Gridlink – Perfect Amber

Neben einem krassen neuen Artwork und obligatorischen Karaoke-Versionen bekommen die beiden ersten Gridlink-Alben – Amber Gray und Orphan – als Perfect Amber ein Facelift im Komplettpaket.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Platten von 2008 und 2011 sind in ihrer ursprünglichen Form freilich ohnedies verdiente Grindcore-Klassiker – und diesen Rang will Perfect Amber den beiden Werken auch keineswegs ablaufen.
Aber dass da trotzdem noch Luft nach oben war, lässt sich alleine schon mit dem Gridlink-Zenit Longhena von als Maßstab feststellen: das Drittwerk von 2014 war runder, größer, kompletter und klang vor allem noch ausformulierter, geiler. Dass Gitarrist Takafumi Matsubara dem Frühwerk der offiziell immer noch / schon wieder in den ewigen Jagdgründen weilenden Band aus Szene-Legenden rückwirkend ein an das restliche Œuvre angeglichenes Update verpassen wollte, indem er es mit mehr Muskeln auf den Knochen und einer an den Comeback-Schwanengesang Coronet Juniper (2023) angepassten Sound-Ästhetik aufpeppend entlang der ganzheitlichen Perspektiven der makellosen Diskografie gerade rückt, ist also durchaus nachvollziehbar.
Noch deutlicher macht es der Beipackzettel:
„Perfect Amber is a retracked/remixed version of Amber Grey and Orphan and presents an entirely different feel to the original GridLink albums, previously impossible, given the limitations of the original 16-track recordings. Now in line with Matsubara’s vision, Perfect Amber represents the intended sound and state of these two albums.
Not meant to replace the original recordings, Perfect Amber features additional rhythm and new leads not evident in the original 16-track tape mixes. (…) by Takafumi Matsubara and Rory Kobzina and new bass by Mauro Cordoba.
Bryan Fajardo’s drum tracks and Jon Chang’s vocals remain unchanged from the original sessions. Mixed by Kevin Antreassian of The Dillinger Escape Plan and Backroom Studios (who mixed Longhena, Cornet Juniper, No One Knows What The Dead Think and an upcoming Discordance Axis remix).„
Während man die (durchaus den Kern des Ursprungs-Materials intakt haltenden) Adaptionen von Orphan superb finden darf, hier und da jedoch auch als nicht restlos essentielle Ausschmückungen subjektiv ein klein wenig ambivalenter wahrnehmen kann, profitiert für allem Amber Gray von der kraftvolleren Produktion, dem satteren Klang und der nunmehr vielschichtigeren instrumentalen Basis. Alles zeigt definierter und voller auf als bisher, substanzieller, runder und ergiebiger.
Auf die ganzheitliche Ebene von Longhenna gezogen sind die Unterschiede zu den Originalen nicht systematischer Natur, bändigen das Chaos und die Progressivität nicht, sondern ergänzen diese Faktoren, lassen sie nochmal wachsen, leidenschaftlich und hungrig. Sie vertiefen quasi das Worldbuilding und die freigegebene Energie gleichermaßen. Der vielleicht schönste Ausdruck dieses Umstandes ist womöglich ausgerechnet, wie entfesselt psychotisch alleine die Vocals von Scopedog nun eskalieren – eventuell ist es aber auch die triumphale Euphorie der zusätzlichen The Last Red Shoulder-Leads? Egal!
Es gibt jedenfalls im frischen Wind so viel zu entdecken, während man sich in die Grundsubstanz neu verlieben kann. Und obwohl Perfect Amber seinen Namen nicht von ungefähr trägt, verlieren Amber Gray und Orphan als Kinder ihrer Zeit den angestammten Platz im Fan-Herz dadurch keineswegs automatisch. Einigen kann man sich insofern aber wohl zumindest darauf, dass Gridlink aus dem Grab heraus, mit Songs, die eineinhalb Dekaden alt sind, den 2025er-Jahrgangs-Maßstab für Grindcore setzen.
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