Durand Jones & The Indications – American Love Call
Deep Soul und Contemporary R&B aus Chicago, der seine zutiefst traditionsbewusste Klasse gar nicht erst mit modernen Updates zuzukleistern versucht: Durand Jones & The Indications blühen auf ihrem Zweitwerk American Love Call im puren, absolut authentischen Retro-Feeling auf.
Da kann der catchy-geoovende Opener Morning in America noch so gegenwärtig durch Amerika streifen, die latente politische Agenda zumindest anreißen und hinten raus eine fuzzende E-Gitarre bratzen lassen: Nach Ihrem vielversprechenden selbstbetitelten Debüt von 2016 sind Durand Jones & The Indications noch weiter in die Vergangenheit gereist, können durch das zärtliche gewachsene Instrumentarium um Violinen, Omnichord, Glockenspiel, Saxofon, Vibraphone, Backingchöre, – und, und, und – in Form vielschichtigerer ausformulierten Arrangements und den generell saubereren Produktion nun wirklich selbstsicher in ihrem wertkonservativen Vintage-Sound baden.
American Love Call klingt wie ein aus der Zeitkapsel gefallenes Juwel aus den späten 60ern und frühen 70ern, hat die Essenz von Jackie Wilson, Daptone und Motown, den Delfonics oder Curtis Mayfield und seinen Impressions verinnerlicht. Die kurzweiligen 43 Minuten der Platte transportieren den Vintage-Vibe ähnlich reibungslos, wie Sharon Jones es tat und baden in der smoothen Produktion, mit erdig-funky Bässen, entspannten Drums, unaufgeregten Piano-Tupfern und sanften Gitarren, überall wiegen nuancierte Bläser und Streicher in der hingebungsvoll verträumten, bittersüße Romantik, sind Good Feeling-Easy Listening im besten Sinne.
Musik also, die Quentin Tarantino auch aus seiner Raritäten-Kollektion gezaubert haben könnte.
Und sicher, das alles mag in dieser Ausrichtung nicht besonders originell oder eigenständig sein. Es fehlt den ästhetisch ausgelegten Nummern auch an den Gänsehaut-Genieblitzen, die die Vorbilder und Titanen des Genres erzeugten. Stets wirkt es ein wenig so, als hätten die Indications selbst vielleicht noch nicht genug erlebt, um wirklich restlos packende Inhalte bieten zu können, die abseits einer immanenten Komfortzone aufwühlen.
Trotzdem ist American Love Call nahezu immer mehr als nur ein revitalisierendes Aufwärmen ästhetischer Prinzipien, das alleinige Reproduzieren einer vergangenen Epoche oder ein technisch exzellenter stilistischer Tribut. Weil das Songwriting und die Substanz dahinter einfach stimmen, die Leidenschaft da ist und die Kombo irre viel Gefühl zeigt, man sich in diesem atmosphärischen Anachronismus und all seinen wundervollen Melodien eingängig treiben lassen kann. Dazu kommen Glanzstücke wie das erhebende Listen to Your Heart oder das sehnsüchtige, aber mit sich und der Welt im reinen sinnierende True Love.
Was der Band in zweiten Anlauf zusätzlich entgegen kommt ist die gestärkte Rolle von Drummer Alvin Frazer, der mit seinem androgynen Organ (wie etwa im fabelhaften Hit Don’t You Know) nicht nur immer öfter den toll harmonierenden Gegenpol zu Jones am Mikro geben darf, sondern beispielsweise in der entschleunigten Ballade Court of Love, dem überschwänglichen How Can I Be Sure oder der wohlig kuschelnden Intimität des sparsam inszenierten Too Many Ways gleich den ebenbürdigen Leithammel geben darf – und damit zumindest für einen kleinen Evolutionsschritt für die (mittlerweile an Orgel/Keyboard umbesetzt wordene) Band sorgt. Weswegen der Blick trotz allem auch dezitiert und optimistisch nach vorne gerichtet wird. Die nachhaltigen Schrammen darf sich das Quintett insofern gerne erst noch in Zukunft holen, einstweilen zeigt man mit der nötigen beseelten Haltung schon jetzt Referenzpotential.
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