntchen zu flüchtig geraten.

Es fühlt sich an, als hätte The Salt Doll Went to Measure the Depth of the Sea zwischen Smart Flesh (2011) und Eyeland erscheinen müssen, um eine logische Evolution im Sound des Quartetts aus Rhode Island abzubilden. Der umgekehrte Weg könnte nun freilich dazu führen, dass all jene Fans, die nach wie vor den Schönheiten rund um Oh My God, Charlie Darwin  nachhängen, aber über den avantgardistisch experimentierenden Vorgänger von 2016 verloren gegangen sind, wieder zurück in die Arme von The Low Anthem finden.
The Salt Doll Went to Measure the Depth of the Sea ist nun jedoch keine Kompromisslösung geworden, sondern das Dokument einer Band, die gleichermaßen ihren Frieden mit ihren eigenen Stärken wie den darüber hinausgehenden Ambitionen gemacht zu haben scheint. Album Nummer 6 übersetzt das Low Anthem‘sche Verständnis für bescheiden bleibende Harmonien mit der flackernden Steckdosenabhängigkeit von Eyeland, leise Beats schieben sich unter ätherisch schwebende Post Folk-Weichzeichner mit vorsichtigem Country-Ursprung, die elektronischen Produktion unterspült die Platte als Annäherung an Konsorten wie Mount Eerie, Bon Iver oder Sufjan Stevens.

Der Hybrid The Salt Doll Went to Measure the Depth of the Sea verzichtet auf Konventionen und erklärt den sinnierenden Hörer selbst zum Resonanzkörper, existiert erst über die Erfahrungen aus Eyeland, ist als weiteres Konzeptwerk aber primär keine ausschließliche Platte für den Intellekt mehr, sondern eine für die uneilig in den weiten Ozean hinabsinkende Seele. Dafür tauschen The Low Anthem die spannende, aber bisweilen zu bemühte Zerschossenheit des Vorgängers gegen eine unterschwellige Nachvollziehbarkeit ein, die wieder intuitiver gestrickt wirkt und angenehmer (nebenbei) zu konsumieren ist.
Immer noch destilieren die Ideen der Band so frei schwebend im Äther, gehen diesmal allerdings ohne den Zwang etwai konkret werdendes Songwriting strikt vermeiden zu müssen wieder schlüssiger auf und finden gerade in der immanenten Friedlichkeit ihre Form von Reibungspunkten. Sachte Melodien und die fragil in hohen Lagen gehauchte Stimme von Ben Knox Miller lullen da ein, streicheln wie ein Flüstern, umgehen mit ihrer Zugänglichkeit das Bedürftnis nach Strukturen. An der Gabelung aus früher Eleganz und dem späten Willen zur Herausforderung entstehen so kaum greifbare Flüchtigkeiten, unheimlich zart und fragil.

Schon Bone of Sailor, Bone of Bird ist vornehmlich auf zurückgenommene Keyboardakkorde gebaut, klingt wie ein entschleunigtes Schlaflied für Kid A, das seine dezenten Streicher am Ende eher als unverbindlichen Vorschlag formuliert – ein Final Transmission From the Driving Umbrella wird diesen am anderen Ende der Platte mit einer Nuance von Orchester-Opulenz vorsichtig einlösen.
Abseits davon sind ein River Brine oder das famos knisternde Give My Body Back auf einsamen Akustikgitarren geklampft, lassen aber für die Refrains tröpfelnde Pianoverführungen zu. Organische Ingredienzen aus der Waldhütte unter Wasser gedeihen hier in den vielschichtigen Elektroniktexturen, während The Low Anthem alleine hier klarstellen, dass sie natürlich jene Art von Ohrwürmern schreiben hätten können, die schon Oh My God, Charlie Darwin umgarnten – wollten sie aber nicht.
Stattdessen träumt sich die (mittlerweile oftmals eher wie ein Soloprojekt klingende) Band durch behutsam minimalistische Folktronica, die gerade auch den Raum zwischen den Tönen für weitschweifende Imaginationen (natürlich in erster Linie sich aufdrängende Meeresanalogien) nutzt. Maritime Elegien wie Drowsy Dowsing Dolls und The Krill Whistle their Fight Song sind ambiente Klangwelten mit meditativ eingewoben klickernden Rhythmen, während The Salt Doll Went to Measure the Depth of the Sea hinten raus schon vergleichsweise konkret wird. Wenn die kraxelnde Downbeat-Instrumentaloase Dotwav Gedanken schweifen lässt oder Cy Twombly by Campfire schwurbelnde Soundflächen mit einen schon beinahe groovenden Beat in den Trip Hop verführen. All diese Songs funktionieren auch für sich genommen, entfalten sich jedoch im Kontext deutlich nachhaltiger, fließen subtil ineinander über, sind gerade im Verbund stille Ahnungen leise tröstender Unverbindlichkeiten, die keinerlei Hartnäckigkeit evozieren.
So schön das dann auch ist: Ein wenig zu sehr plätschert das keineswegs langweilige, aber eben zu gleichförmig keinerlei Amplituden forcierende The Salt Doll Went to Measure the Depth of the Sea über ein wenig zu vergänglich-kurze 32 Minuten, da von der zutiefst homogene Reise zumeist nicht mehr als eine vage Erinnerungen an die gefällig Anmut bleibt.

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