Don’t Look Back in Anger: Oasis

von am 3. September 2023 in Diskografie Ranking, Featured

Don’t Look Back in Anger: Oasis

Fünfzehn Jahre nach dem letzten Album der Britpop-Flaggschiff und trotz florierender Solo-Karrieren von Noel und Liam (über Beady Eye-Umwege) bleiben die Heydays von Oasis unerreicht.

Eine sich seitdem gefühlt allgemein haltende Einschätzung der Diskografie der Band um die beiden Gallagher-Brüder als einzige Konstante ist übrigens nur zum Teil richtig. Denn ja, die ersten beiden Alben mögen als absolute Klassiker der Musikgeschichte über allem nachfolgenden Material der Manchester-Gruppe thronen; doch nein, ein auch nur ansatzweise schwaches Album haben Oasis in ihrer gesamten Karriere trotzdem niemals veröffentlicht.
Eine Karriere, die 1991 begann, als der Bassist Paul „Guigsy“ McGuigan, der Gitarrist Paul Arthurs alias Bonehead, und Drummer Tony McCarroll mit dem Sänger Chris Hutton eine Band namens The Rain gründeten, ihren Frontmann aber schnell gegen Liam Gallagher austauschten, woraufhin auch der baldige Einstieg dessen großen Bruders, des Inspiral Carpets-Roadies Noel, als Songwriter und neuer Bandleader, sowie die Umbenennung der Gruppe in Oasis folgen sollten.
Und die 18 Jahre später endete. Wohl schon, als Noel am Abend des 28. August 2009 seinen endgültigen Ausstieg erklärte. Sicher aber, als Liam die Band am darauffolgenden 8. Oktober für aufgelöst erklärte.
Die Zeit dazwischen wurde aber eben nicht nur mit zwei Meisterwerken, großmäuligen Ansagen, Feuilleton-tauglichen Bruder-Zwisten und viel heißer musikalischer Luft, die sich bis heute 70 Millionen mal verkauft hat, gefüllt – sondern mit zahlreichen Britpop-Evergreens und Hits, verteilt auf fünf weitere starke Studioalben, deren Wert sich trotz einer relativ wertkonservativen Herangehensweise oft erst im Rückspiegel tatsächlich gezeigt hat.

Oasis: The MasterplanHonorable Mention:
The Masterplan

Veröffentlichungsjahr: 1998
Besetzung: Die Gallaghers + Bonehead, Guigsy, McCarroll / White
Produzenten: Owen Morris, Noel Gallagher
Spielzeit: 66 Minuten

Trotzdem genügt es nicht nur, die regulären Alben der Band zu preisen. Immerhin gibt es mit The Masterplan eine B-Seiten-Collection, die als eine der besten ihrer Art so verdammt gut ist, dass sie sich mindestens (mindestens!) einen Treppchenplatz in einem Ranking aller Oasis-Langspieler verdient hätte.
Dafür sorgen alleine die vielen herausragenden Hits der Platte (mit Acquiesce, Going Nowhere, Fade Away, Stay Young oder dem titelstiftenden The Masterplan an vorderster Front), derweil andere Nummern wie Talk Tonight oder Half the World Away ihren Platz in den Lieblingslisten der Fans so dermaßen sicher haben. Und dabei hätte alles noch fulminanter sein können, fehlen doch neben der überlebensgroßen Standalone-Single Whatever auch so viele andere grandiose Schmankerl wie Flashbax, The Fame oder Sad Song – man hätte aus den rund zwei Dutzend B-Seiten, die es nicht auf The Masterplan geschafft haben, tatsächlich noch locker einen weiteren Klassiker abseits des regulären Kanons schaffen können.
Auch so wurde The Masterplan im Fahrwasser der rasch einsetzenden Ernüchterung ob Be Here Now allerdings zu einem durchschlagenden Erfolg, der sich auch im UK wie geschnitten Brot verkaufte – und das, obwohl die Songsammlung ursprünglich nur für den asiatischen und amerikanischen Markt gedacht war.
Und während Oasis den Ruf, ihr womöglich tollstes Material insgeheim abseits der Alben-Mutterschiffe zu parken, zwar auch in weiterer Folge durch solche Perlen wie Idler’s Dream oder Thank You For The Good Times treu bleiben sollten, spielen die B-Seiten ihrer dennoch ersten drei Alben in einer eigenen Liga.

