Fontaines D.C., Sprints, Leftovers [23.08.2025: Freilufthalle B, Graz]

von am 23. August 2025 in Featured, Reviews

Fontaines D.C., Sprints, Leftovers [23.08.2025: Freilufthalle B, Graz]

Ein regelrecht beschaulicher Österreich-Stopp nach 45.000 Menschen in London: Fontaines D.C. sind dank des breitenwirksamen Romance weit über den Hipster-Konsens hinausgewachsen und füllen die Freilufthalle B der Messe Graz mit einem heterogenen, begeisterungsfähigen Publikum.

Quasi als lokaler Support eröffnen Leftovers den Abend allerdings noch in einer noch überschaubar gefüllten Location. Subjektiv verpassen alle jene der offiziell 3.500 Besucher, die sich um 19.00 Uhr noch nicht am Gelände befinden, jedoch kaum etwas, lassen die FM4-Lieblinder aus Wien doch einmal mehr die Frage offen, weswegen ihnen so viel Wohlwollen entgegenschlägt.
Der grungig angepunkte Indierock des Quartetts hat in seinem banalen Simplizismus jedenfalls Attitüde, doch fehlen abseits der schnoddrigen, auf hingerotzt machen wollenden Performance einfach (noch) die guten Song. In der relativen Gleichförmigkeit sind die Melodien und Hooks schlichtweg dürftig, muten wie unausgereifte Momentaufnahmen aus dem Proberaum an. Doch dank der barrierefreien Refrains genügt dies offenbar, um bei Nummern wie Mensch am Mond oder Marmelade und Himbeereis hier ein paar Leute enthusiastisch mitgröhlen zu hören oder dort Mutter und Tochter zu sehen, die sich beim gemeinsamen Tanz zum schiefen Halbstunden-Programm filmen.
Passt eh – schmerzhafter als die Musik der Leftovers sind ohnedies die horrenden Preise an den reichlich vorhandenen Getränkeständen.

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In einer ganz anderen Liga unterwegs sind dann ab 20.00 Uhr Sprints, die ihr fabelhaftes Debütalbum Letter to Self aus dem Vorjahr demnächst mit (dem schon prominent in der Setlist vertretenen) All That Is Over mühelos bestätigen werden – und an diesem Abend schonmal kaum Grund zum Meckern lassen.
Gut, die Auswahl der Stücke ist vielleicht ein wenig zu sehr auf die flotten Postpunk-Sprinter zugeschnitten (weil dadurch die limitierte Bandbreite von Drummer Jack Callan in dieser Ausrichtung unterstrichen wird), während die episch ausholenden und ruhig in sich gehenden Stücke (als eigentliche Paradesisziplin der Band) zu kurz kommen (oder: kann man überhaupt restlos zufrieden sein, wenn das Quartett seinen besten Song ausspart?).
Dennoch haben die 40 Minuten des Sets hinten raus eine immer dichter werdende Dramaturgie, fetzen und drücken ohne leeren Meter. Gerade Frontfrau Karla Chubb hinterlässt ordentlich Eindruck, indem sie (bis zu ihrem finalen Bad in der Menge) live (mehr noch als auf Platte) eine tolle Präsenz und eine noch stärkere, rauchig-intensive Stimme in die Auslage stellt. Selbst eine arg willkürliche Lichtshow und der je nach Standort qualitativ (zwangsläufig) arg schwankende Sound mindern die Intensität der (in einem verschwitzten Club sicher noch idealer funktionierenden) Band hinter dieser leidenschaftlich agierenden Gallionsfigur kaum.
Subjektiv betrachtet sind Sprints die Gewinner des Abends.

