Ὁπλίτης – Ψευδομένη

von am 16. Februar 2023 in Album

Ὁπλίτης  – Ψευδομένη

Dass das angekündigte Ende von Serpent Column eine schmerzhafte Lücke hinterlassen würde, war Liu Zhenyang wohl schon 2021 klar. Als Λοιδορία hat er sich deswegen die Plattform Ὁπλίτης geschaffen und legt mit Ψευδομένη nun deren Debütalbum vor.

Der seine Bands prinzipiell als im Alleingang besetzte One Man-Projekte betreibenden Chinese hat bisher vor allem unter dem Pseudonym J.L als Vitriolic Sage von sich reden gemacht, ist pünktlich zum Jahreswechsel (und rund 12 Monate nach der ersten Vorstellung auf Ἡ εἰκών) nun aber unter dem Banner Hoplites in aller Munde – zumindest dort, wo es um den stark Math-infizierten Brückenschlag aus Death und Black Metal geht.
Obwohl Ψευδομένη eine Platte ist, die ohne das Erbe von Deathspell Omega oder die daraus entstandenen Perspektiven von Plebeian Grandstand sicher nicht existieren hätte können, kommt man bei den aufgefahrenen 37 Minuten allerdings eben zu allererst auf keinen Fall um die Erwähnung von Serpent Column herum, die für Ὁπλίτης (nicht nur stilistisch, sondern auch ästhetisch (mit der mythologischen Prägung sowie der die Band instinktiv nach Griechenland verortenden Texte und Titel) die absolut notwendige Referenz darstellt.

Die imposanten Fußspuren der ungefähr 2020 aufgelösten Band kann Ὁπλίτης zwar nicht ganz ausfüllen. Dafür hatten Serpent Column alleine schon einen interessanteren Sound und einen spezielleren Charakter in der Inszenierung. Vor allem die aus der Dose programmierten Killer-Drums von Ψευδομένη klingen im direkten Vergleich zum brillanten Spiel von Maya Chun einfach eine Spur zu perfekt und auch steril, derweil die Riffs hier oft mit weniger Prägnanz agieren, und das Songwriting der beerdigten Blaupause grundlegend spannender und individueller aufzeigende Ideen zu bieten hatte. Kurzum: Serpent Column ist stets zumindest um das kleine Quäntchen besser als Ὁπλίτης.
Als versierter Epigone serviert Λοιδορία  aber praktisch das nahezu ideale Methadonprogramm – denn hinter einer extrem intensiven, unmittelbar packenden Energie voll fiebriger Spielwut, der wirklich supertighten Performance und einer ausgezeichneten Produktion (die jedes Element der Platte differenzierter als noch auf Ἡ εἰκών darstellt) bietet Ψευδομένη  einen schlicht atemberaubend starken Inhalt, der in einem zwingenden Spannungsbogen ohne Ausfall von Highlight zu Highlight hastet.

Das fuchsteufelswild in Schüben erwachende Δημήτηρ faucht und keift von der Tarantel gestochen atonal zum Grind, die Drumspuren lauern und rasen im Stop-and-Go-Wahnsinn, derweil Ψευδόμαντις auf eine manische Math-Dramatik setzt, deren melodische Hymnik durch das hochpräzise Chaos wirbelt und Ψευδομάρτυς auf Highspeed tackernd rockt, straight im beißenden Sog zum Hardcore kurbelt und damit die atemlose, kaum zu bändigende und sofort an Bord holende Eingangsphase der Platte beschließt, in der die volle Bandbreite der Radikalität ihre Wurzeln schlägt – und in weiterer Folge progressiver erblüht.
Ὁ τῶν δακρύων ψεῦδος stampft beschwörend, kultiviert endgültig die mystische Seite und vertieft die Atmosphäre, kippt seine Riffkaskaden in eine repetitive Trance, flüstert und haucht als Herzstück zwischen Portal und Kryatjurr of Desert Ahd, wo Ὁ τῶν δακρύων ἄγγελος breitbeinig headbangend losplatzt und seine Gitarren als Kaleidoskop verschraubt, immer neue Kaskaden exzessiv uaskotzt – mögen die Drums dem ganzen ohne die Bestialität des Organischen auch ein bisschen an roher Aggressivität nehmen.

Μάντις ist ein heavy Slo-Mo-Thrasher, der irgendwann in Rage aufs Gaspedal steigt und als Foreshadowing zu The Dillinger Escape Plan schielt – auch das finale Δηλητήρ wird dort im Mathcore beginnen, bevor stoisch und monoton ein düster geflüsterter, leiser Horror-Ambient erzählt und stimmungsvoll entlässt.
Dazwischen eskaliert die Lage in extremen Amplituden (wenn Μάρτυς ein Blast-Inferno schrille Gitarren zum Ringelspiel im wahnsinnigen Tempo mit zerhackter Brutalität aufruft und Θελκτήριον seine Saiten unmittelbar danach zu einem giftige Spinnennetz und Geflecht spannt, bevor die Hatz kakophonisch herausfordernd detoniert und doch das okkulte Drone-Durchatmen findet), funktioniert das ganze Album wie aus einem Guss und wirkt trotz seiner eklektischen, seine Bezüge so offen darlegenden Veranlagung absolut schlüssig für sich selbst sprechend – und ist im Zweifelsfall dann eben auch mehr als ein bloßes Adaptieren der Tugenden einer verschwundenen Großmacht: Ψευδομένη hat ein klares Idol, zeigt aber über den verschlungenen Mittelteil und gerade hinten raus, in der (manchmal auch mäandernden) Atmosphärearbeit auf, dass wir es hier nicht mit einem bloßen Imitat zu tun haben. Und selbst wenn es „nur“ das wäre, könnte sich Katartisis kaum einen besseren Nachfolger wünschen.

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