Geese – 3D Country

von am 8. November 2023 in Album

Geese – 3D Country

Bisher haben Geese vor allem dadurch überzeugt, dasss sie sich als eine der potentesten Erbverwalter für Ought im Postpunkt positioniert haben. Dies auf ihrem offiziell zweiten (tatsächlich aber dritten!) Album zu unterstreichen genügt nun aber nicht: Mehr ist schließlich mehr in diesem aufregenden 3D Country!

Leicht irrwitzige Tendenzen ließen die Brooklyner ja immer schon erkennen, nun schießen sie insofern aber den Vogel ab: was für eine übermütige Genre-Achterbahnfahrt mit einer schier unbändig hereinprasselnden Flut an Assoziationen Geese auf 3D Country (ein Titel, der als stilistische Verortung der Platte letztendlich absolut Sinn macht!) veranstalten, spottet dann aber doch jeder Beschreibung.
Um es mit einem Blick in einzelne Passagen am Anfang und Ende der Platte, die allerdings Rückschlüsse auf das große Ganze zulassen, jedoch trotzdem zu versuchen: 2122 intoniert mit der überkandidelten Theatralik von The Eighties Matchbox B-Line Desaster, wenn diese eine Roadhouse Band gewesen wären, die so funky den Krawall im Cowbell-Irrsinn suchen. Der Titelsong croont in der Ought-Lounge zu Strokes-Gitarren mit souligen Backing-Ladies und gnödelt dann zum Classic Rock-Jam. Cowboy Nudes verneigt sich vor den Stones, auch entlang der tropikalen Percussion-Hibbeligkeit von LCD Soundsystem. Tomorrow’s Crusades klingt später beinahe – und dennoch gar nicht! – so, als würde Bowie auf einem schwindeligen Pony in die Prärie des friedlich aufgekratzten Technicolor-Westerns ausreiten, bevor St. Elmo sich als ein klimperndes Honky Tonk-Delirium mit Jahrmarkt Attitüde und kratzigem Solo-Ansatz im Kreis dreht.

Klingt anstrengend?
Vor allem, weil zwischen drinnen Prince-taugliche Hit-Hooks mit aufopfernder Hingabe (I See Myself) ebenso selbstverständlich (a la Undoer, dem Herzstück) neben lauernde Groove-Rhythmen mit Hang zur Psychedelic, zum Exzess und Progrock stellen wie eine Portion Wahnsinn mit beschwingter Leichtigkeit ausgelassen hantiert (Mysterious Love), die in schieflage torkelnde, klimpernde 80er-Sitcom mit Chor die große Geste probt (Gravity Blues) oder zwischen pompösen Schreiten und behutsamer Einkehr bei euphorisierendem Panorama keinen Unterschied gemacht wird (Domoto), während selbst das kompakte 6 mit seinen feierlichen Streichern die Monotonie umgeht?
Ist es irgendwie auch. Und trotzdem absolut schlüssig.

Denn der größte Trumpf von 3D Country ist, dass all diese unberechenbaren Wendungen und Symbiosen kaum etwas Erzwungenes an sich haben, sondern natürlich und ja, sogar zwangsläufig vernünftig wirken. Selbst wenn das Songwriting manchmal vielleicht nicht zum Punkt findet, auch nicht den wirklich erlösenden, emotional unbedingt berührenden Klimax in den so dynamischen, so aufregenden Kompositionen erzeugt. Aber der Schmelztiegel der Ideen und Einflüsse folgt seiner eigenen Logik wie aus einem abstrusen Guss, ohne sich verbiegen zu müssen, und dabei vor allem auch noch eigene charakteristische Identität anstelle der austauschbaren Beliebigkeit entwickelt – was zu einem Gutteil an der enthusiastischen, inbrünstigen Performance von Frontmann Cameron Winter zuzuschreiben ist, der eine exaltierte, vielseitige Spannweite zeigt, die seinesgleichen sucht.
Geese schießen mit ihm als Leithammel also manchmal am Ziel vorbei, aber nie darüber hinaus. Mehr noch demonstrieren sie allerdings, wie verdammt gut es tut, eine junge Indie-Band zu hören, die mal wieder etwas riskiert. Was dann auch ein Aufrunden zwischen den Punkten verdient.

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