Yeah Yeah Yeahs – Mosquito

von am 16. April 2013 in Album

Yeah Yeah Yeahs – Mosquito

Die Legende geht, dass die einzelnen Mitglieder der Yeah Yeah Yeahs seit der mit gemischten Gefühlen in Empfang genommenen Stilumkehr ‚It’s Blitz!‚ vor vier Jahren immer dann am besten sind, wenn sie eigentlich nichts miteinander zu tun haben. ‚Mosquito‚ besinnt sich nun in vielerlei Hinsicht wieder auf verloren geglaubte Stärken, schafft es aber nur in Teilen über den Eindruck eines ambitionierten Art-Rock Fleckerlteppich hinaus.

Als am Beginn des aktuellen Jahrtausends die Flut der artsy Garagenrocker unter anderen Hotspots vor Allem aus New York gar kein Ende nehmen wollte, waren die Yeah Yeah Yeahs Fluch und Segen gleichermaßen. Auf die Fahnen geschrieben die hippsten der Hippen sein zu wollen, mit Karen O. einer Merill Beth „Peaches“ Nisker in Extrovertiertheit in nichts nachstehenden Frontfrau, und einem furiosen Debutalbum im Gepäck ging man einerseits auf leichten Publikumsfang, musste sich aber auch gefallen lassen, als kurzlebiger neuer heißer Scheiß, der nach ein paar verschwitzten Shows schnell wieder vergessen sein wird, abgestempelt zu werden. Nix da, mit ‚Show Your Bones‚ wurde 2006 eines der Indierock-Alben der 00er Jahre vorgelegt, dass mit einer legeren Perfektion die schon auf dem Debut durchschimmernden, brillianten songschreiberischen Talente von Gitarrenzampano Nick Zinner mit der leidenschaftlichen Energie über die sich die Band einen Namen gemacht hat kombiniert hat, und getrost als Meisterwerk der New Yorker bezeichnet werden kann. Die in die selbe Kerbe schlagende und ebenso gelungene ‚Is Is‚ EP rundete diese Schaffensperiode der Yeah Yeah Yeahs bilderbuchartig ab.

Denn danach wandte man sich dem Dancefloor zu. ‚It’s Blitz!‚ umging 2009 jegliche Erwartungshaltungen indem man völlig weg ging von emotionaler Gitarrenmusik für stickige Clubs, und sich von nun an bis auf wenige Ausnahmen gänzlich synthiegetragener Tanzmusik hingab. Das konnte als Weiterentwicklung und irgendwo passende Stilanpassung betrachtet werden, stieß einige Fans, die wenn sie an das dritte Album der Band denken in erster Linie die intimen akustischen Bonustracks in Erinnerung haben, aber mit seiner durchaus kühlen Kalkulierung und dem schmerzlichen Fehlen markanter musikalischer Höhepunkte vor den Kopf.

Die erste Single und direkt der Opener von ‚Mosquito‘, ‚Sacrilege‚, ließ da nach angemessen eingependelten Erwartungshaltungen durchaus erst mal aufhorchen. Karen O. schmachtet, quietscht und faucht über eine gelassene Basslinie und einem funkigen Drumgroove des inzwischen zum Yeti mutierten, immer schon im besten Sinne zweckdienlichen Brian Chase, bevor Nick Zinner im Refrain mit der ohrwurmverdächtigsten Gitarrenlinie des Jahres in das Album startet. ‚Sacrilege‚ hat das laszive Feuer von ‚Fever To Tell‚, den Charme von ‚Show Your Bones‚, und benötigt nicht zuletzt einen sich in seiner Euphorie fast überschlagenden Gospelchor um sich nach knapp vier Minuten angemessen zu verabschieden, ohne weniger als den Eindruck zu hinterlassen, dass sie’s ja doch noch können. Vorneweg: aufbrausender als dieser einleitende Energieschub wird es auf ‚Mosquito‚ nicht mehr.

Obwohl mit ‚Subway‚ direkt das nächste Highlight folgt, wird man bereits nach überstandener Gospel tour-de-force das Gefühl nicht ganz los, dass das hier alles eigentlich irgendwie anders gehört. ‚Subway‚ ist ein im Kosmos der Yeah Yeah Yeahs gesehen wunderbar gelungenes, ruhiges ambientlastiges Indiekleinod, dass U-Bahngeräusche als Percussion ebenso geschickt einbindet wie Karen O.’s brüchigen Falsettgesang, und damit einerseits eine wunderbare Atmosphäre die man sich auf dem regulären „Album“part der synthetischen ‚It’s Blitz!‚ so nur wünschen konnte, andererseits aber auch völlig konträr zur einleitenden Stimmungsbombe daherkommt. Was prinzipiell nicht als Kritikpunkt zu verstehen ist, den weiteren Verlauf von ‚Mosquito‚ jedoch vorwegnimmt.

