Coaltar Of the Deepers x Boris – Hello There

von am 11. Februar 2024 in EP

Coaltar Of the Deepers x Boris – Hello There

Die beiden japanischen Großmächte Boris und Coaltar of the Deepers covern sich auf der (mit einem assoziativ säureverätzt-abstrahierten Albtraum-Mickey am Cover daherkommenden) Split EP Hello There selbst, gegenseitig und andere. 

Dass die Ikonen Boris große Fans der vielerorts kultisch verehrten Coaltar of the Deepers sind, ist nicht erst seit 2019 und ihrer Interpretation von To the Beach bekannt. Wenn sich die Band – aktuell werden Atsuo (Vocals & Electronics), Takeshi (Vocals & Guitar) und Wata (Guitar & Echo) auch auf Platte von Muchio an den Drums verstärkt – nun den Song Serial Tear vom 2007er Album Yukari Telepath vornimmt, lässt das also schon ungehört auf eine kompetente Expertise schließen.
Tatsächlich übernehmen Boris das Stück ansatzlos in den eigenen Kanon, lassen es stoischer, massiver und muskulös in Richtung Melvins-Sludge rumoren, bis sich eine Zeitlupe, in der Metallica als Stoner Band in Shibuya auftreten im Orgel-Zwielicht mit Kerosin besäuft und seien multipel geklonten Gesang bis zu Blastbeats verführt.

Davor servieren Boris in direkter Gegenüberstellung mit der eigenen Formkurve bereits zwei Beispiele dafür, was die Alleskönner seit 2020 wieder idealer tun, als im Jahrzehnt davor.
Luna stammt etwa vom 2011er New Album, wo es sich auf einem hetzend pumpenden, knisternd-stampfenden Beat platzierte, dessen schimmernder Märchen-Grind mit sinfonischen Score-Tendenzen ein wirbelndes Spektakel samt jazzigem Ambient-Twist am Ende darstellte. Diese Ausrichtung behält die neue Interpretation zwar weitestgehend bei, doch wird aus dem digitalem Plätschern des Intros jetzt ein Wasserspiel und die lange Spielzeit ein klein wenig destilliert, derweil die Drums gleichzeitig organischer, wuchtiger und fester klingen, während der somnambule Nebel drüber dichter gestrickt wird. Alles packt intensiver, reißt unbedingter mit und irgendwann wummert das gar wie ein verschwitzter Club-Wahn mit epischer Gitarre.
Das Optimierungspotential der Updates setzt sich auch im direkten Übergang zu Quicksilver fort. Der wüste Punkrock-Brecher im Lo-Fi-Outfit von Noise (2014) bekommt mittlerweile von Boris den hysterischen Überbau und die abbremsende Metal-Matte ein wenig gestutzt (und auf das Doom-Drone verzichtet die Band zehn Jahre später ohnedies, wo sie die Texturen im Abgang lieber in eine Art funkelnden Albtraum abtaucht, der gut zur restlichen Attitüde der Split-EP passt), doch spielt das Quartett den Song hier mit dem aggressiven Verve, Druck und Hunger von No und injiziert so ein beißendes Momentum, bevor der Space Rock in der feisten Produktion assig freidreht.

Coaltar of the Deepers (also “Narasaki: Vo, Gtr, Prog; Kanno: Drums, Percs; Nagasawa: Bass; Negishi & Takatori: Gtr; Kenito: Tp“) leben dagegen (primär über or Produktion und den Mix) die hauseigenen Weirdo-Aspekte aus.
In Wipeout bietet eine Art japanisches Hackbrett als poppiges Bubblegum-Motiv den stoisch repetierten Leitfaden, über den sich ein verwaschenes Nu Metal Riff legt, über das später antiquierte Effekte a la The Crystal Method (wie direkt von der Family Values Tour 99 oder dem Spawn-Soundtrack implementiert) legen, während der androgyn entrückte Gesang in der diffusen Methodik der Wiederholung förmlich ersäuft oder von Death-Growls konterkariert wird, und der Shoegaze des Boris-Covers Melody irritierenderweise aus dem Hintergrund heraus vom Fuzz dominiert angetrieben wird. In Waterbird liegt ein ätherischer Dream Pop-Schleier liegt über dem grummelndem Noise-Rock-Stakkato, das letztendlich in einer Casino-Lounge von einem deliranten Virus infiziert wird.
Nur, dass sich Coaltar of the Deepers zum mittlerweile schätzungsweise mindestens dritten Mal einer neuen Perspektive des The Cure-Klassikers Killing an Arab als Killing Another annehmen, drückt den Eindruck dieser Seite von Hello There ein klein wenig: Matador-Fanfaren begrüßen ein aus den Fugen laufendes Delirium aus Drone- und Dark Ambient-Halluzinogenen, aus denen irgendwann eine Art Hardcore Punk heraustragt, ohne sich dafür aber aus dem dämonenhaften Sound zu schälen – was am Papier interessant wirkt, in der Praxis aber unausgegoren nicht zum Punkt findet.

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