Black Star – No Fear of Time

von am 20. Dezember 2022 in Album

Black Star – No Fear of Time

No Fear of Time ist das erste Black Star-Album seit dem Debüt Mos Def & Talib Kweli Are Black Star von 1998. Jedoch scheinen sich die Beteiligten (ähnlich wie bei Negus seinerzeit)  alle Mühe zu geben, dass nur ja niemand etwas von dieser Rückkehr bemerkt.

Das liegt vor allem daran, dass No Fear of Time exklusiv auf dem seit jeher halb im Sterben liegenden Podcast-Network Luminary veröffentlicht wurde.
Aber auch das generelle Auftreten der Platte spielt eine Rolle im unbedingten Understatement-Auftreten: Zwar hat Meister Madlib die gesamte Platte produziert – und dies gewohnt famos -, dabei aber auf ein relativ unspektakulären Auftreten setzt, indem der leicht abstrakte, permanent mit Soul- und Jazz-Elementen flirrende Boom Bap trotz vieler einprägsamer Züge meistens zurückhaltend (und phasenweise gar unverbindlich und flüchtig im Hintergrund) bleibt, ohne Zwang dahinläuft.
Zumindest relativ: Ein So Be It mit seinem Theme from Don-Leitfaden trumpft als abgedämpfter Bollywood-Blaxploitation-Groove mit orchestralem Vintage-Flair und MF DOOM artigem Style in einer eilig flanierender Lässigkeit auf, die durchaus etwas ikonisches hat.
Trotzdem hätte eine Inklusion der 2011 veröffentlichten Black Star-Single Fix Up im Kontext offenbar ebenso zu wuchtig und prägnant gewirkt, wie das Mitnehmen des leider ausgesparten Herolds Mineral Mountain: Madlibs Backdrop ist niemals belanglos, dient aber den Lyrics und dem Flow der beiden Hauptprotagonisten, und bleibt im Zweifelsfall deswegen stets im lowkey-Modus.

In weiterer Folge wirkt das über 4 Jahre in Hotels und im Backstagebereich der Chappelle Show aufgenommene Werk in Summe ohne zwingenden übergeordneten Spannungsbogen und den knappen Spielzeiten im Mittelteil mit gerade einmal neun Tracks in 33 Minuten auf den ersten Blick sogar beinahe unfertig und skizzenhaft, so locker und leger ist No Fear of Time von jedwedem Druck, der Nachfolger eines Meisterwerks zu sein, befreit.
Zumal sich die immer schon komplementär ausgerichtete Synergie der beiden Rap-Protagonisten zusätzlich verschärft hat, es eher ein Nach- als Miteinander an den Mikros gibt: Kweli agiert aufgewühlter und ambitioniert; sein Gegenüber ist mittlerweile nicht mehr der legendäre Mos Def, sondern Yasiin Bey, der oft (und gerade im Opener o.G., der einen dominierenden Bass durch einen sedativen Halluzinogen-Space auf dem relaxten Beat über Biggie– und Koran-Referenzen zur entrückt gebrachten Hook folgt, die später auch einen vagen Rahmen um das Album schnüren wird) wie im lethargischen Schlafwagen singsangelnd.
Die beiden jeweiligen Solonummern – die rhythmische Lounge Supreme Alchemy auf der einen, My Favorite Band mit repetitiv neben der Spur zerlaufenden Soul-Sample und Beys hiernach immer wieder auftretenden nervendem Pfeifen auf der anderen Seite – wiegen so noch schwerer als es ihre Konterparts auf dem Debüt taten.

Warum ein Gutteil der Menschen, die Fear of Time überhaupt gehört haben, insofern (ob der Liste aller Beteiligten und natürlich nach dem stilprägenden Meisterwerk-Debüt von vor 24 Jahren) enttäuscht über diese pure Understatement-Rückkehr mit latenten A Written Testimony-Vibes ist, ist insofern schon nachvollziehbar.
Der Schlüssel zu dem mit seiner schamanenhaften Stimmung unmittelbar faszinierenden Werk liegt womöglich darin, den Titel der Platte wörtlich zu nehmen – und sich auf die Veränderungen einzulassen, die zu dieser eigenwilligen Platte geführt haben, die kein Spektakel, aber ein hinterrücks süchtig machender szenischer Flickenteppich mit bestechender Handwerkskunst ist.
Dann gibt es ein phasenweise beinahe cinematographisches, ja auch zeitloses Gefühl in all der Subtilität. Die wundervolle Sample von The Edge of Daybreak im soulig mit retrofuturistischen Effekten romantisierenden Sweetheart. Sweethard. Sweetodd., The main thing is to keep the main thing the main thing nickt den Beat zu der sinistren Suspense-Pianolinie samt flimmernden Streichern. Das smoothe Yonders läuft mit einem Oldschool-Wu-Tang-Flair in den Sonnenuntergang, bevor das im gurgelnden Bass-Zeitlupen-Wellengang dösende Freequency von Black Thought überstrahlt wird und das richtig schön versöhnliche Titelstück sich im Geplänkel vertändelt und auflöst: der Zahn der Zeit hat nicht an den Akteuren genagt, ihre Intentionen aber verschoben und mit demütiger Genügsamkeit geformt. No Fear of Time will gar kein Klassiker sein, ihm gefällt die Rolle als die Erwartungshaltungen untertauchender Underdog weitaus besser. Notfalls eben mit ein paar abstrusen Kniffen.

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