Bloc Party – Hymns

von am 19. Januar 2016 in Album

Bloc Party – Hymns

Kele Okereke ist für ‚Hymns‚ nicht nur die halbe Stammbelegschaft abhanden gekommen, sondern weitestgehend auch das Gespür für zwingenden Melodien und treibende Songs, die Bloc Party einst auszeichneten. Insofern war es keine schlechte Entscheidung, äußerst durchwachsene Vorabsingles zu entsenden und die schlimmere davon nun auch an den Beginn eines zweifelhaften Albums zu stellen.

Die Gebete des ‚The Prayer‚ werden trotz „Grace und Dancing Feet“ auf dem eröffnenden ‚The Love Within‚ also nicht erhört – da kann der stur davonlaufende Beat und die fast schon dilettantisch gepitchte Synthielinie noch so effizient in einem ansatzweise schmissigen, vor allem typischen Bloc Party-Refrain münden. Die Grundausrichtung und der Tiefwert des herrschenden Standards ist für das hymnenlose ‚Hymns‚ in weiterer Folge damit jedoch etabliert: Bloc Party klingen 11 Jahre nach dem Debüt genau so, wie Kele „Wir arbeiten jetzt zu den Bürozeiten zwischen 9 und 18 Uhr. (…) Eine Band ist ja vor allem eine Geschäftsbeziehung.“ Okereke und seine austauschbare Backingband einen Blick aus der Bürokratie heraus in den nahenden Feierabend vorstellt, egal ob da der Club oder eine wohlige Kuscheleinheit warten – also irgendwo wie das blutleer und ambitionslose Zurückrudern von ‚[amazon_link id=“B001G4ZANG“ target=“_blank“ ]Intimacy[/amazon_link]‘, wenn man so will.

Dass Bloc Party übrigens selbst auf dem damals geradezu radikal mit den Erwartungshaltungen brechenden Drittwerk eine charakteristischere und charismatischere Einheit von erkennbaren Individuen waren, kann man dann aber selbst über den Befürchtungen ernüchternd finden: Trotz proklamierter Back to the Roots-Ausrichtung („Bloc Party started with just Kele and I, and we used to write the songs together, and we found other people and grew from that. It feels like that’s happened again„) hat sich Russell Lissack bis auf einige wenige Ausflüge mutmaßlich mit einer braven Statistenrolle zufriedengegeben (wo sind alleine die herrlich verzahnten Gitarrenduelle mit Okereke hin?), Menomena-Bassist Justin Harris kommt nicht über eine blass bleibende Funktion als gesichtsloser Erfüllungsgehilfe hinaus, während die Performance von Neo-Schlagzeugerin Louise Bartle ganz ungeachtet der erst so furiosen, zuletzt aber ohnedies gelangweilt wirkenden Fußspuren von Matt Tong angesichts einer unkreativ-eindimensionalen 0815-Darbietung selbst so manch beschränkter Drummaschine die unterforderte Verzweiflung ins Gesicht getrieben hätte – nicht auszurechnen, wie es der Schlagwerkerin über dreieinhalb Minuten gehen muss, wenn man sich schon als Hörer bei der ermüdenden Monotonie der Kele-am-Elektro-Piano-Übung ‚So Real‚ dermaßen langweilt.

Das Vorgängerwerk ‚Four‚ mag vor allem im Rückblick ein hoffnungslos zerfahrenes, bemühter Kraftakt einer bald darauf endgültig implodierenden Band gewesen sein – im Gegensatz zum im konflikfreien Raum erdachten ‚Hymns‚ musste sich das Viertwerk jedoch nicht eine immanente Spannung, Mut und Dynamik absprechen lassen. Ohne sich gegenseitig herausfordernde Reibungspunkte können hier keine großen Songs entstehen, das Songwriting ist selbst in seinen stärksten Phasen Äonen von der hochinfektiösen Prägnanz eines ‚[amazon_link id=“B0006ZIDJO“ target=“_blank“ ]Silent Alarm[/amazon_link]‘ entfernt. Allerdings wachsen hinter der anfänglichen Enttäuschung dann doch einige gefällige Ohrwürmer, die ihre dünnen Substanzen mit abwechselndem Erfolg nutzen.
Only He Can Heal Me‚ baut sein pulsierendes Rhythmusgefühl etwa beinahe sakral auf einen stakkatohaften Backgroundgesang (ein milder Rückblick auf ‚[amazon_link id=“B000WTNDA8″ target=“_blank“ ]A Weekend in the City[/amazon_link]‘ also), ‚The Good News‚ breitet sich irgendwo zwischen bluesigem Gospel, gackerndem Westernflair und anschmiegsam emotionalem Refrain aus: Ein bisschen will man es dann doch jedem Recht machen.
Das schon live bezaubernde, im Minimalismus gegen weichgezeichnete Erhabenheit strahlende ‚Exes‚ entfaltet sich auch als Studioversion traumhaft und wäre dann eigentlich der ideale Schlusspunkt der Platte, verführt aber auch so anstandslos mit seinen wärmenden Harmonien. So leichtfüßig und entspannt wie im charmant-beiläufigen, augenzwinkernden ‚Into The Earth‚ haben Bloc Party vielleicht noch nie geklungen – enervierender als im beinahe sechsminütigen ‚My True Name‚ allerdings auch nicht – da kann auch das gelungene Finale nur wenig aufwerten. Außerdem immer noch besser, als die schimmerndem Neon-Wah-Wah-Effekte in ‚Virtue‚, einer verhinderten Chimäre aus Indierock und Dancefloor-Ambition und der zweiten bockschwachen Totalausfall Single. Wie man Erwartungshaltungen tief stapelt weiß das Quartett jedenfalls.

In Erinnerung bleiben werden vielleicht jedoch ohnedies vor allem die nicht stimmungslose, aber doch deplazierte Neo-Soul und Electro-R&B-Plätscherei ‚Fortress‚ (ein Frank Ocean wird freilich beschämt mit den Augen rollen, wenn das Falsett von dem über die gesamte Spielzeit bisslos bleibenden Okereke nach einer Minute besonders sinnlich „Desire“ flüstert, James Blake oder Jamie Woon käme ein derart simpel und durchsichtig gestrickter Song ohnedies nicht in die Tüte) sowie die an sich enorm atmosphärisch ausgebreitete Schönheit ‚Different Drugs‚ – bei der man allerdings durchaus diskutieren kann, ob die (erschreckenderweise nicht unpassenden!) schlumpfigen Eurodance-Heliumstimmen am Ende tatsächlich die beste Idee waren, um die aufgebaute Intensität aufzulösen.
Aber auch das ist ein grundlegendes Problem der Platte: Oft verlaufen sich vielversprechende Ansätze geradezu abrupt oder verschenken ihr etabliertes Potential ohne zwingende Genieblitze im (oder eben sogar unter dem ) beliebigen Mittelmaß, können keinen Druck aufbauen und hinterlassen weitestgehend kraftlos und schlichtweg unspannend. Die Luft ist zu sehr raus, die nächste Generation längst vorbeigezogen. Was hiernach bleibt ist ein durchwegs unerfüllender, aber paradoxerweise nur selten wirklich danebengegangener Band-Reboot, den man so durchaus bringen kann – wirklich gebraucht hätte es diesen dann aber doch auch nicht. Der nette Closer ‚Living Lux‚ mit seinem wohl episch gemeinten Nebeneinander aus Gesang und Keyboardambiente ist als so versöhnlicher wie orientierungs- und eindrucksloser Schlusspunkt insofern wohl nur allzu symptomatisch für ‚Hymns‚.

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