Behemoth – I Loved You at Your Darkest

von am 22. Oktober 2018 in Album

Behemoth – I Loved You at Your Darkest

Mit dem zum gigantischen Bombast strebenden, dezidiert das Meisterwerk anvisieren wollenden The Satanist sind Behemoth endgültig über die Blackened Death Metal-Grenzen in der konsenstauglichen Wahrnehmung der Masse angekommen. Nergal ist nun schlau genug, um vier Jahre später den Spagat zu wagen: I Loved You at Your Darkest geht nicht an der Größe seines Vorgängers zu Grunde und nimmt das gewachsene Publikum dabei über ein flexibleres, weniger extremes Songwriting mit.

Inhaltlich mögen die Ketzer von Behemoth in ihrem ermüdend plakativen Anprangern der katholischen Kirche längst wie eine prätentiös hängen gebliebene Schallplatte klingen: Über pathetisch deklarierende Kinderchöre im Intro Solve („Living God! – I shall not the forgive!/ Jesus Christ! – I forgive thee not!„) vermisst I Loved You at Your Darkest inhaltlich ausnahmslos altbekannte Attacken, bietet neben pseudoprovokante Zeilen wie „Love me orgasmically/ Fuck me ecstatically/ Genetrix meretix“ klerikal-ätzende Abrechnungen bis hin zu erschreckend dumpfen Songtiteln ala God = Dog.
Dass Nergal, Inferno, Orion und Seth für eben diese kalkulierte Single erst einen auf die falsche Fährte führenden Rhythmus beschwören, diesen jedoch schnell atemlos in die Spur zum waschecht rasenden Hit samt Gregorian Chants, aufgegriffener cheesy Intro-Rekonstruktion und einem epischen Finale ohne jedes Understatement prügeln, deklarierte dann aber auch schon vorab, dass Behemoth die Erfolgsformel von The Satanist fortsetzen, für ihr elftes Studioalbum allerdings nicht bedingungslos kopieren würden. Immer wieder durchziehen deswegen gniedelnde Metal-Soli und akustische Intermezzi das an der Basis der Hörerschaft keineswegs auf Nummer Sicher gehende, für Neuankömmlige aber aber aufgeschlossene I Loved You at Your Darkest, tauchen gar Ahnungen hardrockender Versatzstücke und Arena-Stimmungen auf, auch Nergals erster Ausflug mit Me and That Man hat Spuren hinterlassen.
Das martialisch polternde Bartzabel positioniert sich so etwa sogar als sakrale Messe im zurückgenommen, nachdenklichen Goth-Klang mit klarer Stimme in pulsierenden Eruptionen. Puristen erkennen das Sakrileg, Nergal aber will seine Band beachtenswerterweise weiter wachsen sehen.

Musikalisch bietet I Loved You at Your Darkest den Hohheitsgebieten von Behemoth deswegen also durchaus neue Perspektiven – auch wenn diese über weite Strecken letztendlich eine leichtere Verdaulichkeit bedingen, alleine die (nicht entsprechend mutige) Produktion so stromlinienförmig wie möglich daherkommt und der Kern der Band so vor allem aufweicht wird. I Loved You at Your Darkest wirkt phasenweise hinter einer nicht nur pflichtschuldigen Aggression wie eine zu bekömmliche Raserei in betont majestätischer Auslegung, die allerdings gerade im Vergleich zu etwaigen vergangenen Höchstleistungen der hauseigenen Diskografie wie ein Teufelstanz in der Middle of the Road anmutet, Massentauglichkeit im Zweifelsfall meist vor Radikalität stellt und genau genommen nur wenige wirklich ikonische Riffs oder Szenen provoziert.
Der Fluss der Platte mag dynamisch sein und die Struktur breitgefächerter und doch stringent, das Auftreten trotz polierter Kanten kohärent, gerade am Stück. Doch haben Behemoth eine Platte produziert, die beinahe ausnahmslos im Kontext des eigenen Schaffens interessant ist, weil sie etablierte Reibungsflächen minimiert und Auftrittsflächen maximiert, den Willen zur polarisierenden Entwicklung zeigt. Abseits davon und darüber hinaus ist I Loved You at Your Darkest aber oft nur eine gute Gateway-Platte des Blackened Death, die emotional nicht in die Tiefe geht und sich immer wieder am Anpreisen von Gimmicks zu verheben droht. Wenn Ecclesia Diaboliva Catholica etwa starkes Malen nach Zahlen darstellt, aber dennoch ohne Ermüdungserscheinungen bestialisch bollert, wirkt das eingestreute kurze Durchatmen am Lagerfeuer beispielsweise rein willkürlich, weil es nur existiert, damit die Intensität des archetypischen Finales noch einmal künstlich überhöht wird.