Oasis: Don't Believe the Truth7. Don’t Believe the Truth

Veröffentlichungsjahr: 2005
Besetzung: Die Gallaghers + Bell, Archer, Starkey
Produzenten: Dave Sardy, Noel Gallagher
Spielzeit: 43 Minuten

Don‘t Believe the Truth belegt sicher nicht den Abschluss dieses kaum objektiven Rankings, weil es per se das schlechteste Album von Oasis ist (es ist sogar ziemlich sicher ein runderes Gesamtwerk als Dig Out Your Soul!). Sondern, weil es das ambitionsloseste Werk der Band darstellt: Wo jede andere Platte der Diskografie auf die eine oder andere Weise einen egozentrischen Größenwahn transportiert, mehr als nur gute Musik sein will und muß, entlässt der wirklich befriedigende, aber kaum begeisternde sechste Langspieler der Gallagher-Gruppe (die mit dem Einstieg von Schlagzeuger Zak Starkey einen absoluten Glücksgriff landeten!) schlichtweg unterwältigend.
Denn es mag so einfach sein, diese in die 60s schielende Harmonie-Gefälligkeit zu mögen – das schwelgende Love Like a Bomb, das sinnierend träumende Guess God Thinks I’m Abel, das perkussiv flanierende Part of the Queue oder die psychedelisch im Lavalampenlicht mäandernde Wohlfühlzone Keep the Dream Alive sind einfach schöne, rundum gute Songs, die man wirklich gerne im Ohr behält. Sogar noch nicht einmal drei schwächere Nummern (der nicht zum Punkt findende Opener Turn Up the Sun; das eilig-simplizistisch nach vorne gehende, aber wenig Mehrwert besitzende The Meaning of Soul; der nette Standard A Bell Will Ring) schmälern der Eindruck dieser Genügsamkeit wirklich.
Nur innig zu lieben oder überlebensgroß zu verehren ist hier eben wenig (und symptomatischerweise vor allem jene Songs nicht, die im Zuge der mit Death in Vegas, Richard Fearless oder Tim Holmes gestarteten und letztlich großteils wieder verworfenen Aufnahmen entstanden sind). Am ehesten bestechen das vehemente Velvet Underground-Poltern Mucky Fingers, der von The Soundtrack of Our Lives inspirierte Retro-Stimmungsmacher Lyla (der erst nach Intervention der Plattenfirma einen Platz auf der Platte fand und Swollen Hand Blues aus dem Gefüge verdrängte), das herrschaftlich stolzierende The Importance of Being Idle oder angenehm zurückhaltend umarmende Beatles-Hommage Let There Be Love – die paradoxerweise vielleicht gar der ideale Schlusspunkt der Band-Geschichte gewesen wäre.

Oasis: Dig out Your Soul6. Dig Out Your Soul

Veröffentlichungsjahr: 2008
Besetzung: Die Gallaghers + Bell, Archer, Starkey
Produzent: Dave Sardy
Spielzeit: 46 Minuten

Wüsste man es mittlerweile nicht besser, könnte man immer noch schwören, dass sich der letztendliche Schwanengesang von Oasis vielmehr wie der erfolgreiche Versuch anhört, ein neues Kapitel für die Band zu öffnen. Indem man mit dem abermals am Produzentenstuhl Platz nehmenden Dave Sardy durch eine klangtechnisch-ästhetische Frischzellenkur vitale Kurskorrekturen im hauseigens patentierten Kosmos vornahm und sich aus der mit dem Vorgänger gepflegten Komfortzone bewegte: Der hypnotisch treibende Groove dominiert einen psychedelisch angehauchten Pop, der immer wieder – wie im stoischen Bag it Up oder dem latent nervenden Klepper (Get Off Your) High Horse Lady sowie dem uninspiriert in die Sackgasse laufenden Ain’t Got Nothin – eine Art kosmischen Blues Rock als schroffes Korrektiv im halluzinogenen Stone Roses-Sog installiert.
Schon früh im Entwicklungsstadium des siebten Studioalbums fantasierte Noel zwar von einer bombastischen Platte, die in gewisser Weise den Größenwahn von Be Here Now als Umkehrschub zu Standing on the Shoulder of Giants wagen würde („I’d like to get, like, a 100-piece orchestra and choirs and all that stuff. (…) I kind of like fancy! I’d like to make an absolutely fucking colossal album. You know? Like literally two orchestras, stuff like that„) – was am Ende jedoch eher hinsichtlich des Volumens zutraf. Geworden ist Dig Out Your Soul nämlich ein gar nicht so opulentes Werk, das in The Turning oder der tollen Ballade I’m Outta Time (als wohl einzige hittaugliche Konsens-Single hier) höchstens auf prägende Klavierbegleitungen verlässt, während weitestgehend (wie entlang der Regenbogenstrecken The Shock Of The Lightning oder Falling Down) vor allem der endlose Horizont des Rhythmus wie in Trance als Leitmotiv dient, bis man nicht nur mit To Be Where There’s Life nahe an frühen The Verve ist.
Schade nur, dass sich die Platte nach der aufzeigenden ersten Hälfte in ihrem letzten Drittel bis zum grandiosen Closer Soldier On in einem Ungleichgewicht aus Form und Substanz verliert, bis man sich doch fragen muß, ob man Dig Out Your Soul nicht eher aufgrund seiner relativ mutigen Evolutions-Bereitschaft viel mehr für das achtet, was das Werk als Statement bereit ist, zu tun, als dafür zu schätzen, was es als Album im Ganzen tatsächlich fähig ist, zu leisten.