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Wobei auch Fontaines D.C. (als aktuell wohl heißeste Band Irlands und seit sechs Jahren konstant wachsender Indie-Hype) an sich wenig falsch machen.
Gut, Liam Gallagher mag (wie eh mit allem) schon Recht haben, wenn er zu Protokoll gibt, dass er bereits besser angezogene Roadies als die (live durch Multiinstrumentalist Alexander Jesson zum Sextett aufgestockte) Gruppe aus Dublin gesehen hat. Er wird sich allerdings schwer tun, aktuell jemanden zu finden, der das Oasis-Handbuch für Bühnenpräsenz aufmerksamer und erfolgreicher studiert hat, als die Jungs um Grian Chatten. Der beherrscht das Spiel als dirigierender Anheizer mit distanzierter Coolness hinter seiner abgeklärt getragenen Sonnenbrille in jedem Fall verdammt gut. Das Publikum frisst ihm von der ersten Sekunde aus den Händen, keinen Song muss der 30 jährige ohne ausgelassene Unterstützung aus der Menge intonieren. Die Stimmung ist gerade in der vorderen Hälfte der offenen (eine Art betonierte Festival-Atmosphäre verbreitenden) Halle ausgelassen und begeistert – wobei der Jubel dort besonders während der beiden (die zumeist nonverbal stattfinden lassende Interaktion unterbrechenden) „Free Palestine“-Ansagen merklich aufbrandet. Ob es genügt, ein derart komplexes Thema trotz Palestina-Flagge auf dem Keyboard mal eben zwischen zwei Songs wie einen lässig eingeworfenen Slogan anzustreifen, muss freilich jeder für sich entscheiden.

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Chattens nüchtern und zweckdienlich arbeitenden Kollegen verzichten dahinter auf Show-Einlagen, stemmen die Stafette an Ohrwürmern an mitunter bis zu drei Gitarren – die man im zumeist relativ indifferenten Soundmatsch jedoch bei aller Liebe einfach nicht individuell wahrnehmen  kann – und pflegen das unterkühlte Image. Jackie Down the Line fügt sich ideal in die 90er-Schiene der Band, Televised Mind treibt halluzinogener. Die beiden Album-Nachzügler It’s Amazing to Be Young und Before You I Just Forget enttäuschen auf der Bühne dezent – ersterer, weil er nicht derart hymnisch zündet, wie versprochen; zweiterer geht ein wenig unter – bevor Big umso energischer hämmert. Mehr Gas gibt da nur das ausgelassene Boys in the Better Land, bei dem Fontaines D.C. ordentlich nach vorne ziehen.

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Nach dem vom Band kommenden, etwas irritierend gewählten (aber als Starbuster-Variation halt einen Bogen um die Setlist spannen sollenden) Intro In Heaven gerät so primär das erste und letzte Drittel der Show (inklusive einer praktisch perfekten Zugabe) enthusiastisch und fesselnd. Sich eng an die Studioversionen haltende Beiträge von Romance dominieren den Verlauf, mit Skinty Fia auf Sicht, derweil A Hero’s Death und Dogrel unterrepräsentiert sind, und machen (auf Festival-Niveau, nicht in Arena-Majestät) kurzweiligen Spaß – Fontaines D.C. lassen ihre Hits ohne Gänsehaut einfach souverän vom Stapel.
In ihrer Mitte verliert die knapp eineinhalbstündige Show zwar merklich an Spannung, es lichten sich im hinteren Viertel auch die Reihen, doch durchtaucht die Band diese beiläufigster Phase mit legerer Unbeirrbarkeit. Nicht zu Unrecht: Um in Evergreen-Dimensionen vorzudringen, die dann wohl selbst den Gallaghers Respekt abverlangen würden, ist es schon noch ein weiter Weg für die Iren – zumindest für den Moment gehören Fontaines D.C. aber, Hype hin, Hype her, tatsächlich ganz unspektakulär durchaus zum Besten, was ihre Gitarrenrock-Generation zu bieten hat.

Setlist:

Here’s the Thing
Jackie Down the Line
Boys in the Better Land
Televised Mind
Roman Holiday
It’s Amazing to Be Young
Big Shot
Death Kink
A Hero’s Death
Before You I Just Forget
Horseness Is the Whatness
Big
Nabokov
Desire
Bug
Favourite

Encore:
Romance
In The Modern World
I Love You
Starbuster

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