Alex Zhang Hungtai [02.03.2023: Mausoleum, Graz]
Nahezu eine Dekade, nachdem Alex Zhang Hungtai (damals noch unter dem Dirty Beaches-Banner) Graz zuletzt beehrte, besucht der Kosmopolit die Murmetropole wieder – diesmal in einem Kontext, den man sich bereits 2013 gewünscht hatte.
Nämlich im Rahmen des Elevate Festivals. Was heute sogar noch besser passt, als es im Jahr vor dem Ende von Dirty Beaches schon der Fall gewesen wäre. Hat Zhang Hungtai sich im vergangenen Jahrzehnt jenseits seines einstiges Band-Alias doch schließlich einen veritablen Ruf als freigeistiger Experimental-Musiker erarbeitet, als ambienter Klangmaler und Kopfkino-Avantgardist, der höchstens in Twin Peaks sesshaft werden könnte, und der stilistische wie strukturelle Konventionen der Musikkreation längst hinter sich gelassen hat.
30 Minuten im Mausoleum von Kaiser Ferdinand II. neben dem Grazer Dom (was für eine eindrucksvolle Location-Wahl übrigens, für die alleine man einmal mehr den imaginären Hut vor den Veranstaltern ziehen muß – auch wenn das die niedrigen Temperaturen im soundtechnisch wunderbar bespielten Sakralbau noch ein wenig spürbarer macht) liefern, ohne an Songformate gebunden zu sein, ein erst langsam in die Gänge kommendes, dann aber gar zu kurz gehaltenes Zeugnis dieser auf Instinkt un Improvisation wurzelnden Umstände.
Nach einem betont uneiligen Beginn, während dem Zhang Hungtai sein Saxofon regelrecht andächtig vorbereitet, nachdem er den Raum in wertschätzender Ruhe in sich aufgenommen hat, entlockt er dem Instrument erst lange nur wenige, sporadische Töne für eine ambiente Collage aus vereinzelten Klang-Inseln, in denen die Momente der Pausen oft elementarer scheinen, als der Einsatz von Schall.
Erst nachdem die Schwingungen aus der Bewegung des Saxofons nach gut einem Drittel des Auftritts wie die grollende Erinnerung einer aus der Tiefe erwachenden Kreatur dräuen, ein leises rhythmisches Loop höchstens erahnbar wird, beginnen sich die tonalen Lückenzu schließen und werden sich in weiterer Folge bis zur Drone-Kakophonie aus heulenden Frequenzen und skizzenhaftem Feedback steigern, bevor das Finale einen versöhnlichen, aber eben auch etwas zu abrupten Bremsvorgang hinter dem (wie alles hier fragmentarisch bleibenden) Klimax vornimmt.
Vor allem aber gleicht die (vor dem Hintergrund einer psychedelische Kreise ziehenden, nur selten mit den markanten Elevate-Lichtlinien aufgehellt werdenden visuellen Anti-Show) auf erstaunlich kurzweilige Weise mäandernde humanoide Installation über weite Strecken beinahe einem minimalistisch auf asketisch schwelgende Bewegungen reduzierten Ausdruckstanz, wenn Zhang Hungtai mit dem in die Höhe gehobenen, durch Kreise um seinen Kopf aus der Bewegung heraus die Klänge erzeugenden Blasinstrument – das eben immer wieder als kein Blasinstrument im eigentlichen Sinne fungiert! – den körperlichen Akt zum geduldigen Resonanzkörper macht, und eine hypnotisch in Zeitlupe ablaufende Darbietung liefert, die man vor allem in einer für den 43 jährigen so typischen Kompaktheit gerne bald wieder erleben will; und hoffentlich nicht erst in 10 Jahren.
Kommentieren