Hans Zimmer – The Dune Sketchbook

Hans Zimmer verausgabt sich im Kosmos von Frank Herbert und liefert mit The Dune Sketchbook, dem Original Motion Picture Score und The Art and Soul of Dune gleich drei Soundtracks zu Denis Villeneuves so befriedigender Science Fiction-Adaption.
Ausgerechnet der Original Motion Picture Score ist dabei eine enttäuschende Angelegenheit geworden, indem er die (von Zimmer mit teils extra für den Film gebauten Instrumenten erzeugten) Motive und Themen nur ausschnitthaft, collagenartig, auch mäandernd entlang der Handlung fesselt – und eben auch limitiert, sein Potential trotz einzelner herausragender Szenen nur anschneidet.
Einnehmender gerät hingegen The Art and Soul of Dune, wobei die musikalische Untermalung des (wahlweise um 600 Dollar erhältlichen) Designbuches quasi als formoffen fließendes Ambientalbum zu verstehen ist, als strukturfrei alleine für den Hintergrund konzipiertes Mood Piece, das die Elemente des Soundtracks 9 Tracks oder 104 Minuten als Klangteppich Richtung Unterbewusstsein schiebt.
Die Quintessenz samt erschöpfendem Horizont breitet Zimmer allerdings gleich im vorab erschienen Sketchbook aus, das die Figuren und Handlungsorten losgelöst von der Szenerie des Narratives aus der Entfernung betrachtet: wie eine Landkarte mit möglichen optionalen Orientierungspunkten; die Ursuppe für spätere Momentaufnahmen; ein Erforschen von Arrakis mit imaginativen Sog über die filmisch eingefangenen Momente und Schauplätze hinausgehend; eine ausformulierte Reise, in der die musikalischen Ideen den Raum und die Spielzeit bekommen, die ein Universum von der Größenordnung von Dune verdient.
Die bis zu 19 Minuten langen Suiten widmen sich dabei über neun Score-Monolithen gestreckt ihren eigenen kleinen Mikrokosmen. Song of the Sisters beginnt flüsternd mit röchelnden Stimmen, die Tribal-artig unter Strom stehende, in kurzen Eruptionen rotierende Percussion erinnert ausgerechnet an Tenet, verschwindet jedoch wie entfernte Kiegstrommeln. Esoterisch skandiert der Choral, entfaltet einen Stakkato-Chant, der an Cyberpunk-Dystopien wie Akira erinnert, hier aber weihevoll schwelgend in den orchestralen Ambient Pop voll fremdländischer Mystik und technoiden Facetten gleitet, und eine faszinierende, kultisch beschwörend Trance entwickelt.
I See You in My Dreams imitiert klanglich rieselnden Sand, der in eine Wüste aus sphärischer Melancholie fällt. Der Gesang ist sehnsüchtig und engelsgleich rein, könnte Blade Runner als Nomaden im neonfuturistischen dunklen Suspense zeigen, während Thopter über ewige Dünen fliegen, sich die Spannung intensiviert und wieder beruhigt. In einem Acapella-Rahmen überrascht House Atreides heroisch wie ein Highland-Dronerock in Zeitlupe, zu dem ein maschineller Hybrid in Feierlaune rezitiert. The Shortening of the Way ist eine epische Sci-Fi-Majestät, die jedoch erst bescheiden und intim bleibt, oriental anmutende Gitarren delirant anzieht und selbst in der Einkehr eine kosmische Perspektive anbietet, bevor der Thriller an Fahrt aufnimmt.
Das flirrende Paul’s Dream zelebriert das grandiose Leitmotiv des Kwisatz Haderach als kraftvoller Wüstengesang vor federndem Percussion Wirbel und Moon over Caladan ist ein sinisteres Kaleidoskop, ein sphärisches Theater mit opulent-pompösem Panorama. Shai-hulud ist die würdige Nationalhymne einer göttlich würgenden Entität, bevor das technoide Mind-killer als hetzender Synthwave eine variable Bandbreite voller Dynamik zeigt, bevor Grains of Sand dort gleichermaßen direkt übernimmt, wie es den Bogen zurück zu Song of the Sisters spannt. Mit Skizzen hat The Dune Sketchbook also auch im Blick auf das Gesamte nichts zu tun – viel eher handelt es sich hierbei um ein ganzheitliches, ohne tatsächliche Destillation purer Ikonographie nur einige wenige leere Meter zurücklegendes, dabei jedoch bisweilen mit Haut und Haar fressendes Gemälde von einem zeitlosen Score.
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