Modern Life Is War – Life On The Moon
Modern Life is War kehren nicht zurück, um mit Life on the Moon am Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Dafür kann man ihnen kaum genug Respekt zollen – auch, wenn am Ende ein frustrierend unausgegorenes Album steht.
Fast eineinhalb Jahrzehnte nach dem fabelhaften Fanpleaser Fever Hunting von 2013 (sowie mit einigem Abstand zu den sporadisch eingestreuten Tribulation Worksongs als Büchse der Pandora) spürt die Band aus Iowa demonstrativ keine Verpflichtung mehr, noch irgendwelche Erwartungen zu erfüllen: Vom melodischen Hardcore Punk jener Prägung, den man automatisch mit Modern Life Is War assoziiert, ist auf dem fünften Album des Quintetts nur noch wenig über – mag ein You Look Like the Morning Sun auch in unter 40 Sekunden den Punk kloppen oder In the Shadow of Ingredion bärbeißender wie eine im Midtempo hardrockende Fucked Up-Banalität austeilen.
Für den gefühlten Nachfolger des schon polarisierenden Teilzeit-Schwanengesangs Midnight in America stellt gleich Invocation in aller Ruhe die entsprechenden Weichen für diese Zäsur, als eine Art schleichendes Varieté-Intro mit weiblichem Gastgesang, während bratzende Drone-Gitarren subtil im Hintergrund bleiben und sich vorne ein tänzelnder Beat und dramatische Score-Streicher das Rampenlicht teilen.
Mit einer solch unkonventionell abseits der eigenen Trademark-Tugenden gebauten Eröffnung ergeben sich zwangsläufig Freiheiten.
Das catchy First Song on the Moon wagt so den Spagat zwischen arg simplen La Dispute (eine Assoziation, die übrigens deutlicher denn je zum Tragen kommt) und Coliseum, so süffisant, dass tatsächlich auch ein Kleinkinder-Chor die Nummer mitschreien kann. Dass dabei kein Biss und Druck im Sound aufkommt, nimmt übrigens früh die eklatante Achillessehne der Platte vorweg: So viele Songs von Life on the Moon werden an der verwaschenen Produktion scheitern und es ist einfach nur frustrierend, wie viel Potential das Material in ihrer um Konflikte nicht scheuen Ausrichtung an dieser unnötigen Front verschwendet. (Das kostet dann auch zumindest einen Punkt bei der Wertung).
Besonders deutlich wird dies nicht nur im ähnlich gelagerten, kompositorisch trotz flottem, straighter Zug aber uninspirierter agierenden Johnny Gone oder dem das Tempo ins Wildlife drosselnden Homecoming Queen, dem einfach nicht der Knopf aufgehen will, sondern in der desorientiert und verwirrend empfangenden Single Jackie Oh No, die sich letztlich überraschend stimmig am Noise Rock versucht – so geduldig und unweigerlich sanft. Gerade im flehenden Refrain wird die Exkursion aber durch die Inszenierung schaumgebremst, erzeugt keine zwingende Energie und verpasst die Katharsis für das dramatisch gestikulierenden Finale.
All das ist besonders tragisch, weil Modern Life is War eigentlich eine ganzheitliche Vision für ihr Puristen-Gift gehabt zu haben scheinen.
Der schmissig direkt auf At The Drive-In verweisende Post Hardcore von There Is a Telephone That Never Stops Ringing hämmert sein Saxofon-Delirium nämlich direkt in die Twin Peaks‘schen Nebelbänke von Empty Shoes, bei dem die E-Drums im Hall rasseln und das besagte Telefon unter der ätherischen Atmosphäre weiterklingelt, bevor die Band sich selbst im Noir Jazz-Remix ablichtet.
Und auch der Verbund aus dem solide zu den Dead Kennedys eilende Bloodsport, Kid Hard Dub (das von sinistren Bars mit Dub-Einschlag halluziniert) und der düster beklemmende Schwermut von Over the Road ist praktisch eine nahtlose Suite.
Dass das finale Talismanic dann doch noch in einer emotionaler Intensität detoniert, die man von der Band gewohnt ist, darf deswegen auch nicht als Kompromiss oder gar Zugeständnis an externe Erwartungshaltungen missverstanden werden. Die größte Stärke von Life on the Moon (einem Werk, dass man so sehr dafür lieben kann, was es versucht – und das doch damit enttäuscht, was es tatsächlich schafft) ist, dass es sich das Album einer niemandem etwas schuldenden Band anfühlt, die alleine dem eigenen Bauchgefühl instinktiv folgt – und bei diesem interessanten Evolutionsschritt noch an ein paar substantiellen Kinderkrankheiten zu knabbern hat.


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