Editors – In Dream

von am 30. September 2015 in Album

Editors – In Dream

Auf den Fehltritt folgt der stilistische Rückschritt, der mehr noch als in die richtige Richtung vorerst endgültig in die Banalität führt: Editors verbinden auf ‚In Dream‚ die elektronisch-unterkühlte 80er-Ästhetik von ‚In This Light and on This Evening‚ mit der poppigen Beliebigkeit von ‚The Weight of Your Love‚.

Im eröffnenden Klangmeer ‚No Harm‚ nutzt Tom Smith die selben gespenstischen Vocaleffekte, die ihn bereits auf dem Opener der 2009er Platte zur beängstigend warmherzigen Mensch-Maschine machten, schwankt nun aber selbst immer wieder hin zum ausbrechenden Falsettgesang, während seine Band sich dahinter stoisch durch den düsteren Wavepop-Nebel treiben lässt und die unterkühlten Soundscapes ätherisch und unheilschwanger vorbeiziehen, alles plätschert, ohne sich zu entladen. Vor allem aber verwechseln die Engländer hier mäandernde, stimmungsvolle Langeweile mit intensiver Atmosphärearbeit.
In Dream‚ braucht damit keine Anlaufzeit, um sich unmittelbar wie der Missing Link zwischen ‚In This Light and on This Evening‚ und dem mit der Belanglosigkeit ringenden ‚The Weight of Your Love‚ anzufühlen. Mehr noch, es könnte auch in weiterer Folge gar die in der Chronologie übergangene Platte sein, die die Entwicklungschritte zwischen den beiden Vorgängeralben weicher abgerundet hätte, die synthielastigen Blade Runner-Optik des Drittwerks im Rücken behaltend weniger abrupt im schwierigen 2013er-Neustart kollidiert wäre, der den chameleonartig agierenden Engländern die stilistische, kompositorische und geschmackskonstante Trittsicherheit abhanden hat kommen lassen.

Konkret bedeutet dies: Man merkt ‚In Dream‚ aufgrund seiner neuerlich kurskorrigierenden Orientierung noch drastischer an, dass die zum Quintett gewachsenen Editors den Ausstieg von Chris Urbanowicz (wenn überhaupt) nur an der Oberfläche kaschieren können, dahinter aber defacto schwerwiegende Mängel am Songwriting offenbaren. Ohne ihren ehemaligen Gitarristen sind die Kompositionen von Edel-Frontmann Tom Smith und Co. nicht vor einer immanent-seichten Grundbeliebigkeit gefeilt: Die pathosgetränkten Momente strahlen dort mittlerweile einfach weniger überragend, die melancholischen Melodien weniger packend, die zündenden Hits weniger zwingend. Den Balanceakt zwischen zu Tode betrübt und himmelstürmend euphorisierend, er gelingt ‚In Dream‚ damit über weite Strecken ebenfalls nur als Bagatelle, die zudem einige erschreckend banale Auswüchse zu Tage fördert.
Das unangenehm eindimensionale ‚Salvation‚ pulsiert mit dicken Streichern in die Lücke, die One Direction hinterlassen haben und bietet sich unumwunden als theatralische Stadionhymne ohne Geschmack an, während ‚Forgiveness‚ einschläfernd als bieder-schunkelnder Pop ohne Charisma, aber mit kantenloser Postpunk-Ausstrahlung dümpelt, der es zudem ohne Bedenken schafft „American“ auf „Everyone“ zu reimen. Sich nicht ausreichend verbiegen zu können – musikalisch und vor allem auch in den plumpen Lyrics – , das ist sicherlich nicht das Problem eines primär von der nostalgischen Zuneigung des Hörers profitierenden Albums. Seine catchy Melodien nicht vollends auf dem gefälligen Silbertablett der Irrelevanz zu servieren jedoch sehr wohl.

Als Langzeitfan der Band wird man sich insofern schwer tun die Ausstrahlung, die Klangfarbe und die betrübte Eleganz der Platte nicht zu mögen, alleine schon, weil die grandiose Stimme von Tom Smith wieder so manchen Fauxpas überhöht. Weil es an generellem Tiefenwirkung mangelt, tritt dann aber eben doch viel zu schnell eine unverbindliche Gleichgültigkeit zutage.
Wo das stacksend-stampfende ‚All the Kings‚ so an Panfflöten denken und Tom Smith nach Elton John klingen lässt, würde das gallig-gefistelte ‚Our Love‚ wohl dafür töten, um  das niemals umzubringende Bronski Beat-Sample dieses Jahr vor Brandon Flowers‘The Desired Effect‚ erwischt zu haben. Stattdessen gibt es dann eben schmalzige „Don’t stop believin‘„-Chöre als Ausgleich hintenraus.
Life is a Fear‚ bedenkt dagegen, was eine mediokre Disconummer mit epischen Ambitionen feilbieten können sollte, erschöpft seine Ideen in Relation zur Spielzeit allerdings weit über Gebühr: einfach mehr Weite über die so durchschaubare Komposition zu stülpen, funktioniert nicht nur hier keineswegs so gut, wie sich das die sich erstmals selbst produzierende Band das wohl im Studio ausgemalt hat.
Was dann auch ein Problem der besten Nummern der Platte ist, bei denen bezeichnenderweise zumeist Slowdive-Stimme – und Supergroup-Kollegin – Rachel Goswell ihre Finger im Spiel hat: ‚At All Cost‚ baut sich eine sakrale Stimmung auf, verglüht aber ohne Ziel, bevor die Editors wahrhaftig unter die Haut gehen können; das kurzweilige ‚Ocean of Night‚ entfaltet sich irgendwo zwischen glattpoliertem Coldplay-Konsens und erhabener Gospel-Größe als einnehmender Ohrwurm mit charismatischen Handclaps; ‚Life is a Fear‚ egalisiert als sphärisches Sternenzelt die Distanz zwischen dem minimalistischen Dreampop von Beach House und schmeichelweichem Industrial, bevor ‚Marching Orders‚ seine Synthies und Chöre zu epischem Ausmaß aufzustapeln gedenkt. Wegen solcher Lichtblick gehören Editors dann letztendlich immer noch zu den Guten. Und macht es genau genommen umso schmerzhafter, dass Till Schweiger ihre Musik zukünftig aber aus dem selben Formatradiomorast fischen könnte, in dem auch Hurts und Konsorten dümpeln.

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2 Trackbacks

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