David Lynch – The Big Dream

von am 20. Juli 2013 in Album

David Lynch – The Big Dream

Der Ausnahmeregisseur David Lynch hat für seine Spätwerk bekanntlich die Berufung abseits der Kinoleinwand als Musiker gefunden. Zwei Jahre nach seinem überraschend wohlwollend aufgenommenen Debütalbum hat der 67 jährige auf dem Nachfolger zu ‚Crazy Clown Time‚ absolut konkret ausformulierte Vorstellungen wie er klingen möchte. Gerade das stoische Festhalten an diesen Maximen ist dann Trumpf und Achillesferse von ‚The Big Dream‚.

Rundum ist das Zweitwerk von Lynch von vorne bis hinten angenehmer am Stück zu konsumieren als sein Vorgänger. Alleine die um knapp 20 Minuten kürzere Spielzeit der Platte kommt ihr entgegen. Zudem tastet sich Lynch nicht mehr wahllos durch ein Feld der Möglichkeiten, sondern zieht ‚The Big Dream‚ von Anfang bis Ende mit konkreten Vorstellungen und reduzierten Mitteln durch. Den Grundstock aller 12 Songs bilden monoton schlapfende Rhythmusgerüste, die sich nicht zwischen Roadhouse-Bar und zurückgelehnt durch die Art-Galerie marschierenden Hip Hop entschließen wollen und müssen. Dazwischen schrammeln einzelne Gitarrenanschläge reduzierte Akkorde mit viel Delay, wabbern wiederkehrend und in Zyklen.
The Big Dream‚ versammelt weniger klassische Songs – sondern eher in sich verweilende Kompositions-Loops zwischen schwarz-weißen Dreampop-Ambient-Skeletten und modernisierten Blues-Standarts, kaum einer davon zeigt Interesse an Entwicklungen innerhalb der starr gesteckten Grenzen: es gilt sich in der eigenen, abgründigen Atmosphäre zu laben.

Auswüchse aus diesem Muster gibt es nur in der marginalen Variation der Grundzutaten: ‚Star Dream Girl‚ gibt den stampfenden Bluesrocker, der zu Tom Waits gleichermaßen aufblickt wie zu den White Stripes und dabei das stilvolle Tanzflächenupdate zu ‚Good Day Today‚ darstellt. Einer der wenigen Momente neben dem gesetzt rockenden ‚Say It‘, in denen Lynch die Zügel lockerer lässt, sich nicht in Stilisierungen versteift. Aber besser zu sehr auf die dösende Haltung achten, als sich im Grenzbereich des guten Geschmacks zu verirren: ‚Last Call‚ benutzt einen enervierenden R&B-Dosenbeat, der sonst nur Rappern mit Autotune-Fetisch gelegen käme.
Als anmutiger Nachtflug über Twin Peaks macht  ‚Cold Wind Blowin‚ seine Sache da schon besser, ist mit sparsam wischenden Reverb nahe der aktuellen King Dude-EP sogar am ehesten jene Art von Musik, die man sich von Angelo Badalamentis Kumpel erwarten hätte können. Die Limitierungen von Lynch als Songwriter werden hier dennoch deutlich ersichtlich: die Songs von ‚The Big Dream‚ müssen mit einem Mindestgehalt an Ideen auskommen. Manchmal passt das durchaus so – wie etwa die schlumpfig rumpelnde The Doors-Verneigung ‚Sun Can’t Be Seen No More‚ mit ordentlich Helium zeigt.

Wo sich die Musik aber meist einfach zu weit zurücklehnt und ohne gravierende Akzente auskommt, agiert vor allem Lynch selbst am Mikrofon ebenso statisch und impft seiner Platte damit zusätzliches Valium ein: sein frei um griffige Melodien driftender, permanent verfremdeter Sprechgesang kommt der dunklen Atmosphäre entgegen, entzieht ‚The Big Dream‚ aber weitere Lebenskraft.
Dass es die Lykke Li-Zusammenarbeit ‚I’m Waiting Here‚ höchstens als Bonustrack auf die Platte geschafft hat, macht dann alleine deswegen Sinn, weil der betörende Dreampop mit der Schwedin im Julee Cruise-Modus deutlich aus dem Albumrahmen gefallen wäre. Schade ist es ungeachtet aller Kohärenz dennoch – zumal Arbeiten wie ‚Dark Knight of the Soul‚ bereits vorgeführt haben, dass beflügelnde Kooperationen den lockeren Einbahnstraßen-Jam von Lynch und seinem Produzentenpartner Dean Hurley weitaus mehr Möglichkeiten bieten würden.

Lynchs zweites Soloalbum spart sich die nervtötenden Momente von ‚Crazy Clown Time‚, driftet dadurch aber sogar noch stärker am schmalen Grad zwischen einer faszinierenden unterkühlten Ästhetik (die ‚The Big Dream‚ zu einem dankbaren Hintergrundsoundtrack für die Nachtstunden macht) und schlichtweg gähnender Langweile. Man muß es dem (Ex-?)Regisseur durchaus hoch anrechnen, dass er nicht nur eine äußerst eigenwillige musikalische Übersetzung seiner verstörenden Fantasien gefunden hat, sondern diese auch derart stringent durchzieht, dass sogar Bob Dylan’s ‚The Ballad of Hollis Brown‚ nahtlos zu einem David Lynch-Song mutiert. Wirklich spannender wird ‚The Big Dream‚ durch diese Konsequenz allerdings eben nicht.

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