Dirty Beaches, Aiko Aiko [12.12.2013 Orpheum Extra, Graz]
Ein Donnerstagabend mit Startpunkt 21.30 Uhr ist natürlich eine undankbare Zeit für ein Konzert, vor allem im für herausragende Konzerte gerne undankbaren Graz. Dennoch überrascht der überschaubare Publikumsandrang in den überschaubaren Räumlichkeiten des Orpheum Extra an diesem Abend: wo Dirty Beaches keine zwei Wochen zuvor noch das ATP Festival zu Begeisterungsstürmen hinrissen werden am Ende der seit Februar durchlaufenden Tour in der Murmetropole also deutlich kleinere Brötchen gebacken.
Bis es soweit ist stehen allerdings noch Aiko Aiko aus Wien auf der Bühne – und sie tun dies mutmaßlich aufgrund der chronisch kurzen Dauer eines Dirty Beaches-Sets ausgesprochen lange. Über gut eine Stunde hinweg präsentieren Nada Aiko und Pascal Holper alte Songs sowie solche des erst im Frühjahr 2014 erscheinenden Studioalbums. Letztere deuten zwar marginal auf den exzessiveren Gebrauch von The Knife-artigen Stimmeffekten hin, könnten mit Console-Beats und sphärischen Melodieflächen aber weiterhin ohne Bruch Fans von The Notwist bis Thom Yorkes Elektroprojekten Freude bereiten. Nur – und vor allem über eine Stunde hinweg gehend – ist das schon auch ein bisschen arg gleichförmig und trotz etwaiger Initialzündungen monoton. Der einladende Seiltanz zur Einladung sich in den atmosphärischen Aiko Aiko- Songs zu verlieren, er führt eben leider nicht vollends trittsicher durch die ermüdende Gleichgültigkeit. Freilich: das alles ist natürlich nicht schlecht, aber nach knapp einer Stunde Spielzeit bleibt trotzdem wenig hängen.
Hungtai und Roy spielen in weiterer Folge insgesamt fünf Songs (‚Au Revoir Mon Visage‚, ‚Dream in Neon‚, ‚Elli‚ und ‚Mirage Hall‚), also allesamt Material von ‚Drifter‚, allesamt als Mixtur aus Tonbandaufzeichnung und Liveinteraktion, allesamt ausführlicher, hemmungsloser, eindringlicher und elektrisierender wirkend als die Studioriginale, dazu mit kleinen zusätzlichen Melodiespielereien hinter der hart die Gangart durchziehenden Fratze. Die ausgebreitete Monotonie der laufenden Bandmaschine, sie entfaltet eine regelrechte Sogwirkung, einen düsteren Rausch, der das Orpheum Extra an den Rande einer verstörenden Postpunk-Disco aus dem Blade Runner Universum transferiert, Tanzbein mit Nervenzusammenbruch. Hungtai croont mit seiner tiefen Stimme, schreit sich die Kehle kathartisch frei, lässt sich in den nahezu durchgehenden Songfluss fallen und umspült das Publikum mit Songs, die in der mit wenigen Lichteffekten auskommenden Dunkelheit einen fruchtbaren Nährboden gefunden haben.
Das passt aber schon so, nicht nur, weil die standardisierte Zugabe ohnedies einer der unnötigsten Parts eines Livekonzerts ist. Verdammt konsequent ist das eben einfach. Hungtai entfesselt auf der Bühne eine eigene kraftvolle, brutale, geheimnisvolle und gnadenlose Welt, wie das dem Musiker David Lynch vorschweben muss aber einfach nicht gelingen will. Der Kanadier Hungtai aber hat sich sich vom stoischen Wanken und dem Pblikum mit dem Rückenzugewandten Minimal-Shake bis zum aggressiv aufgeladenen Boxkampf gegen unsichtbare Dämonen immer weiter selbst hinaufgepeitscht und den Auftritt schlichtweg am höchsten Punkt der Spannungskurve ausgedämpft: die Energie der Performance hätte nach diesem Bruch wohl nicht wieder ohne Reibungsverlust auf dem selben intensiven Level entfacht werden können.
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