Oasis: Standing on the Shoulder of Giants5. Standing on the Shoulder of Giants

Veröffentlichungsjahr: 2000
Besetzung: Die Gallaghers + White
Produzenten: Mark „Spike“ Stent, Noel Gallagher
Spielzeit: 48 Minuten

Es ist für ein Gros der Oasis-Hörerschaft sicherlich einfacher nachvollziehbar, wie scheinbar bodenlos (ja, fast schon schockierend!) die Ernüchterung war, die Standing on the Shoulder of Giants (titeltechnisch übrigens der Beweis, dass nicht jedes Isaac Newton-Zitat die Begeisterung einer stark besoffenen Nacht überleben kann) seinerzeit auslösen konnte, als die subjektive Ansicht zu teilen, dass das Viertwerk in den vergangenen zwei Dekaden eine beachtliche, rehabilitierende Entwicklung in der Wahrnehmung durchlaufen hat, die letztendlich über die Absolution hinausging.
Even though it wasn’t our finest hour, it’s a good album born through tough times. I worked harder on that album than anything before and anything since.“ analysierte Noel und tatsächlich fühlt sich Standing on the Shoulder of Giants damals wie heute nach einem kaum locker aus dem Handgelenk kommenden, etwas verkrampften Kraftakt an, wo schließlich wirklich alleine das Zeugungsfenster der Platte eine schwierige Zeit der Umbrüche für Oasis markierte, in der die Gründungsmitglieder Guigsy und Bonehead den Gallaghers den Rücken gekehrt hatten, Mark Stent die Produzentenrolle von Owen Morris übernahm und Noel (der gerade den Drogen abgeschworen hatte und im Studio beinahe alle Instrumente alleine stemmte) merklich ein Album vorlegen wollte, das nach Be Here Now dezidiert überraschen sollte: da waren nun Drum Loops, Samples, eine elektrische Sitar, Mellotron und Synthesizers, die mit einem Schub an elektronischen Facetten und psychedelischen Gewichten eine experimentellere Seite von Oasis beleuchteten – und trotzdem ein so unmodernes Ergebnis liefern würde.
Doch wo das für viele wohl weiterhin den Tiefpunkt der Karriere bildende Material wirklich eine gewisse Schwerfälligkeit hat, sind die dabei eingefangenen Songs gewachsen – heimlich, still und leise und unspektakulär. Klar, das Doppel aus (dem legendären Intro) Fuckin‘ in the Bushes und Go Let it Out war immer schon kaum an Coolness zu überbieten; die Grandezza Sunday Morning Call hat nie verborgen, eine ergreifende Schönheit sondergleichen zu sein; und Roll It Over stieg sofort zum hymnischen Höhepunkt auf, für den andere Gruppen ihre abgehalfterten Lebern opfern würden.
Dass aber der smoothe Chorus von Who Feels Love? irgendwann so versöhnlich den Knopf aufgehen lassen würde und die an sich unbedingt konventionellen Rocker Put Yer Money Where Yer Mouth Is, Gas Panic!, das anmutig flehende Where Did It All Go Wrong? und sogar I Can See a Liar als streng genommene Standards letztendlich mit veritabler Halbwertszeit derart unkomplizierten Spaß als knackige Zuverlässigkeiten machen sollten – ja, das war beim Start ins neue Jahrtausend ebensowenig absehbar, wie die verzögert einsetzende Milde im Urteil, dass der vermeintliche Offenbarungseid Little James (als Liams Songwriter-Premiere) zumindest im Kontext ebenso als solide Übung über dem Durchschnitt durchgehen würde. Dass die meisten B-Seiten der ausgekoppelten Singles trotzdem sogar noch besser sind, ist freilich eine andere (oder nein – eigentlich die immer gleiche?) Geschichte!