Andererseits prolongiert I Loved You at Your Darkest auch immer wieder berauschend konsequente Exzesse, die keinen Zweifel daran lassen, warum die immer größer werdenden Massen Nergal und seinen Helfern zu Recht weiterhin gierig aus den Händen fressen werden:
Das starke Wolves ov Siberia rasiert verdammt ordentlich dahin, die stampfende Stadion-Bridge hätte es nicht gebraucht, später heult Nergal vor dem Beschleunigung klischeehaft den Mond an – sei’s drum: Eine Machtdemonstration! If Crucifixion Was Not Enough… galoppiert munter greinend mit dominant schillernder Gitarre, die mit viel Tremolo irgendwann herrlich progressiv den Black Metal hofiert – obgleich sich die Komposition später unschlüssig verliert. Angelvs XIII macht dagegen ein chaotisches Fass auf, als gelte es Kvelertak in einen sich selbst verschluckenden Strudel aus überlappenden Vocals, triumphal gestikulierenden Harmonien, hummelartigen Soli und Thrash-würdigen Gitarrentexturen zu werfen. Sabbath Mater hämmert in Richtung eines bierselig kumpelhaften Refrains, bis Behemoth auf die Autobahn Richtung Guilty Gear abbiegen, dann aber zu mäandernd und repetitiv polgern. Havohej Pantocrator nimmt sich dagegen lange Zeit um Spannungen aufzubauen, die ein heroisches Schlachtfeld zu erzeugen, auf dem sich die ureinige Armee Behemoths mit symphonischer Melodramatik aufwiegelt, bevor Rom 5:8 mit theatralische Düsternis im Wechselspiel aus Midtempo und Blastbeats als Füller den soliden Bandstandart herunterspult.

Auch We Are the Next 1000 Years ist über weite Strecken ein verantwortungsloser Baukasten, der nur durch die toll hetzende Performance einer unheimlich muskulösen Band Gewicht bekommt – hinten raus durch die zur Bridge hin erzeugte Weite besticht. Ein für sich genommen unfertiges Szenario, das erst im Verbund mit Coagvla halbwegs schlüssig funktioniert – indem Behemoth ein epochal-bombastischen Crescendo anrühren, dass als Abspann aus einem nicht restlos befriedigenden Übergangswerk entlässt.
Dem Rahmen der alchemistischen Schlüsselformel Löse und Verbinde krönen die Polen insofern nur teilweise mit Erfolg: Mag das Analysieren, Trennen oder Auflösen einer Eigenschaft treffsicher gelingen,  führt das anschließende Zusammenfügen über nicht immer kurzweilige 46 Minuten nicht zwangsläufig zu einem besseren Ergebnis. Dafür ist einerseits die Vorgabe zu groß und das Ergebnis zu ambivalent.
In seinen stärksten Szenen ist I Loved You At Your Darkest trotz einiger leerer Meter allerdings nichtsdestotrotz ein fettes Spektakel, das moderne Standards jenseits der Genre-Scheuklappen mitdefiniert, um abseits der enervierenden lyrischen Eindimensionalität trotz einiger falscher Entscheidungen schlichtweg verdammt viel richtig zu machen. Und sei es nur, die Mutation von Behemoth hin zu einer leichter greifbaren Beliebigkeit keineswegs vollends auf Kosten der Qualität stattfinden zu lassen, den Hang zur Kommerzialität nicht gegen Charakterstärke aufzuwiegen.

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