Billy Nomates – CACTI

von am 8. Februar 2023 in Album

Billy Nomates – CACTI

Die von außen befeuerte Wut tritt in den Hintergrund, die inneren Tumulte sind aufreibend genug: Tor Maries alias Billy Nomates demonstriert auf ihrem Zweitwerk CACTI den Paradigmenwechsel – in mehrerlei Hinsicht.

Immer noch steht die Britin in Angriffsstellung auf den Hinterbeinen, doch hat sich die Kampfzone knapp drei Jahre nach dem Debütalbum Billy Nomates geändert – und Maries spricht gar eine versöhnlichere Einladung dafür aus.
Ihr Post Punk bleibt immer noch reduziert aufgeräumt, hat diesen nunmehr über den Drumcomputer-und-Bass-konzentrierten Minimalismus hinausgehend aber mit allen Facetten des doch merklich gewachsenen Spektrums weiter hin zum breitenwirksameren Synth Pop und tanzbaren Indie-New Wave bewegt. Und vor allem verlässt sich die Frau aus Bristol deswegen im zweiten Anlauf endlich nahezu alleine auf ihre starke Stimme und einen rundum tollen Gesang, agiert im Gesamten tatsächlich näher bei Robyn als bei den Sleaford Mods, weswegen in der Beschäftigung mit sich selbst anstelle der Politik so herrlich schmissige, unkomplizierte Songs voller toller Melodien und catchy Hooks entstehen.

Das pumpend joggende Balance is Gone ist ebenso ein Ohrwurm wie das sinister-verruchte, flimmernd-zappelnde und abgedämpft rasselnde Black Curtains in the Bag – und das flott mit dängelnder Gitarre treibende Blue Bones (Deathwish) ist sowieso eine unmittelbare Smash-Single, der höchstens das bratzend-pumpende, grandiose Rock-Stück Spite in Sachen Hit-Tauglichkeit auf Augenhöhe begegnen kann.
Die emotionale und stilistische Bandbreite und Tiefenwirkung von CACTI ist einfach größer als auf Billy Nomates, wenn der tolle Titelsong das Tempo dystopischer in den kontemplativen Dark Wave drosselt, Saboteur Forcefield gleich darauf verträumt in der Elegie schwelgt oder Roundabout Sadness orgend schwoft, bevor Fawner als augenscheinlich friedliches Balladen-Geklampfe in niedlicher Schönheit eigentlich eine schippernde Trotzreaktion ist. Dass all dies in einer homogenen Ästhetik passiert, die stets die Form/Inhalt-Schere der Widersprüche zwischen Aufbruchstimmung und Sorgentief, Endorphinen und geballten Fäusten synergetisch zusammenbringt gehört da zum grundlegenden Reiz.

Ohne Ausfälle wird der Reigen hinten raus (über das klimpernd durch die Lounge tanzende, aber das gewisse Etwas vermissen lassende Same Gun sowie den am Debüt skandierenden, den Punch auslassenden Kompromiss Vertigo) zwar etwas schwächer, weil alles essentielle schon gesagt zu sein scheint und tatsächliche weitere Überraschungen ausbleiben, doch gelingt dem sehnsüchtig angehauchten Liebling Apathy is Wild mit dem betörend zu The Cure und The The schielenden Closer Blackout Signal (samt seinem wunderbar heißer hinausgeschrieenen Distanz-Finale, das im Gemeinschafts-Modus röhrt) ein absolut versöhnlicher Abschluß.
Dass CACTI zwischen den Zeilen insofern auch manchmal eher wie ein Übergang-Album einer rastlos Getriebenen wirkt, als ein voll ausformuliertes Ankommen, passt eigentlich ganz wunderbar: diese Momentaufnahme steht Billy Nomates subjektiv um so vieles besser als die Haltung des Debüts – und macht Lust auf kommendes.

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