Oasis: Be Here Now4. Be Here Now

Veröffentlichungsjahr: 1997
Besetzung: Die Gallaghers + Bonehead, Guigsy, White
Produzenten: Owen Morris, Noel Gallagher
Spielzeit: 72 Minuten

Während sich die Reibereien innerhalb der vom ständigen Party- und Kokain-Exzess angetriebenen Band intensivieren (und Noel am 11. September 1996 inmitten der Nordamerika-Tour nach dem legendären Unplugged-Konzert der Band sogar kurzzeitig aussteigt), entsteht das dritte Studioalbum der größten Band Englandsbiggest band in the world … bigger than, dare I say it, fucking God“ auch unter einem enormen Erwartungsdruck von außen. Ein Umstand, vor dem Noel nicht einknicken will, sondern monumentale Superlative anstrebt, und den bisherigen Weg der Band mit einer unersättlichen Mehr-ist-mehr-Mentalität toppen möchte.
Kaum einer der auf der Insel Mustique in der Karibik komponierten Songs von Be Here Now dauert deswegen unter fünf Minuten, scheut vor prominenten Gästen (wie u.a. Mark Feltham, Richard Ashcroft und Johnny Depp) zurück oder pflegt die bis dahin etablierten Manierismen der Band nicht mit einer geradezu selbstgefälligen Sicherheit und Arroganz in einem kolossalen Meer aus Overdubs und unnötigem Ballast bar jeglichen Understatements – und irgendwie funktioniert diese megalomanische Bauchpinselei dann auch noch. Trotz allem…und/oder genau deswegen.
Mögen die Verkäufe einer kommerziell erst durch die Decke gehenden Platte auch ebenso rasch eingeknickt sein, wie die öffentliche Wahrnehmung simultan dazu ähnlich flott von der Euphorie in die schmähende Resignation kippte, haben nicht nur die absoluten Übersongs Stand By Me, Don’t Go Away und All Around the World (als Triumvirat, das im Alleingang Noels Entscheidung, keinen Song der Platte auf der Best of-Compilation Stop the Clocks unterzubringen ad absurdum führt) die nötige Tragfähigkeit für dieses opulent überhöhte Sättigungsgefühl, dem ein wenig Prägnanz und Straffung sicher nicht geschadet hätte: hier geben sich üppige Manifeste ohne Maß die Klinke in die Hand, strotzen vor melodiösem Hedonismus und einer süffigen Over-the-Top-Produktion, für die man (im Gegensatz zu den sparsameren Mustique-Demos) in der nötigen Stimmung sein muß, um hinter dem durchwachsenen Dekadenz-Opener D’You Know What I Mean? einfach Superlative für dieses homogen fließende Monstrum (das womöglich mehr tonales Lebensgefühl und Zeitzeugnis als ein schlüssig auf den Punkt findendes Album ist?) benutzen zu müsse, derweil Songs wie  Magic Pie, Girl With A Dirty Shirt, Fade In-Out oder I Hope, I Think, I Know ohne jede Diskussion einen fixen Platz im Fan-Herzen haben.

Heathen Chemistry3. Heathen Chemistry

Veröffentlichungsjahr: 2022
Besetzung: Die Gallaghers + White, Bell, Archer
Produzenten: Oasis
Spielzeit: 43 Minuten