Das größte Problem der Platte liegt nämlich in der Tatsache, dass man es beinahe durchwegs mit zumindest vernünftigen Ideen für Songs zu tun hat, die gerade im Mittelteil leider in höchstem Maße unausgegoren, nicht zu Ende gedacht, und wie willkürlich dahingekritzelt wirken, und so nicht wirklich etwas wie einen Albumfluss auftreten lassen. Der Titelsong zeigt sich bereits ziemlich deutlich als ein Beispiel dafür, eine blutleere, witzlose Version von ‚Bang‚, denkbar schlecht als Namens- und Inspirationsgeber für Album und das in seiner subtilen Schönheit an „Die total kaputten Kids“ gemahnende Artwork gewählt. Es „repräsentativ“ zu nennen würde den Bogen jedoch überspannen.

Im immens ausgefransten, mit viel Hall und ziellos klackernder Elektronik versehenen Kern des Albums sticht neben dem handgebremsten Finale von ‚Slave‚ das sich angemessen Zeit nehmende ‚These Paths‚ als kleines Highlight hervor, eine kaputt glitchige Dark Disco Nummer an der wohl auch Geoff Barrow seine Freude hätte. Im krassen Gegensatz dazu hätte man sich das nervig auf Teufel komm raus rocken wollende ‚Area 52‚ direkt im Anschluss am besten komplett gespart. Kurios leitet ‚Buried Alive‚ in das versöhnliche letzte Drittel von ‚Mosquito‚, in das plötzlich wie der Elefant im Porzellanladen das zeitreisende Alter Ego von Rap-Weirdo Kool Keith, der außerirdische Gynäkologe Dr. Octagon, völlig unvermittelt nach fünf Jahren Pause von den Toten zurückkehrt, und ebenso schnell wieder verschwindet wie er aufgetaucht ist. Ein an sich gelungener Song mit einer der Frühzeit der Band die Ehre erweisenden Gitarrenlinie zu Beginn, der sich aber eben auch programmatisch für die Zerissenheit der Platte zeigt.

Während ‚Always‚ sich noch mit shoegaziger Katerstimmung gen My Bloody Valentine hangelt, wird man mit dem ohne Einwände als ziemlich abgespeckte Version von ‚Cheated Hearts‚ oder ‚Y Control‚ durchgehenden ‚Despair‚ mit einem Hauch von diesem gewissen ‚Show Your Bones‚ Augenzwinkern ans Ende des Albums begleitet, nach dessem halbepischen Finale eigentlich auch Schluss sein könnte. Da wir es aber hier mit einer Ansammlung von Songs zu tun haben, in die die Band nach eigener Aussage wie noch nie zuvor Gefühl reingepackt hat, beendet der ‚Wedding Song‘, den Karen O. – richtig – anlässlich ihrer Hochzeit im Jahr 2011 geschrieben hat den Reigen. Ein durchaus hübscher, einfühlsam hymnischer Schlusspunkt, der an die besseren Momente von Bat For Lashes erinnert, und sein bestechendes Folk-Grundgerüst – ebenso wie ‚Despair‚ übrigens – tatsächlich erst als akustischer Bonus Track auf der Deluxe Edition von ‚Mosquito‚ offenbart. Ein Schelm, wer ‚It’s Blitz!‚ Parallelen dabei zieht.

Mosquito‚ ist am Ende beileibe kein misslungenes Yeah Yeah Yeahs Album, von ‚It’s Blitz‚ aus gesehen sogar ein (willkommener) Schritt zur Seite und einer zurück – was für verprellte Fans bis zur ‚Is Is‚ EP zumindest ein Ansporn sein sollte, ein Ohr zu riskieren. Oft genug schimmert die alles überstrahlende Qualität von ‚Show Your Bones‚ durch, und kombiniert sich mit der plakativen Durchgeknalltheit der Anfangstage und dem unterkühlten Neuland, das bis vor kurzem noch bewirtschaftet wurde, zu vernünftigen Ergänzungen im Backkatalog der Band. Das vermittelte Gefühl des Ideenpatchworks kann ‚Mosquito‚ aber selten ganz abschütteln, genauso wie den Eindruck, dass die Yeah Yeah Yeahs nicht drauf warten können, die Songs in einem anderen Kontext – sprich: live – zu präsentieren.

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