Zach Bryan – All My Homies Hate Ticketmaster (Live from Red Rocks)
Vor Writers and Fighters ist noch mitten drinnen in American Heartbreak und dem, was davor kam: Zach Bryan schießt mit dem überraschend veröffentlichten All My Homies Hate Ticketmaster (Live from Red Rocks) mit einem potentiellen Albumtitel des Jahres gegen den verhassten Konzertkarten-Giganten.
Besucht man Livekonzerte, kommt man seit einiger Zeit nicht an der Kontroverse vorbei, dass Livenation/Ticketmaster aufgrund ihres „dynamischen Preismodells“ ein kostspieliges Desaster für Fans ist. Auch wenn die Lage in den USA diesbezüglich weitaus angespannter zu sein scheint als in Europa, ist es auch bei uns inzwischen keine Ausnahme, wenn beispielsweise FOS-Karten für die Chili Peppers hierzulande auf Ticketmaster im direkten Vergleich zu öticket zum selben Zeitpunkt mehr als das doppelte kosten können – alles im Namen der Gerechtigkeit, um Scalpern zuvorzukommen. Absolut vernünftig!
„Seems there is a massive issue with fair ticket prices to live shows lately. I have met kids at my shows who have paid upwards of four-hundred bucks to be there and I’m done with it!“ sagt Bryan jedenfalls zu der Sache, kündigt eine möglichst günstige Tour für 2023 an und veröffentlicht bis dahin schonmal das superb betitelte All My Homies Hate Ticketmaster (Live from Red Rocks).
Am 3. November 2022 schneite es rund um die legendäre Open Air-Location in Colorado so stark, dass die zuständige Parkaufsicht das für den Abend angesetzt Konzert von Zach Bryan absagen wollte. Keine Option für den Musiker, der hier immerhin den prolongierten Höhepunkt seiner aktuellen Tour vor ausverkauften Haus ansteuerte. Als Kompromiss wurde der Beginn der Show nach vorne verlegt, die Setlist verkürzt und von den Vorbands blieb nur 86’d übrig – Jonathan Peyton und Charles Wesley Godwin blieben als Supportacts auf der Strecke, durften dafür aber mit Bryan’s Band im Rücken das Hauptset in Form von John Denvers (hier vielleicht etwas zu brachial einen auf Entertainment machenden) Take Me Home, Country Roads eröffnen – und die Stimmung der textsicheren Menge ist von der ersten Sekunde trotz eisiger Temperaturen tatsächlich euphorisch.
In dieser Ausgangslage reiht ein ideal aufgelegter, supersympathisch und bodenständig daherkommender Bryan frenetisch gefeierte Hits an ältere Songs aus seinem umfangreichen Repertoire: die 24 Songs des Mitschnitts (nur Quiet, Heavy Dreams fehlt leider) lassen zwar einige Lieblingssongs wie The Outskirts oder Starved vermissen, während die intimen, ruhigen Passagen – also subjektiv die beste Seite des 26 jährigen Musikers – in diesem ausgelassenen Setting freilich zweitrangig sind, doch lässt jede Sekunde der insgesamt 97 vorgelegten Minuten erahnen, warum der vor Spielfreude und Leidenschaft Funken sprühende Auftritt in Fankreisen längst einen legendären Ruf geniest – inklusive Anekdoten darüber, wie Bryan dem Publikum heiße Schokolade und Handschuhe spendiert, oder einer aus Wisconsin angereisten und in einen Verkehrsunfall verwickelten Gruppe gar das Mietauto zahlt.
Die Qualität der Aufnahme passt zudem, was All My Homies Hate Ticketmaster (Live from Red Rocks) hinter seinem Statement-Titel zu einem absolut runden Weihnachtsgeschenk macht. Schade nur, dass das Album (zumindest vorerst) keine physische Version bekommt.
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