Ryan Adams – 1985
1985 ist neben Prisoners, einer Live-Version seines 2017er-Langspielers Prisoner, Heatwave, Star Sign und Sword & Stone eines von gleich fünf Alben, die Ryan Adams pünktlich zum Jahreswechsel 2024 veröffentlicht hat.
Schon als Adams vor knapp zehn Jahren – genauer: am 30. Dezember 2014 – einen eigenen Instagram-Account erstellte, teasert er einen Nachfolger zum subjektiv ziemlich ambivalenten 1984 an. In der (hinsichtlich der smarten, weil am ersten Tag des neuen Jahres massenhaft Streaming-Zahlen und Aufmerksamkeit generieren könnenden) Masse-Welle aus fünf Neujahrs-Veröffentlichungen macht der in Ungnade gefallene Mann aus Jacksonville jedoch endlich Nägel mit Köpfen und verschwendet keine(n) Zeit(geist) mehr.
Eine gute Entscheidung, hätte ein noch längeres Warten mit dem Release doch wohl auch noch mehr Material bedeutet – und schon jetzt haben sich mittlerweile satte 29 Songs für das Projekt angesammelt, von denen gerade hinten raus viele undiszipliniert und ziellos ausfransend und manchmal wie ein wahlloses Hinwerfen von Ideen anmuten, das der grundlegenden konzeptionellen (wobei dieses Wort zu hochtrabend für die eingefangen wollen Seiende Attitüde ist!) Ästhetik nicht zuwiderläuft, nur eben dem Prinzip eines wirklich schlüssigen Albums.
Dazu kommt (zumindest subjektiv gesehen), dass Adams diese punkige Ausrichtung auch einfach nicht wirklich steht, er an seinen Stärken vorbei prescht und sich eher wie ein hüftsteifer Rollenspieler mit leidlich interessantem Songwriting in der Hinterhand austobt.
In rasanten 35 Minuten widmet sich Adams jedenfalls auf 1985 der Jahreszahl entsprechend wie schon am nominellen Vorgänger unkomplizierten Punk-Entwürfen entlang seiner eigenen juvenilen Hüsker Dü-Liebe, mit Lo-Fi-Ansage in schwankender Aufnahmequalität (weil praktisch jede Nummer unter anderen Umständen spontan aufgenommen wurde) und allgegenwärtigem Demo-Charakter unausformulierter Skizzen. Ein bisschen so, als hätte Bruce Springsteen den Circle Jerks vorgestanden, inklusive bremsenden Interessenskonflikt?
Die Songs sind jedenfalls eingängig und in ihrer Haltung griffig, wofür in erster Linie die Melodie-Linien des Gesang zuständig sind. Instrumental besteht 1985 nämlich aus einem ziemlichen 08/15-Baukasten, der nicht so rotzig klingt, wie die Songtitel es gerne vorwegnehmen würden, aber spontan und instinktiv den unkomplizierten Zug der Ambition solide zelebrieren.
Insofern rauscht 1985 gut durch, auch wenn weniger letztlich mehr gewesen wäre. Das exemplarisch zwischen The Men und Replacements auf ein hardrockiges Riffs gebaute Waste of Time macht Spaß, doch klingen die braven Drums zu billig programmiert – Forget Me Either Way fetzt da schon zwingender scheppernd. I Don’t Want to Know rockt catchy und No Flags gniedelt vor dem Black Flag-Tribut Rat Face. Between the Bars hat mehr Tempo als ohnedies schon herrscht und What Do You Want klimpert im Stakatto zum Mitgröhlen in Richtung des plakativen Konfrontationskurses You Are the Enemy.
In Sleep It Off singt Adams mit heiserer Stimme wie unter einer Decke röchelnd und scheppert stampfend nach vorne, Promises kommt nicht über den im Reverb ersaufenden Roh-Entwurf hinaus und What the Fuck macht den Rant am Gaspedal samt Bläsern oder Furz vor der Willkür. Straight Edge Book Store drosselt heavy die Geschwindigkeit eskaliert dann als Absurdität, Punch ‚Em in the Nuts rumpelt und poltert um seinen den Titel zu skandieren und macht Ryan als simplizistische (um nicht zu sagen: demonstrativ stupides) Ventil wohl mehr Bock als dem Hörer.
Warum Adams immer wieder Lust auf derartige kleine Punkrocker hat, ist angesichts seiner musikalischen Sozialisierung kein Rätsel – dem leider längst ohne qualitatives Korrektiv auskommen wollenden 49 jährigen hätte in diesem Fall aber zumindest eine selektiverer Zugang zu dem Material gut getan. Zumindest im Kontext der restlichen vier Platten wirkt 1985 aber auch erfrischend, lässt allen bedeutungsschweren Ballast zuück und kann sich wegen seiner kurzen Spielzeit und einem relativen Unterhaltungswert zwischen den Punkten die Aufrundung sichern. Zumal es dann eben auch ein paar Highlights gibt.
Nachdem Space Troll sein Ding nur halb durchzieht, schimmernden Postpunk-Gitarren in On a Side als wirklich cooler Effekt. Am besten sind symptomatisch aber die beiden am deutlichsten aus dem Rahmen fallenden Nummern: Down the Drain als Weezer-artiges Acoustic-Teilstück und Stoned Alone als entspannte, einfach schön gemütliche Midtempo-Unaufgeregtheit.
1 Trackback