Boris – Tears E.P.

von am 9. Juli 2019 in EP

Boris – Tears E.P.

Boris bleiben eine unberechenbare Gleichung: Für die Tears EP hat sich das Trio hinter dem Kotao-Cover teilweise in die Produzenten-Hände des Coaltar of the Deepers-Boss Narasaki begeben und jongliert dort mit ironisch aufgebrochener J-Pop-Konsequenz.

Wer den Japanern also primär für ihre (im aktuellen Jahrzehnt ja leider ohnedies nicht mehr derart ekstatisch fesselnden) Drone-Delirien oder schweißtreibenden Rock-Orgien folgt, könnte mit den polarisierenden 25 Minuten dieser EP also durchaus Probleme haben. Das macht schon der unter Narasakis Sadesper Record-Banner produzierte Opener doushitemoanataoyurusenai deutlich – der übrigens zum Abschluß des Kurzformates noch einmal absolut unnötigerweise als Instrumental aufgearbeitet wird. Tears ist jedenfalls unmittelbar drinnen im pumpenden Elektro-J-Pop mit gurgelnden Bass und digitalisiert treibenden Drum-Beat, funkelnden Gitarren und hellen Synthies, der geradezu aufdringlich optimistisch, sonnig und unbeschwert arbeiten möchte, um einen betont fröhlich nach Happyness gierenden Ohrwurm zu erzeugen.

Am Reißbrett mag das vielleicht auch nicht schlecht ausgedacht sein. Und die Nummer scheitert auch nicht restlos an dem, was sie will und tut. Aber ganz abgesehen davon, dass diese Umgebung kein Szenario ist, in dem man Boris subjektiv notwendigerweise hören will oder muß, hat der Song auch ganz losgelöst von seinen Erschaffern einen zu seelenlos und austauschbaren Sound, zeigt keinen Charakter und krankt letztendlich vor allem daran, dass doushitemoanataoyurusenai einfach nicht den infektiösen Spaß macht, den man offenkundig erzeugen will.
Auch symptomatisch: Erst, als die Zügel hinten raus eine etwas ausgelassenere Lockerheit bekommen und man sich beinahe gehen lässt, indem die Gitarre intuitiv zu solvieren beginnt, wird der Song ohne jeden Mut oder Willen zum Exzess langsam ausgeblendet.

Allerdings funktioniert Tears danach durchaus besser. u fu duangeblich ein Vorbote auf ein Album namens 1985? – stampft mit einem erst unterhaltsam-eindimensionalen, irgendwann aber nur noch ermüdend durchschaubar Uf-Zack-Rhythmus (wo sind die Zeiten hin, wo Nagata nicht nur zweckdienlicher Taktgeber war?). Doch der eigentlich Reiz entsteht aus dem Kontrast zwischen den etwas dunkler und tiefer mahlendem Riff sowie dem verführerisch hoch gefistelten Gesang. Trotz plakativer„Wohooo“ und „Oooh Aaaah“-Jauchzer entzieht sich der Song zudem ganz bewusst jeder Konsequenz, reizt sein Auftreten aber eben nach und nach auch aus, ohne einen Geistesblitz anzubieten.
Das folgende Coaltar of the Deepers-Cover von To the Beach ist als Herzstück der EP insofern auch das klare Highlight. Es nähert den Pop-Appeal der Platte stimmiger an latent ruppigere Boris-Gefilde und ist eine liebenswürdige Niedlichkeit, die sich nicht auf dem einfachsten Weg in die Gehörgänge lächeln will, während irgendwo im Dunkeln sogar eine The Body-Hysterie schreit und hinten raus eine verträumt unwirkliche Hymnenhaftigkeit angedeutet wird.
Peaches ist danach nochmal eine umso unsinnigerer im Wave tanzende Imitation des D-Day-Titels, der das Gewicht der Veröffentlichung mit 80er-Bass in Relation setzt, mit seinen herrlich sinnlosen Gaga-Lyrics, den Handclaps und klimpernder Kindermelodie nahe am Original bleibt. Das unterstreicht den kurzweiligen Charme einer Diskografie-Fußnote, die man nicht zerdenken oder überbewerten sollte: Wer für diese Seite von Boris aufgeschlossen ist, wird durchaus einen Unterhaltungswert in der humorvollen EP finden.

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