Gridlink – Longhena

von am 17. Februar 2014 in Album, Heavy Rotation

Gridlink – Longhena

The end game, the final unit. ‚Longhena‚ ist nicht nur der Schwanengesang für die Ausnahme-Allstar-Kombo GridLink, das alles niederkloppende Meisterwerk zum Abschied: es ist der erreichte Zenit, nach dem Takafumi Matsubara nichts mehr vom Grind wissen will und Jon Chang für sich sogar nur den vollständigen Rücktritt aus dem Musikgeschäft sieht.

So abgrundtief schade es ist, dass nach Discordance Axis hiermit bereits die zweite große Chang-Band ihr Ende findet, so sehr muss man den Hut vor der Konsequenz dieser Entscheidung nach einem solchen Feuerwerk ziehen. Aufhören wenn’s am schönsten ist – denn was soll für GridLink nach ‚Longhena‚ (auf absehbare Zeit wahrscheinlich sogar für das Genre an sich) noch kommen?
Das dritte Studioalbums von Chang (Discordance Axis, Hayaino Daisuki), Matsubara (Mortalized, Hayaino Daisuki), Teddy Patterson (Burnt by the Sun) und Bryan Fajardo (Kill the Client, Noisear) schreit einem hochkonzentriert die Radikalität entgegen, dass ‚Longhena‚ an 5 Tagen in Kyoto in der absoluten Gewissheit aufgenommen wurde, das finale, ultimative Album der Band zu sein: GridLink spielen mit atemberaubender technischen Präzession faktisch um ihr Leben, treiben sich gegenseitig ans Limit und auch aus den Komfortzonen des Genres hinaus; der Wille sich selbst und das eigene Schaffen zu übertreffen ist jeder Sekunde der Platte anzuhören.

Alleine die Spielzeit zementiert das Bedürftnis ein Opus Magnum abzuliefern: ‚Longhena‚ ist beinahe ebenso lang wie ‚Amber Grey‚ (2008) und ‚Orphan‚ (2011) zusammengenommen – brutale 23 Minuten. Gleich im progressiven ‚Constant Autumn‚ preschen GridLink erstmals über die magische 2 Minuten Marke und präsentieren ihren Grind ohne Scheuklappen: Chang keift wie ein besessener, growlt dann in ‚The Last Raven‚ auch wie ein irrer Hexenmeister und peitscht die Stimmung  phasenweise immer wieder Richtung Death Metal (im konkretesten in ‚Chalk Maple‚, passenderweise mit Paul Pavlovich von Assück als Gast). Dass das futuristische ‚Longhena‚ in all seiner Komplexität einen zutiefst melancholischen Kern hat, hebt das Album zusätzlich von der Masse ab: Chang schreit sich vor hämmernden Blastbeats und saltoschlagenden Noiseattacken die Seele blutend, empfiehlt sich voll berstender Emotionen ein letztes Mal als einer der herausragendsten Sänger des Genres.

Die Drums rasen dazu in Maschinengewehrgeschwindigkeit ohne Unterlass, der Bass drückt kompromisslos, die Produktion ist vielschichtiger, sauberer und packender als auf den beiden Vorgängern – alleine diese Versiertheit und Perfektion macht ‚Longhena‘ zur imposanten Leistung von nahezu makelloser Brillanz!
Am Ende des Opener ‚Constant Autumn‚ kriechen letztendlich launige Violinenarrangements in das Geschehen – arrangiert von Joey Molinaro, der bereits 2000 das Discordance Axis Album ‚The Inalienable Dreamless‘ klassisch geschult interpretierte – , die für das Finale ‚Look to Windward‚ ebenfalls Spuren hinterlassen werden, vor allem aber ‚Thirst Watcher‚ prägen: ein Instrumental von erholsamer Schönheit.
Hier umgarnt das glimmernde Streicherinstrument Matsubara’s betörend zurückgenommene Gitarrenarbeit, die sich hier soweit wie nur möglich aus dem Standardrepertoire einer Grindband lehnt. Überhaupt übertrifft sich Matsubara mit seiner Performance auf ‚Longhena‚ selbst: was der Mann hier an Hochgeschwindigkeitsriffs und feuerspuckenden Ideen raushaut ist schlicht sensationell, in jedem Song stecken unzählige Widerhaken und dynamische Variationen, explosive Geniestreiche. ‚Stay Without Me‚ führt vor wie hymnisch 50 Sekunden sein können. ‚Black Prairie‚ hyperventiliert als Grindcore-Hit der Extraklasse. ‚Ketsui‚ gibt sich so dramatisch wie möglich. ‚The Dodonpachi‚ oder der Titeltrack lassen immer wieder irrsinnige Metalmomente aufheulen während ‚Look to Winward‚ über weite Strecken gar wie ein Mastodon-Song auf Speed daherkommt. „Grind 2.0“ sagen GridLink zu diesem kollektiven Hochleistungssport, und haben so Unrecht nicht.

Auch Melt-Banana lagen richtig, als sie sich bereits Ende letzten Jahres von der Rohfassung des Albums begeistert zeigten. ‚Longhena‚ ist ein episches Genre-Meisterstück geworden, ein exzessiver Wirbelsturm mit maximaler Sprengkraft. Durchaus möglich, dass sich diese 23 Minuten als größtes Geschenk an den Grindcore seit mindestens (!) ‚Book Burner‚ über die kommenden Jahre sogar einen ähnlichen Stellenwert erarbeiten werden wie Nasum’s Meisterwerk ‚Human 2.0‚. Bereits jetzt lässt sich hingegen mit Sicherheit sagen: GridLink verabschieden sich mit einem beeindruckenden Manifest, einem überragenden Epitaph von einem Album, das überdauern wird. „I remember when we were in love/but time has taken that from us“ schreien GridLink die Vergänglichkeit der Dinge in die Welt. Doch unabhängig davon, was die Zukunft für Chang, Matsubara, Patterson und Fajardo bereit halten wird: ‚Longhena‚ kann ihnen niemand mehr nehmen – spätestens hiermit haben sie ihren Platz in den Annalen des Genres endgültig sicher.

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