Da kann Liam Heathen Chemistry noch so sehr abstrafen: besser als auf ihrem fünften Studioalbum waren Oasis nur in ihren Anfangstagen. Was vielleicht auch durch die Verkaufszahlen Ausdruck verliehen bekommt, denn die stiegen nach dem enttäuschenden Vorgänger Standing on the Shoulder of Giants wieder merklich. Wie sollte dies auch nicht passieren, wenn ausnahmslos alle Singles Hits waren, sich zwischen dem tollen, Kula Shaker‚esken Psych-Rocker The Hindu Times und dem grandios minimalistischen Acoustic-Meisterstück Songbird (Liams aus dem Nichts kommender Adelschlag als Songwriter, für den sogar Noel nur lobende Worte übrig hat!) vor allem die fast kitschige Ballade Stop Crying Your Heart Out und Little By Little als zeitlose Evergreens ohne Ablaufdatum bewiesen haben? Noel-Magie für die Massen – endlich wieder, wie viele Fans seinerzeit aufatmeten.
Rund um den Einstieg von Gitarrist Gem Archer (Heavy Stereo) und Bassist Andy Bell (Ride) in die Band (aus der der gerne unterschätzt werdende Allan White bald rausgeworfen werden sollte) ist die Alleinherrschaft von Noel nebst dem restlos coolen Archaik-Stomper Force of Nature (als Update zu Full On), der beatlesk beschwingten Flowerpower-Zauberei She is Love und dem träumenden Pop (Probably) All in the Mind als Songwriter in der Oasis-Geschichte mit Heathen Chemistry trotzdem beendet – und die neue Konstellation trägt den Rest der Platte mit gewachsenem Verantwortungsbewusstsein durch die solide aufbegehrende Aufbruchstimmung Hung in a Bad Place sowie dem stimmungsvollen, wenngleich nicht essentiellen Mini-Interlude A Quick Peep bis zur rauchigen Sehnsucht Born on a Different Cloud makellos routiniert.
Im Grunde muß sich dieses ausfallfreie, fast gediegen die Ohrwurm-Formel bediende Komfortzonen-Werk nur den Vorwurf gefallen lassen, dass die 30 Minuten Stille zwischen dem okayen Better Man und dem unspektakulären, wenngleich versöhnlichen The Cage eine schwachsinnige Idee waren und sich Heathen Chemistry schon ein beeindruckenderes Finale verdient hätte (ja, das ist mal wieder ein Wink mit dem Zaunpfahl auf die vorhandenen, durch die Bank fabelhaften B-Seiten!).

Definitely Maybe2. Definitely Maybe

Veröffentlichungsjahr: 1994
Besetzung: Die Gallaghers + Bonehead, Guigsy, McCarroll
Produzenten: Oasis, Owen Morris, Mark Coyle und David Batchelor (Slide Away)
Spielzeit: 52 Minuten

Ein kommerziell erfolgreicheres Debütalbum als das von den Parade-Singles Shakermaker (das gleich mal die Frage, wo Zitate enden und Plagiate beginnen im Oasis-Kosmos etablierte), Supersonic und (dem endgültig für den Durchbruch sorgenden, den Gegenentwurf zum pessimistischen US Rock ideal kontrastierenden Hedonismus-Evergreen-Überhit) Life Forever flankierte Definitely Maybe sollte auf der Insel erst zwölf Jahre später den Arctic Monkeys gelingen.
Obwohl sich der Weg bis zu ihrem ersten Studioalbum als schwierig erweisen würde (die ersten Aufnahmen mit Produzent David Batchelor wurden in die Tonne gekloppt, die Neuaufnahmen mit Mark Coyle konnten auch niemanden überzeugen, bis eine immer verzweifelter und frustrierter werdende Band Owen Morris [der Noel erst für einen besoffenen Drogendealer hielt] beim Mix freie Hand ließ – der mit der extremen Kompression nach landläufiger Meinung eventuell den Loudness War entfachte) waren Oasis mit Definitely Maybe vom ersten Moment an Rock’n’Roll-Stars, für die die Welt nicht groß genug schien: die den Test der Zeit ohne Abnutzungserscheinungen makellos bestehenden Hymnen (wobei: darf man diesen Begriff in Anbetracht der Songs, die im kommenden Jahr folgen sollten, hier überhaupt verwenden?) geben sich die Klinke in die Hand, verlangen auch heute noch schwärmende Superlative, um Geniestreichen wie Slide Away, Columbia oder Married With Children gerecht zu werden. Songs, so simpel und direkt in ihrer Agenda, dass man keine Chance haben sollte, sich ihnen zu widersetzen: „You could probably take the most original bands of all time, but they’re only playing what they’ve heard in their record collections. My record collection consisted of The Beatles, The Stones, David Bowie and T-Rex. I’m not fucking arsed about extra tracks from a Pink Floyd bootleg from 1971. I couldn’t give a shit man. I’d rather listen to ‘I Am The Walrus’ twenty times again.“ Pragmatisch und irgendwo unprätentiös, trotzdem mit selbstbewusster Haltung an der Grenze zum Arroganz, zeitlos in einem Streben nach Größe, so dass mit dieser Platte als Soundtrack selbst banale Hausarbeit zu legendären Momentaufnahme eines epischen Lebens werden können ganz egal, was manche Texte hier nun auch eigentlich aussagen wollen (Noel: „I wasn’t trying to impress anyone with my lyrical prowess. I couldn’t give a fuck about any of that. I was writing things that were true to me. It’s about shagging, drinking and taking drugs.„)
Ob nun insofern dieses rohere Debüt als Instant-Klassiker, oder sein sauberer herausgeputzter Nachfolger auf dem obersten Treppenplatz dieses Rankings steht, kommt insofern auch ein bisschen auf die persönliche Tagesverfassung an, spielt aber eigentlich keine Rolle: perfekt ist perfekt.

