Empire State Bastard – Rivers of Heresy

von am 12. Oktober 2023 in Album

Empire State Bastard – Rivers of Heresy

Mike Vennart und Simon Neil haben mit dem Empire State Bastard-Debütalbum Rivers of Heresy eine Metal-Spielwiese geschaffen, deren Material für die angestammten Plattformen der beiden Briten dann doch betont zu heftig und überdreht ausgefallen wäre.

Entstanden ist dabei jedoch ein Ventil, das dem ehemaligen Oceansize-Vorstand und der Biffy Clyro-Stimme – sowie der als Drummer angeheuerten Legende Dave Lombardo (Slayer, Fantomas, Mr. Bungle, Testament) nebst Bitch Falcon-Bassistin Naomi Macleod am Tieftöner – womöglich mehr Freude bereiten wird, als (zumindest der seitens ihrer Hauptbands rekrutierten Stammkunden rekrutierten) Hörerschaft.
Denn dass die Idee und Intention hinter dem Projekt („make the most fucking poisonous vile music we possibly could, just unabridged hatred in musical form“ oder „lyrically as misanthropic and nihilistic“ wie es den beiden nur möglich wäre) in ihrem energiegeladen umgesetzten Spielwitz gravierender wirken, als das darunter liegende, oft eher fragmentarisch zusammengefügt anmutende Songwriting, wird nach einer funkensprühenden Kennenlernphase schnell klar: Man kann sich sehr leicht satt an dem gelegentlich zum Selbstzweck verkommenden Krawall hören, während der emotional darauf ziehbare Mehrwert überschaubar bleibt und selbst das wirklich aggressive Dampf ablassen nicht Katharsis genug bietet.

Harvest stellt mit thrashigem Riff und hysterisch keifenden Patton-ismen, eskalierenden Spitzen und giftig fauchendem Gebrüll in den Amplituden aus kontrollierter Rezitation und Ausbrüchen jedenfalls den Status Quo unmittelbar vor, ist betont auf plakativen Irrsinn mit der Prise griffiger Ohrwurm-Tendenz gebürstet, die Kontraste der Heaviness vor dem rasend-ballernden Abgang aber eher als Wollen denn Müssen forcierend; als Statement, wenn man so will.
Blusher gefällt sich dagegen als grindig-mathy Sludge-Keifen, Converge-Dichte samt mit Death-Schraffuren, nimmt seine Passagen im ständigen Wechselspiel in die Mangel, und Moi? kommt mit grummelndem Bass und abgedämpft schlenderter Percussion Dank seines Klargesangs näher zu einer nebulösen Bar-Version von doomridenden Mutoid Mon the Biff mit Mr. Bungle-Groove – hinten raus sogar mit Stadion-„Ohohoooooo“ im Reißwolf, bevor auch der bissige Riffrocker Stutter die straighte Zugänglichkeit mit Retro-Synth-Schimmer melodische Harmonie versetzt. Auszugsweise bleibt so viel in diesem Dampfkessel hängen, drumherum herrscht jedoch ein Paradoxon aus Verkopftheit und Impulsivität. Oft ist das weder Fleisch noch Fisch, wenn die catchy Passagen nahe an Biffy nicht deren begeisternde Euphorie wecken können, während die wütenden Segemente zu generisch konstruiert sind und nicht wirklich hasserfüllt in die Mangel nehmen.

Trotzdem: im konfrontierenden Augenblick funktioniert diese Ambivalenz. Das zu lange Tired, Aye? verlässt sich nur auf sein Schlagzeugspiel und Geschrei, ist strukturell griffig, aber dabei vom konventionellen Ausdruck befreit, bevor sich auch das karg reduzierter Slow-Mo-Nachhall Dusty minimalistisch aufbrechenden Tiraden schleppt. Ja, alle involvierten Meister ihres Fachs haben merklich Bock auf dieses ihr Liebkind und genießen eine gewisse Narrenfreiheit – die demonstrative Aggression darf da so auch eigentlich ein diametral artikulierter Spaß an der Härte sein.
Sons and Daughters zelebriert als Drone Metal a la Boris seine so nachhaltige wie unmittelbare Hook repetitiv und stoisch, Palms of Hands drangsaliert wie Helmet im scharfkantigen Noiserock mit punkigen Stop-and-Go-Modus. Dann galoppiert Sold! mit poppig-schmissig shakenden Twist zum feisten Rock-Bastard und The Looming sammelt sich zu einem zähflüssigen und doch versöhnlichen Finale mit doomiger Attitüde, Call and Response-Hartnäckigkeit aus fauchender Garstigkeit und okkult gegrölten Stiernacken voll meditativ auslaufender Geduld.
All das ist dann während des Konsums stets mehr als nur gut (und fühlt sich insofern an dieser Stelle auch irgendwo um einen Punkt zu niedrig bewertet an), kann abseits des eklektischen Momentums aber nicht den aufregenden Reiz samt der daraus folgenden Gravitation aufrechterhalten, um eine zum oftmaligen (oder gar regelmäßigen) Konsum anzuziehen. Wie viel Bock Empire State Bastard mit Rivers of Heresy live machen dürften und welches Potential das Duo hiermit für die Zukunft andeutet, ist insofern eine andere Geschichte.

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