What's the Story Morning Glory1. (What’s the Story) Morning Glory?

Veröffentlichungsjahr: 1995
Besetzung: Die Gallaghers + Bonehead, Guigsy, White
Produzenten: Owen Morris, Noel Gallagher
Spielzeit: 50 Minuten

Wie Label-Chef und Band-Förderer Alan McGee sich gefühlt haben muß, als ihm Oasis nur kurz nach ihrem so enorm erfolgreich einschlagenden Debütalbum die Entwürfe zu ihrer zweiten Studiowerk vorlegten, kann man sich wohl auch in der überschwänglichsten Euphorie kaum ausmalen: mehr kommerzieller Optimierungsprozess geht schließlich kaum, das sind Melodien für Millionen.
Aber daher der legendäre Creation-Mastermind laut Eigenaussage ohnedies vom ersten Konzert, das er von den Gallagher-Brüdern besuchte, wusste, dass da die größte Band der 90er auf der Bühne steht, wird es für McGee wohl mehr als nur bestätigende Genugtuung gewesen sein: mit (What’s the Story) Morning Glory? wurden Oasis zu einem globalen Phänomen, unsterblich.
Befeuert von proletoidem Feuilleton-Futter ohne Ende (Noel: „Liam is like a man with a fork in a world of soup.„) lag das an balladesker angelegten Songs, die imposante Refrains und Hooks zum Niederknien boten, Streicher in einem variableren Instrumentarium samt besseren Drums weicher und konsenstauglicher Willkommen hießen, grundlegend auf einer universelleren Ebene funktionierten, als es bereits der Vorgänger tat.
Ein Gutteil des aufgefahrenen Materials hat sich so unmittelbar im kollektiven Gedächtnis der Pop-Menschheit eingebrannt, gerade das herausragende Triumvirat des Albums: Wer im Fall von Wonderwall vom perfekten Song spricht (selbst wenn jede Party dieser Welt von mindestens einem studierenden Gast und seiner Acoustic-Gitarre bedroht wird, der diesen Eindruck mit Hingabe zerstören will), muß zumindest die noch besseren, niemals nicht mitgegröhlten Instant-Klassiker Don’t Look Back in Anger und Champagne Supernova (der Trennungsgrund von Tony McCarroll) im selben Atemzug nennen … nur um keine Liste der Evergreens dieser Platte ohne Roll With It, Some Might Say und dem (aus den beiden Songs [Being A] Blue sowie The Mirror & The Razorblade fusioniertem) Wellenbrecher Morning Glory zimmern zu können.
Das antreibende Hello macht davor zudem einen wirklich tollen Job als Opener, wie von Noel angeblich bereits seit 1992 geplant. Und wenn der wundervolle, subversive Richard Ashcroft-Tribut Cast No Shadow (der im Albumkontext auch angenehmen Raum zum Atmen zwischen all den Gitarrenwänden schafft), die beschwingte Lockerungsübung She’s Electric (die man als Gradmesser für die ausnahmsweise gute, reibungslose Stimmung nehmen kann, die während der Aufnahmen geherrscht haben soll) oder dem (offenbar niemals offiziell live gespielten,) schwelgenden Mauerblümchen-Grower Hey Now! in diesem Rahmen Füllmaterial sein sollen, ist eigentlich alles über die Qualität einer Platte gesagt, die ihre weniger überragenden Passagen im Gesamtwerk aufwiegt und ihren Urhebern ein unkaputtbares Denkmal setzt.

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